12. Windkraft ohne Turbinen
Reduziert Investitionen in die Infrastruktur, spart Metall und liefert Elektrizität an bisher nicht angeschlossene Gemeinden
Der Markt
Der Weltmarkt für Turbinen und Zubehör wie Motoren und Generatoren wird für 2012 auf über 100 Milliarden US-Dollar geschätzt. Das stetige Wachstum in der Luftfahrt und der Energiegewinnung steigert die Nachfrage. Während 70 Prozent des Weltmarktes sich auf Nordamerika und Europa konzentrieren, weist China das höchste prozentuale Wachstum auf. Aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach Windrädern beginnt China gerade, eigene Turbinen herzustellen. Dänemark ist das einzige Land mit einer Überschussproduktion an Windrädern und exportiert diese.
Es gibt hier drei große Marktsegmente: Turbinen, die einzig zum Antrieb für Flugzeuge genutzt werden, Gasturbinen zur Energiegewinnung und Windturbinen. Die Nachfrage nach Windrädern wird im Jahr 2012 die nach Gasturbinen übertroffen haben. Moderne Windräder werden 2010 für 1,5 Millionen Dollar pro Megawatt gehandelt. Wenn die USA 20 Prozent ihrer nationalen Energieproduktion aus Wind gewännen, würde dies einen Marktumsatz von 250 Milliarden Dollar bedeuten.
Die Hersteller von Turbinen richten sich nach der spezifischen Nachfrage nach Windturbinen mit vertikaler (vertical axis wind turbines, VAWT) und horizontaler Achse (horizontal axis wind turbines, HAWT). Die Steigerung der Nachfrage ist sicher, jedoch sind grundsätzliche Innovationen vonnöten, um die Grenzen zu überwinden, die der Produktion durch den Bedarf an seltenen Metallen gesetzt sind. Eine Windturbine im Industriegebrauch benötigt eine Tonne Magnete, davon 35 auf der Basis von Neodym. Heutzutage liefert China 95% dieses seltenen Metalls. Zur Gewinnung von Neodym werden aggressive Säuren in brunnenähnliche Bohrlöcher gepumpt, die dort die Erze lösen. Danach wird der Schlamm in Becken gepumpt, ein Prozess, der hohe Risiken für Arbeiter und Umwelt birgt. Neue Vorkommen, Prozesse und neue Arten von Materialien sind dringend vonnöten, da der Windenergiesektor weiter wächst.
Die Innovation
Es gibt mehrere stark wachsende „grüne“ Industrien, die von seltenen Metallen abhängen. Toyota benötigt zwei bis vier Pfund Neodym und Dysprosium für seinen Hybridantrieb sowie Lanthan für die Batterie. Die chinesische Wirtschaftskraft bei seltenen Metallen illustriert das Beispiel des Batterieherstellers BYD, der schnell zum erfolgreichen Autohersteller aufstieg. Der Zugang zu eigenen Metallvorkommen war der ausschlaggebende Faktor, um auf den Markt zu kommen. In diesem Wechselspiel zwischen „grünem“ Industriesektor und Energiegewinnung im allgemeinen ist die Entdeckung von Shawn Frayne von fundamentaler Bedeutung. Er erfand eine Form der Energiegewinnung aus dem Flattern der Luftströme, die ohne seltene Metalle funktioniert. Prinzipiell kann dieser Generator ganz ohne Metall, sogar ohne Kupfer oder Stahl auskommen.
Shawn Frayne, ein Absolvent der Physik hat beobachtet, wie der Druck des Windes gespannte Bänder und Gurte zum Schwingen bringt. Er erforschte diese aerodynamische Kraft, die Brücken zu Stabilität, aber auch zum Einsturz bringt, wie das Beispiel der Tacoma Bridge in den 1940er-Jahren gezeigt hat. Während Ingenieure an Bauformen arbeiten, die diesen Naturgewalten widerstehen können, geht Shawn einen anderen Weg: er überlegt, wie man mit den Schwingungen gehen kan und entwarf ein System, mit dem die Kraft des Flatterns aufgefangen und ohne Turbine in elektrischen Strom umgewandelt werden kann.
