25. Treibmittel ohne Gas
Der Markt
1987 erreichte der Verkaufswert von Industrie- und Konsumgütern sowie Dienstleistungen, bei denen Fluor-Chlorkohlenwasserstoffe (FCKW) eingesetzt wurden, weltweit einen Gesamtumsatz von 135 Milliarden Dollar. FCKW sind ungiftig, unbrennbar und greifen keine Metalle an. Daher schienen sie eine sichere Gruppe von Chemikalien aus Chlor, Fluor, Kohlenstoff und teilweise auch Brom darzustellen. Die chemische Stabilität der FCKWs, die zunächst vorteilhaft erschien, hatte eine unerwünschte Nebenwirkung. Die freien Chloratome zersetzen die Ozonschicht der Stratosphäre. Aus diesem Grunde vermeidet man seit Jahrzehnten FCKWs in Aerosolen, Suspensionen aus feinen festen oder flüssigen Teilen, die unter Druck verpackt und mit einem Treibgas als Spray wieder freigesetzt werden. Mit Ausnahme weniger medizinischer Anwendungen hat die Industrie sich auf einen Verzicht auf FCKW geeinigt.
Dies öffnete den Markt für Innovationen, und eine Palette von Ersatztreibgasen von Kohlenwasserstoffen (Propan, Butan), Hydrofluorkarbonat (HFC), Dimethylether (DME) und Druckgasen (Kohlenstoff, Luft, Stickstoff sowie Stickoxid) kamen auf den Markt. Letztes Jahr wurden schätzungsweise 15 Milliarden Treibgasbehälter weltweit verkauft, wobei Europa den Markt mit über 5 Milliarden Einheiten anführt. Spraydosen aus Stahl machten 3,6 Milliarden Einheiten aus. Wenn alle leeren Spraydosen recycelt würden, könnte man aus dem Stahl über 160.000 Autos herstellen.
Treibgase stellen eine Technologieplattform dar, die eine Vielzahl von Produkten einschließt: Asthma-Inhalatoren, Reinigungsmittel, Insektenabwehr, Deodorants, Lebensmittel, Desinfektionsmittel, Farben, Feuerlöscher, Rasierschaum, Automobil- und Luftfahrttechnik sowie Produkte zur Wartung von Mikroelektronik. Die meisten Treibgase werden in Körperpflegeartikeln konsumiert, allen voran Haarspray und Schaum. Doch auch in Lebensmitteln besonders Schlagsahne, steigt der Konsum. Der Einsatz von Treibgasen in Farben und Lacken nimmt hingegen ab. Der Gesamtumsatz im Großhandel von Aerosolen erreicht in den Vereinigten Staaten etwa 15 Milliarden Dollar und weltweit fast 40 Milliarden.
Die Innovation
Die Suche nach ungiftigen, grünen Treibgasen geht weiter. Die letzten Innovationen schließen die Mischung von Silikonöl mit Propangas ein, doch bei Anwendungen und Mischungen mit Kohlenwasserstoffen liegt eine neue Herausforderung: die Entflammbarkeit. Die beste Lösung scheint der Einsatz von Druckluft zu sein. Die Bandbreite der Anwendungen für Druckluft reduziert sich jedoch auf Konsumprodukte. Die größere Herausforderung liegt im Ersatz von FCKWs für medizinische Anwendungen, da bisher keine Alternative den Anforderungen gerecht wurde. Da jedoch die Lebensmittelaufsichtsbehörde der USA FCKW-haltige Inhalatoren für die Behandlung von Asthma und Lungenkrankheiten vom Markt zurückrufen ließ, müssen auch hier radikale Innovationen gefunden werden.
