18. Sauberes Wasser ohne Abwasserkanäle

Der Markt

Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit nur 14 Prozent allen Abwassers aufbereitet werden, dabei in Lateinamerika und Afrika weniger als 2 Prozent. Wenn man davon ausgeht, dass die weltweite Nachfrage nach Produkten zur Wasseraufbereitung bis 2013 auf 59 Milliarden US-Dollar steigen wird, liegt hier ein beeindruckendes Potenzial von 420 Milliarden Dollar. Im Jahr 2015 werden etwa 16 Prozent der Weltbevölkerung vom privaten Sektor versorgt werden. Die Verstädterung treibt die Nachfrage nach Kläranlagen und -diensten weiter an: Sie steigt um jährlich 10-12 Prozent in Indien und sogar 17 Prozent in China.

Die Weltbevölkerung wird von aktuell 7 Milliarden bis auf etwa 10 Milliarden im Jahr 2035 ansteigen. Die Hälfte aller Erdenbürger wohnt in Städten. Konkret bedeutet dies, dass wir während der nächsten 25 Jahre jeden Tag eine neue Stadt für
300 000 Bewohner bauen müssten. Dies setzt die Trinkwasserversorgung enorm unter Druck und zwingt auch zu massiven Investitionen auf dem Sektor der Wasseraufbereitung. Trotzdem neigen die Regierungen dazu, in die Frischwasserressourcen zu investieren, die fünfmal mehr Subventionen erhalten als die Aufbereitung. Dieses Ungleichgewicht erklärt, warum jährlich 2 Millionen Menschen an vermeidbaren Erkrankungen durch ungeklärte Abwässer sterben.

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Studien der Weltbank zeigten zu ihrer eigenen Überraschung, dass die Fäkalverseuchung schlimmer wird, je reicher die Länder (und je älter ihre Kläranlagen) werden. Die Kläranlagen der meisten Städte verfallen und müssen repariert oder erneuert werden. Etwa 30 Prozent allen Abwassers in Schweden kommt gar nicht erst bei den Aufbereitungsanlagen an und verseucht das Grundwasser mit Viren und Chemikalien. In Deutschland müssen ca. 17 Prozent der Abwasserkanalisation, entsprechend 76000 Kilometern, runderneuert werden.

Kanada hat berechnet, dass in den nächsten Jahren für Abwasser- und Aufbereitungsanlagen zusätzliche 80 Milliarden Dollar an Investitionen nötig sind, allein um den wachsenden Bedarf zu decken, etwa 12 Millionen Bürger an die Abwasserkanalisation anzuschließen und kaputte Installationen zu ersetzen. Kanada benötigt 27000 Kilometer neue Kanalisation zu einem Preis von 300 Dollar pro Meter, um die noch nicht angebundenen Ortschaften zu erreichen. Die Kosten für die Installation von Klär- und Aufbereitungsanlagen in Städten und Stadtrandgebieten liegen bei nur 1000 Dollar pro Bürger in der Dritten Welt und 8000 Dollar in den Industrienationen. Bei den derzeitigen Defiziten der Regierungen ist es unwahrscheinlich, dass die Politiker über ein Budget für die öffentliche Gesundheit verfügen.

Die Innovation

Strenge Gesundheitsvorkehrungen und knappe Ressourcen der Regierungen treiben die Innovationen in Richtung von Investitionen, die niedrige Betriebskosten versprechen. Daher werden zunehmend nicht-chemische Lösungen anvisiert. Diese stellen bereits 60 Prozent aller Investitions- und Betriebskosten in Aufbereitungsanlagen. Hierunter fallen die Desinfektion durch UV-Strahlung, Membranfiltrierung und Ozonisierung. Da jedoch immer mehr Wasser recycelt wird, kommen Chemikalien wieder verstärkt zum Einsatz, denn recyceltes Wasser ist anfälliger für Bakterienverseuchung als Frischwasser. Die billigste chemische Option ist Chlor, doch die Anlagenbauer suchen weiter nach weniger giftigen Alternativen.

