22. Saubere Seife

Der Markt

Der Weltmarkt für Seifen und Reinigungsmittel wird auf 38 Milliarden US-Dollar geschätzt; dies entspricht einer Produktmenge von 35 Millionen. Es handelt sich hier um ein stark konzentriertes Geschäftsfeld, auf dem 50 Firmen 90 Prozent des Marktanteils halten. Obwohl dieser Sektor keine Wachstumsraten im zweistelligen Prozentbereich hervorbringt, expandiert er weiter in Industrie- sowie Entwicklungsländern um stabile 1-3 Prozent pro Jahr. 40 Prozent des Markts entfallen auf Waschmittel, 20 Prozent auf Seifen und 15 Prozent auf Geschirrspülmittel. Die Seifen- und Waschmittelgeschäfte werden auch als die „Geländewagen“ der Konsumartikel bezeichnet: veraltet, verschwenderisch und teuer für den Konsumenten, aber profitabel für die Hersteller.

Seife war traditionell teuer und wurde nur von reichen Menschen benutzt, bis der französische Chemiker Nicolas Leblanc eine billige Methode der Seifenherstellung aus Salz entdeckte. Über Jahrhunderte war Olivenöl, das in Frankreich, Spanien und Italien weit verbreitet war, der Hauptbestandteil. Im 19. Jahrhundert wurde das Olivenöl nach und nach durch Palmöl ersetzt. Als erste produzierten die Deutschen synthetische Reinigungsmittel aus Steinkohleteer ab 1916, und in den 1950er-Jahren wurde die Industrie von Erdölderivaten dominiert. Die Industrie ist kapitalintensiv und der Umsatz pro Arbeiter und Jahr beträgt etwa 700 000 Dollar. Der Trend zur Automatisierung bewirkte, dass in der Seifenindustrie immer weniger Arbeitskräfte benötigt wurden. So konnten im vergangenen Jahrzehnt die US-amerikanischen Hersteller von Seifen und Reinigungsmitteln ihre Umsätze um 18 Prozent erhöhen und gleichzeitig 28 Prozent ihrer Arbeitskräfte einsparen.

Das Marktsegment ist weit verzweigt: ein normaler Supermarkt bietet 40 verschiedene Waschmittel in Flüssig- und Pulverform an. Die Industrie unterliegt einem ständigen Wandel. Obwohl erst zur Jahrtausendwende eingeführt, übertreffen flüssige Waschmittel alle anderen Reinigungsmittel in einem Verhältnis von 4 zu 1. Dies ist bemerkenswert, da Flüssigwaschmittel generell mehr kosten als Pulver und so profitabler bei langsam wachsendem Markt sind.

Die Innovation

Die Industrie ist konstantem Druck aufgrund der Umweltbelastung ausgesetzt. Synthetische Reinigungsmittel zersetzen sich in kalten Klimazonen nicht und führen dazu, dass „nach der Wäsche auch noch die Fische und Frösche gewaschen werden“. Die Rückbesinnung auf Palmöl als erneuerbaren und biologisch abbaubaren Bestandteil erschien zunächst als Schritt in die richtige Richtung. Unglücklicherweise zog ein dramatischer Anstieg der Nachfrage nach Fettsäuren aus Palmöl die Ausweitung von Palmenplantagen in Asien und Lateinamerika nach sich, was wiederum zur Zerstörung von Regenwäldern führte und somit zur Vernichtung des Lebensraums für Orang-Utans.

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Yusuke Saraya, Präsident der gleichnamigen mittelständischen Reinigungsmittelfirma in Japan, bemerkte den entstandenen Schaden und die negativen Reaktionen der Konsumenten. Er richtete daraufhin Schutzkorridore für Wildtiere ein, so auch für den Zwergelefanten in Kalimantan, Indonesien, der auf der Liste der bedrohten Tierarten steht. Während größere Firmen dem nachhaltigen Anbau von Palmpflanzungen zustimmten, bleibt es weiterhin unakzeptabel, dass die Sauberkeit von Flüssen in Japan, USA und Europa auf Kosten des Lebensraums für Tiere in der Dritten Welt geht. Die größte Innovation ist nicht Komfort und bessere Leistung, sondern vielmehr die Suche nach Inhaltsstoffen, die keine unbeabsichtigten Konsequenzen nach sich ziehen und Begleitschäden verursachen.