Dr. Andy McIntosh, Professor für Thermodynamik und Verbrennungstheorie an der University of Leeds (UK), hat den Sprühmechanismus des Bombardierkäfers untersucht. Obwohl selbst nur 2 cm lang, verteidigt sich der Käfer gegen Ameisen und Spinnen mit Hilfe einer Mischung aus Dampf und Giftstoffen, die er über eine Distanz von bis zu 20 cm spucken kann. Prof. McIntosh zog seine Inspiration aus einem Zeitlupenfilm des Entomologen Prof. Tom Eisner der Cornell University, in dem gezeigt wurde, wie der Käfer die Flüssigkeit durch eine schnelle Serie von Schüben ausstößt, mit wachsendem Druck und gefolgt durch einen Ausstoß, durch den der Druck abfällt, wodurch wiederum mehr Flüssigkeit aufgrund des Unterdrucks einströmen kann und der Druck wieder aufgebaut wird. Dies schafft der Käfer 500 Mal pro Sekunde; kein Ingenieur hat bisher gleiche Resultate liefern können.
Doch die Physiologie des Insekts hat ein Forscherteam inspiriert, Hitze und Flashverdampfung zu kombinieren, um Flüssigkeiten aus einem kleinen Behälter bis zu 4 Meter weit zu verspritzen. Die Innovation bedeutet einen fundamentalen Neuansatz für Marktlösungen: Treibgase werden durch „keine Gase“ ersetzt. Dies ist eine besondere Gruppe von Innovationen der Blue Economy: „Ersetze etwas durch nichts“; eine Methode, um unser Produktions- und Konsumverhalten hin zu mehr Nachhaltigkeit zu entwickeln.
Erster Umsatz
Der Ersatz eines Gases (einer Chemikalie) durch eine Erhitzungs- und Evaporationstechnik (Physik) bietet einzigartige Vorteile für den Hersteller eines Systems, das vergleichbar ist mit einem Druckkochtopf mit Ventilen. Die Forschungsergebnisse und der Prototyp resultierten in einer neuen Verneblungstechnik, die bereits patentiert wurde und unter dem Markennamen µMist (TM) gerade auf den Markt gebracht wird.
Diese Innovation hat das Potential dazu, die nächste Generation von Dampfträgersystemen zu werden mit Anwendungen in Verneblern, Feuerlöschern, Treibstoffeinspritzung in Verbrennungs-motoren, nadelfreien Injektionen für Impfungen und Inhalatoren für Asthmapatienten. Dies ist eine Technologieplattform, die alle bisher von FCKWs abhängigen Industrien durchdringen könnte. Jedoch könnte die erste Vermarktung dieser Technologie gut auf dem medizinischen Gebiet sein. Die feine Verneblung der Medikamente in den Lungen des Patienten mit Atemwegserkrankungen ohne Einsatz von Chemikalien ist ein überzeugender Vorteil.
Die Chance
Lars-Uno Larsson, ein schwedischer Unternehmer mit langjähriger Erfahrung in der Vermarktung von Innovationen, erwarb die weltweiten Vermarktungsrechte für die neue Verneblungstechnologie von der University of Leeds. Sein Anlageinstrument Biomimetics 3000 widmet sich naturinspirierten Innovationen und unterstützt finanziell, technisch, rechtlich und beratend Innovationen in einem frühen Stadium durch schnelle Umsetzung einer Erfindung in eine kommerzielle Technologie und Kombination mehrerer Disziplinen sowie den Kontakt zu den richtigen Industriepartnern. So wird die Markteinführung der Produkte beschleunigt.
Während der Ersatz von FCKWs bereits viele Köpfe angestrengt hat, hat niemand wirklich eine Technologie-Option gewagt, die eine so breite Vielfalt von Chancen und somit eine riesige Plattform für Unternehmer bildet. Die Tatsache, dass der über 100 Milliarden Dollar schwere Treibgasindustrie eine grundsätzliche Änderung ihrer Kernkompetenzen bevorsteht, impliziert, dass viele der Firmen auf diesem Sektor Gefahr laufen, ihren Marktanteil zu verlieren an hoch engagierte Unternehmen, die diese physikalischen Lösungen aufgreifen. Auch für Unternehmen der Lizenzierung dieser Technologie und Entwicklung kreativer Umsetzungen dieser bahnbrechenden Technologie bieten sich enorme Chancen auf mehr als 50 Wirtschaftssektoren.
Bilder: Patrick Coin/Wikipedia, StockXCHNG
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