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Bertil Eriksson aus Örnsköldsvik (Schweden) hat die Zirkulation von Wasser und Luft in Gebäuden untersucht und ein einfaches Rohrnetz geschaffen, das durch Ventile kontrolliert wird und die Aufbereitung aller Abwässer in Gebäuden ohne Notwendigkeit von Klärtanks gestattet. Dieses umfassende System klärt alle Abwässer aus Küche, Dusche und Toiletten durch eine Kombination aus Lüftung, Wärmerückgewinnung, Wasserreinigung und Entwässerung. Ziel ist die Vermeidung der Verunreinigung bei gleichzeitiger Reduktion der Ausgaben für die Gemeinde und Schutz der Umwelt, insbesondere des Grundwassers. Diese Anlagenkombination ist durch eine Serie von Patenten geschützt, die das Rückgrat der „SplitBox“-Technologie bilden.

Die einfache Anlage für ein Einfamilienhaus kostet etwa 25000 Dollar und bietet, wie alle natürlichen Systeme, mehrere Vorteile. Erstens kommt es mit weniger Rohren, Rohrlegern und Klempnern aus, was Kosten beim Bau spart. Zweitens gewinnt die SplitBox Energie aus Trocknung, warmem Abwasser und Lüftung zurück. Drittens funktionieren die Entwässerungsleitungen im Boden gleichzeitig als Lüftungen, die überschüssige Feuchtigkeit (z.B. im Badezimmer) ableiten. Viertens werden Fäkalien und Papier in einem speziellen Trocknungssystem zusammen mit organischen Küchenabfällen entsorgt. Schließlich werden Nährstoffe, vor allem Kalium aus dem Urin, durch einen kombinierten Ausfällungs- und Absorptionsprozess entzogen und das Abwasser oxidiert, so dass nur reines Wasser übrigbleibt. Die trockenen, bakterien- und virenfreien Rückstände können als Dünger weiterverkauft werden. All dies schafft eine Anlage von einer Größe von 2x1x2 Metern.

Erster Umsatz

Eriksson und sein Team fuhren fort, die Wirtschaftlichkeit dieser integrierten Wasser-, Feuchtigkeits-, Energie- und Gesundheitsanlage in Einfamilienhäusern im Norden Schwedens zu beweisen. Er gründete die Firma SplitVision AB, um seine Erfindung zu kommerzialisieren. Schon bald bekam er Bestellungen für Wohnblöcke, für die er die ursprünglichen Anlagen zu Modulsystemen umbaute, die je nach den Bedürfnissen des Betreibers angepasst werden können. Die größte Anlage arbeitet mit dem gesamten Abwasser von 42 Haushalten.

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Die Chance

Während die Ersparnisse in infrastrukturellen Kosten gleichauf liegen mit den Investitionskosten für die Aufbereitungsanlage, die die Ventile durch ein simples Netzwerk von Sensoren steuert, liegen die wahren Ersparnisse in der Elimination der Klärtanks, der Abwasserkanalisation und der Klärwerke. So werden Kosten nicht nur für den Einzelhaushalt, sondern auch für die Gemeinde gespart und werden Wartung und Chemikalien eingespart. Die Kommunalverwaltungen müssten nicht weitere Kredite aufnehmen, Steuern anheben und eine der unangenehmsten Aufgaben fiele weg: den Müll anderer Leute zu entsorgen. Eine Hochrechnung hat gezeigt, dass in Timphu, der Hauptstadt Bhutans, 140 Millionen Dollar an Investitionen eingespart werden könnten, wenn dort alle Häuser, Wohnungen und Bürogebäude mit dieser Technik ausgestattet würden.

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Menschliche Behausungen sind nicht die einzigen, die mit einem Übermaß an Abfällen zu kämpfen haben. Auf Rinder- und Schweinefarmen gibt es dasselbe Problem, oft sogar in gravierenderem Ausmaß. Das Team von SplitVision AB hat sein Wissen bereits auf die Aufbereitung von Stallmist angewendet und eine einfache SplitBox-Agri entwickelt, die in einen 40-Fuß-Container passt und die großen Außentanks ersetzt, die eine größere Quelle für Luftverschmutzung darstellen. Das System vermindert die Transportkosten um 90 Prozent, verhindert das Risiko von Grundwasserverseuchung und produziert zum einen gutes Sprengwasser und einen Trockendünger, der sich sogar weiterverkaufen lässt. Die SplitBox ist Ausgangspunkt für ein neuartiges Geschäftsmodell, das massive Investitionen sowie unangenehme Arbeitsplätze unnötig macht, während es Kapital freisetzt, das für dringendere Bedürfnisse sowie angenehmere Arbeiten eingesetzt werden kann.

Bilder: StockXCHNG

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