Während die Marktführer ihre Forschungsteams zur Suche nach weniger giftigen Weißmachern, effizienteren Enzymen, Kaltwaschmitteln oder Substanzen, die mit weniger Wasser auskommen einsetzen, beschloss Vivian Stars aus Louisiana, eine neue Nutzungsform für weggeworfene Orangenschalen aus Orangensaftfabriken zu finden. Der Orangensaftkonsum steigt, die Produktion steigt und die Reste, die ursprünglich als Tierfutter vorgesehen waren, wurden zu Abfall aufgrund der Konservierungsstoffe, die zur Frischhaltung zwischen Ernte und Verarbeitung zugesetzt wurden. Als die brasilianischen Safthersteller ihre Tanker mit Saft beluden, begannen sie bald auch, aus den Schalen Limonen zu gewinnen. Die Extraktion geschieht recht einfach mithilfe von flüssigem CO2, das ebenfalls nachhaltig gewonnen werden konnte, und so entwickelte sich ein neues Geschäftsmodell.

Erster Umsatz

Vivian gründete daraufhin die Firma Naturally Yours Inc. in Louisiana und drang erfolgreich in die etablierten Märkte aufgrund einer neuen Art der Ökobilanz ein. Sie sah von einem Kampf um Preis und Leistung ab, der nur ein hochkonzentriertes Produkt als Antwort auf gestiegene Nachfrage zu bieten hat, um Verpackung zu sparen, die einen hohen Beitrag zur Umweltverschmutzung leistet. Stattdessen argumentierte sie, dass die Nutzung von Rohmaterialien aus weggeworfenen Schalen, die sonst verrotten und Methan produzieren würden, einen höheren „systemischen“ Vorteil bringen. Die Nutzung lokaler Ressourcen und der Wertgewinn für vorher wertlose Materialien sind Kernprinzipien der Blue Economy.

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Die Chance

Während die Marktführer noch danach streben, weltweit den Markt mit Standardprodukten aus zentralisierten Produktionseinheiten zu beliefern, könnten alle Regionen, die Zitrusfrüchte produzieren, lokale Reinigungsmittelindustrien aufzubauen, die die Abfälle der Fruchtverarbeitung nutzen. Die Früchte stehen weltweit unter Konkurrenzdruck, doch die lokale Nutzung hoch konzentrierten Limonens schafft nicht nur Arbeitsplätze vor Ort, sondern entlastet auch die örtlichen Wasserressourcen. Reinigungsmittel auf Limonenbasis dringen langsam in den Markt ein. Brasilianische Investoren haben bereits ein Dutzend Fabriken zur Limonen-Extraktion in der Nähe der Saftherstellerkonzerne aufgebaut. So lange die Größe der Produktionsstätten sich den Möglichkeiten der Verarbeitung anpasst, können kleine Einheiten schnell in Betrieb genommen werden. Sogar große Hersteller in der Nähe der städtischen Räume in Europa oder den USA könnten eigene Rohmaterialien verarbeiten.

Zitrusextrakte sind nicht die einzige Alternative: Unternehmer sollten nach einer Palette von Möglichkeiten suchen. Eine weitere Möglichkeit ist die Umwandlung von Glukose aus Zucker, der weltweit übermäßig produziert wird, da er seit Jahrzehnten zu stark subventioniert wird. Glukose kann ebenfalls als Ausgangsmaterial für Seifen und Reinigungsmitteln dienen. Jedes Land, das vom Preisverfall des Zuckers betroffen ist, kann ihn entweder wie bekannt zu Alkohol weiterverarbeiten oder aber daraus APGs (Alkylpolyglycoside) herstellen, eine vollständig biologisch abbaubare Chemikalie, die sogar in Medikamenten Verwendung findet und daher ohne Bedenken für den Hausgebrauch empfohlen werden kann. In Zeiten erhöhter Erwerbslosigkeit sollte die Chance, die Industrie auf der Basis von sofort verfügbaren Rohstoffen neu zu überdenken, Unternehmer auf der ganzen Welt inspirieren.

Bilder: StockXCHNG

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