1. Wirbel: Die Macht der Schwerkraft

Dieser Artikel stellt den aktuellen Stand der Technologien aus Wasserwirbeln vor. Dies ist eine von vielen Innovationen im Rahmen der Blue Economy und Teil einer breit angelegten Bewegung um Mensch, Wirtschaft und Natur positiv in Einklang zu bringen.

von Markus Haastert, Anne Kathrin Kuhlemann, Malte Plewa

Hintergrund: Was sind Wasserwirbel und wie funktionieren sie?

Die meisten Flüsse (zumindest die außerhalb von Industriegebieten) sind doch erstaunlich sauber, ohne dass irgendjemand sie durch eine Filter laufen lässt. Sogar innerhalb von Großstädten wie Berlin ist es möglich, wenn auch nicht unbedingt empfehlenswert, in Flüssen zu baden. Wie kann das eigentlich sein?

Das Wasser reinigt sich selbst, und zwar unter Einsatz von Strömungen und Wirbeln. Wenn Wasser zum Beispiel in den Abfluss läuft, kann man gut beobachten, wie solche Wirbel entstehen. Mit ihrer Hilfe schaffen es übrigens auch Fische mitten in einem schnell fließenden Fluss an einem Ort zu bleiben. Wasser fließt in ihr Maul und tritt wirbelförmig aus den Kiemen wieder aus, was ihnen die nötige Stabilität verschafft.

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Wirbel reinigen Wasser, da ihre Drehgeschwindigkeit am unteren Ende höher ist als oben. Dadurch werden Partikel heruntergezogen und können durch ein Vakuum am Ende des Wirbels herausgesaugt werden. Außerdem wird das Wasser in einen chaotischen Zustand versetzt. Die ständige Strudelbewegung presst Luft aus dem Wasser und wieder hinein, so dass Mikroorganismen absterben oder stimuliert werden.

Vor einigen Jahren sind einige Wissenschaftler auf die Idee gekommen, solche Wirbel nachzubilden um das natürliche Potential des Wasser auszunutzen.

Basierend auf den Ideen von Viktor Schauberger, der die Meinung vertrat, dass die Natur eigentlich alle Lösungen für von Menschen gemachte Probleme bereithält, und Formeln aufgestellt hat, mit denen man das auch berechnen kann, hat eine Gruppe schwedischer Wissenschaftler um Curt Hallberg eine Art wirbelförmiges Rohr entwickelt, dass die natürliche Bewegung von Wasser imitieren soll.

Nicht zu verwechseln ist diese Technologie mit esoterisch beworbenen Geräten, die im Internet versprechen das Wasser zu „harmonisieren“, „energetisieren“ oder es in einen „jungfräulichen Zustand“ zurückzubringen. Einige aktuelle Beispiele verdeutlichen, was für ein Potential die physikalische Nutzung von Wasserwirbeln tatsächlich hat.

Innovation: von Schlittschuhbahnen zur Energieversorgung

Wasserwirbel haben erstaunliche Eigenschaften – sie können, je nach Methode, dem Wasser Sauerstoff entweder entziehen oder hinzufügen und Partikel aus dem Wasser herausfiltern.

Die ersten Wirbelmaschinen der schwedischen Firma Watreco wurden im Jahr 2004 manuell hergestellt. Sie wurden allerdings nicht zur Wasserreinigung verwendet, sondern in einem komplett anderem Bereich eingesetzt – auf Eislaufbahnen. Da die Wirbel, ähnlich wie sie Schmutz aus dem Wasser pumpen, auch Luftbläschen entfernen können, konnte kristallklares Eis mit höherer Dichte hergestellt werden. Für gewöhnlich ist in Wasser gelöste Luft enthalten, in Mikrometer kleinen Bläschen. Luft ist eine natürliche Dämmung. Wirbel entfernen diese Luft, so dass das Wasser schneller gefriert. Durch das schnellere Gefrieren wird weniger Kühlenergie benötigt. Luftfreies Eis ist dazu auch noch viel stabiler.1 Indem man unter das Eis Werbung packt, die nun von alle gesehen werden kann, konnte mit dieser Erfindung sehr viel schneller Geld verdient werden als durch die reine Energieeinsparung. (Video hier abrufbar)

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Doch nicht nur in Eishockeystadien weltweit wurde das Potential von Wirbeln erkannt. Auch beim Bauen von Gebäuden finden Wirbel immer mehr Anklang. Ähnlich wie beim Eis, werden Wirbel auch zum Mischen von Zement verwendet. So wird die Anzahl an Luftbläschen verringert und damit die Härte und Stabilität des Zements erhöht.2 Zahlreiche Firmen auf der ganzen Welt vermarkten diese Technologie bereits.

Eine weitere unwahrscheinliche Einsatzmöglichkeit für die Allround-Talente sind Golfplätze. Heutzutage benötigt ein einziger Golfplatz bis zu vier Millionen Liter Wasser pro Tag. Um Wasser zu sparen werden oft Chemikalien beigemengt, welche die Oberflächenspannung senken – das Wasser dringt schneller in das Grün ein und verdunstet nicht. Durch die Wirbelmaschine werden keine Chemikalien mehr benötigt um 20 bis 30 Prozent Wasser zu sparen. Hier ersetzen Wirbel tatsächlich Chemikalien.

Wirbel können auch Algen aus stehenden Gewässern – seien es Tümpel, Pools oder Schwimmbäder – entfernen, welche bisher meist mit Chemikalien wie Chlor behandelt werden.