Der mehrfache Erfinders und Besitzers einer weiten Palette von Patenten im Bereich von Verpackungen und Wasseraufbereitung, die gerade dabei sind, kommerziell umgesetzt zu werden, lebt in Hong Kong. Nach einer kühlen Reaktion von amerikanischen Unternehmensfonds ließ sich Shawn in der chinesischen Stadt nieder, wo er mit seinem Team die Einzelheiten zur Stromgewinnung ohne Metalle oder rotierende Bewegungen ausarbeitete. Während die Wissenschaft weitgehend etabliert ist, kommt die Umsetzung in kommerzielle Anwendungen erst nach drei Jahren von Versuch und Irrtum in Gang.
Erster Umsatz
Die Abschaffung der seltenen Metalle in Windturbinen durch die Abschaffung der Turbine selbst ist die Innovation, die zum Durchbruch verhilft. Wenn auch die endgültige Marktdurchdringung noch ein Jahrzehnt dauern könnte, gibt es jetzt schon vielerlei Nischenmärkte, die für das Startup-Unternehmen Humdinger, das in Hong Kong zu Startkapital kam, klare Ziele darstellen. Das Miniatur-Windband ist möglicherweise die erste kommerzielle Anwendung. Dieses kleine Gerät kann Batterien in Sensoren ersetzen. Da ein schwacher Lufthauch von gerade einmal 6 Meilen pro Stunde ausreicht, um einen Sensor anzutreiben, kann ein Windband während seiner Lebensdauer 100 Batterien ersetzen sowie die Zeit, die man für ihren Austausch benötigt.
Der Weltmarkt für Sensoren explodiert; von Feuermeldern, Wetterstationen bis hin zu Temperatur- und pH-Wert-Meßgeräten hängt die moderne Gesellschaft in großem Maße von der unabhängigen ferngesteuerten Messung von Dutzenden von Parametern ab. Die Chance, die batteriebetriebenen Geräte abzuschaffen zusammen mit der Aussicht auf Unabhängigkeit vom Stromnetz schafft neue Geschäftsmöglichkeiten und -modelle, die mit den Rohstoffen funktionieren, die vor Ort verfügbar sind – ein Kernprinzip der Blue Economy.
The Opportunity
Die Abschaffung von Turbinen, Magneten und in Zukunft sogar allen Metallen bei der Stromgewinnung aus Wind durch Flatterbewegungen öffnet ein weites Feld von Möglichkeiten der lokalen Stromerzeugung und -nutzung. Schon jetzt liegen die Kosten pro Kilowattstunde für aus Flattern gewonnenem Strom gleichauf mit allen traditionellen Quellen, daher gibt es eine Unmenge Geschäftsmöglichkeiten. Speziell für buddhistische Regionen könnte ein neues Energiekonzept geschaffen werden.
Vielleicht ist Bhutan das erste Land, in dem diese Form der Energiegewinnung im großen Stil umgesetzt wird. Jedes Kind in dieser Himalayischen Nation wächst als Windforscher auf. Warum? Da Buddhisten bei ihren Gebeten Fahnen im Wind aufstellen, müssen sie wissen, ob und woher der Wind weht. Jeder Fahnenmast könnte mit einem Windband ausgerüstet werden, das zum Flattern gebracht wird, damit beim Beten Strom gewonnen wird. Das Band könnte auch mit Gebetssprüchen beschriftet werden. So könnte „heilige Energie“ gewonnen werden. Mehr Wind – mehr Strom – mehr Gebete.
Eine Million Fahnenmasten mit je 2,5 Watt pro Ende erbrächten zusammen 25 Megawatt Strom für Gemeinden in schlecht erreichbaren Gebirgen. Sogar in Städten mit bestehendem Stromnetz könnte es Mode werden, wenn die Bürger Strom mit Spiritualität und Nachhaltigkeit verbinden wollen.
Bilder: Shawn Frayne, Istockphoto, StockXCHNG
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