Und sogar zur Energiegewinnung können Wirbel genutzt werden. In mehreren Ländern, darunter die Schweiz, Österreich und Deutschland, gibt es seit kurzer Zeit Wasserwirbelkraftwerke, die nahezu CO2-neutrale Energie erzeugen. Das geht eigentlich ganz einfach: Flusswasser fließt in einen Betonbottich, in dem am anderen Ende durch die Wasserkraft ein Wirbel erzeugt wird – durch die Bewegung wird Strom erzeugt. Die Technologie ist einfach, klimaschonend und umweltfreundlich.3 Ein Modellprojekt aus der Schweiz zeigt, wie gleichzeitig saubere Energie gewonnen und Lebensraum für aquatische Organismen geschaffen werden kann. Durch die sich langsam drehenden Wirbel können Fische und andere Flussbewohner früher unbewohnbare Stromschnellen unbeschadet passieren. Die Biodiversität rund um die im Jahr 2009 in Betrieb genommene Anlage hat seit der Installation kontinuierlich zugenommen. (Video hier abrufbar)

Bei der Energiegewinnung durch Erdwärme wiederum werden Wirbel eingesetzt, um Eisenpartikel aus dem Wasser zu filtern, mit denen das Wasser bei dem Energiegewinnungsprozess angereichert wird.

Potenzial: die Zukunft des Trinkwassers?

Innerhalb von weniger als zehn Jahren wurde aus einer Nischentechnologie für Eishockeystadien eine moderne Art der Energiegewinnung.

Eine interessante Frage ist nun, ob man mit Hilfe solcher Wirbel auch Wasser reinigen könnte, um die Verfügbarkeit sauberen Trinkwassers zu erhöhen. Momentan wird daran geforscht, ob künstlich erzeugte Wirbel bei der Klärung von Abwasser nützlich sein könnten.

Dem Abwasser wird Luft hinzugefügt um den Mikroorganismen den benötigten Sauerstoff zu liefern, den diese brauchen, um organisches Material zu zersetzen. Der Sauerstoff führt außerdem zu einer Durchmischung, so dass die Mikroorganismen mit dem organischen Material in Kontakt kommen. 30 bis 75 Prozent der Energiekosten einer Kläranlage fallen aufgrund der künstlichen Sauerstoffzufuhr an. Erste Experimente haben gezeigt, dass durch den gezielten Einsatz von Wirbeltechnologie dem Abwasser Sauerstoff zugeführt werden kann. Dies birgt das Potential, den Energievierbauch von Kläranlagen drastisch zu senken.

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Eine der am schnellsten wachsenden Nischen beim Bestreben, das Trinkwasserangebot auszuweiten, ist die Umwandlung von Salz- und Abwasser in Trinkwasser durch Umkehrosmose. Das Investitionsvolumen wird in den nächsten fünf Jahren mehr als 18 Milliarden US$ betragen.4 Die bisher größte Fabrik Europas, die mehr als einer Milliarde Dollar gekostet hat, steht in Barcelona. Die Anlage ist in der Lage täglich 200,000m³ Meerwasser in Trinkwasser umzuwandeln. Auch hier kommen Wirbel zum Einsatz und zwar um das Problem von Biofilm zu lösen. Biofilm wächst auf Filtern, was deren Effizienz verringert. Dies führt zur Schließung von Umkehrosmoseanlagen alle 14 Tage um chemisch den Biofilm zu entfernen. Das erhöht die Kosten und reduziert die Effizienz. Wirbel ziehen die Luft aus dem Wasser und nehmen Bakterien so ihre Lebensgrundlage.

Trinkwasseraufbereitung ist ein weltweit ein gigantisches Geschäft. Der globale Wasserverbrauch steigt mehr als doppelt so schnell an wie die Weltbevölkerung wächst. Es wird geschätzt, dass sich der Weltwasserverbrauch etwa alle 20 Jahre verdoppelt.5 Zwischen 2010 und 2015 werden die globalen Investitionen in die Wasserversorgung und Abwasserbehandlung 145 Milliarden US$ betragen.6

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Es wird noch weiter daran geforscht werden müssen, ob Wasserwirbel vollständig Chemikalien in der Trinkwasserproduktion ersetzen können. Vereinzelt sind sie schon in Aufbereitungsprozessen im Einsatz. Wenn es gelingt, eine Wasseraufbereitungstechnologie zu entwickeln, die ohne Chemie und komplizierte Filter auskommt, könnten vor allem in Gegenden mit unzureichender Wasserversorgung der Ausbruch von Krankheiten wie Cholera und Typhus verhindert werden.

 


1Pythgoras Kepler System 2012.http://www.pks.or.at/anwendungen_schn.html
2Vortex Hydra 2013. http://www.vortexhydra.com/en/news/newsletter-27—the-vortex-concrete- mixing-system_50c13.html
3Daum 2013. http://www.zeit.de/2013/15/wasserwirbelkraftwerke
4BCC Research 2012. http://de.slideshare.net/bccresearch/global-markets-for-reverse-osmosis-ro-membranes-and-components-to-reach-81-billion-by-2018
5Best Water Technology 2014. http://www.bwt-group.com/de/wassertechnologie/das-element-h2o/Seiten/Wasser-der-Weltmarkt.aspx
6World Health Organization 2012. http://www.who.int/water_sanitation_health/publications/2012/globalcosts.pdf

Bilder:
https://www.flickr.com/photos/hisgett/1241275229
https://www.flickr.com/photos/44073224@N04/11053003234
https://www.flickr.com/photos/jaako/148041502
https://www.flickr.com/photos/zengei/7178617145


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