26. Treibhäuser ohne Heizung und Bewässerung
Der Markt
Der Treibhausanbau ist im letzten Jahrzehnt um ein Vier- bis Fünffaches angestiegen und hat sich dadurch von einer marginalen Anbauaktivität hin zu einem weltweiten 100-Milliarden-Dollar-Geschäft entwickelt. Die durch Treibhäuser mit Plastik- oder Glasdächern bedeckte Landfläche erreicht 630 000 Hektar, davon allein in Asien 443 000 Hektar. Im Mittelmeergebiet existieren 100 000 Hektar Treibhausfläche; hier führt Spanien mit schätzungsweise 55 000 Hektar. Allein in der Region rund um Almería und Murcia liegen 200 Quadratkilometer. Die Niederlande wiederum weisen den höchsten Prozentsatz an Treibhausfläche auf: 0,25% der gesamten Landfläche sind Treibhäuser.
In den Niederlanden sind um die 9000 Treibhausunternehmen tätig, die auf über 10 000 Hektar etwa 150 000 Arbeiter beschäftigen und Obst, Gemüse, Pflanzen und Zierblumen im Wert von rund 4,5 Milliarden Euro produzieren, von denen 80 Prozent exportiert werden. Die Türkei befindet sich in einer rasanten Entwicklung hin zu einem der Welt-Marktführer für Treibhaustomaten, mit einer Produktion von über 6 Millionen Tonnen. In den letzten Jahren ist China zum größten Betreiber von Treibhäusern geworden. Auf Anbaugebieten ohne Mutterboden wird Steinkohlenasche, Torf, Wurmstein, Kokosfaser, Sägemehl, Reisspreu mit organischem Dünger und sogar mit Mineralien versetzter Schweinemist eingesetzt. Diese chinesischen Techniken, die bereits in Marco Polos Reisebericht beschrieben wurden, sind kostengünstig und angepasst an die lokalen Bedingungen, wodurch sich die Konkurrenzfähigkeit der Produktion erklärt.
Die Innovation
Die Wasserknappheit und hohen Wasserkosten zwingen die Betreiber zum Einsatz einer großen Menge an Pestiziden. Dies hat zur Folge, dass die Bauweise für Treibhäuser seit Beginn des dritten Jahrtausends sich hin zu einem komplett geschlossenen System entwickelt – ebenso wie die Gebäudeleittechnik – und dem Anbauer die volle Kontrolle über Energie, Feuchtigkeit und Produktivität bei Reduzierung der Abhängigkeit von Chemikalien ermöglicht. Gleichzeitig entwickelte sich der Anbau hin zur Hydrokultur in künstlichen Substraten aus Sand, Perlit, Steinwolle und Vulkanasche. Letztere Option wurde bereits in den schwimmenden Gärten der Azteken eingesetzt. Earthstone Inc. (USA) bieten inzwischen recyceltes Glas an, das mit CO2 versetzt und in Glasschaum umgewandelt wird.
Charlie Paton, ein britischer Designer ohne Erfahrung in der Landwirtschaft, beobachtete bei seinen häufigen Reisen nach Marokko einen kargen Boden mit dem Atlantik auf einer Seite und einer großen Wüste auf der anderen. Er verkaufte seine Beleuchtungsfirma und verschrieb sein Leben der Entwicklung und Implementierung einer simplen und kosteneffektiven Methode zum Anbau von Nahrungsmitteln in der Wüste durch Einsatz des reichlich vorhandenen Salzwassers. Das Meerwasser verdunstet, um innerhalb der Gewächshäuser ein kühles und feuchtes Klima zu schaffen. Ein Teil des verdunsteten Meerwassers kondensiert wiederum als Frischwasser zur Bewässerung der Pflanzen. Die trockene Wüstenluft, die ins Treibhaus eindringt, wird gekühlt und durch Meerwasser befeuchtet, das über den ersten Verdunster rieselt. Beim Verlassen des Anzuchtbereichs passiert die Luft den zweiten Verdunster, über den Meerwasser fließt. Dieses Wasser wurde in einem Rohrnetz durch die Sonne erhitzt, das die Luft heiß und feucht macht. Sobald die heiße und feuchte Luft auf die kalte Oberfläche trifft, kondensiert frisches Wasser.
Das kühle und feuchte Klima im Treibhaus ermöglicht den Pflanzen, mit wenig Wasser zu wachsen. Wenn die Pflanzen nicht durch starke Verdunstung gestresst werden, steigen Ernte und Qualität. Die Betriebskosten liegen bei einem Bruchteil der materiellen, finanziellen und ökologischen Kosten, die für herkömmliche Treibhäuser nötig sind. Hier bietet sich eine Einkommensquelle in Küstengebieten auf der ganzen Welt, die derzeit von Umkehrosmose abhängig sind, um Trinkwasser für den Eigengebrauch oder die Landwirtschaft zur Verfügung zu haben. Das System funktioniert auch gut in Kombination mit energieerzeugender Infrastruktur, insbesondere dort, wo Wärmeableitung nötig ist, wie im Fall von konzentrierten Solaranlagen. Dort wird die Abwärme für die Frischwassergewinnung genutzt. Diese Innovation verbraucht kein Frischwasser, stattdessen produziert sie Trinkwasser. Ein schönes Beispiel für das Prinzip der Blue Economy: Nutze, was Du hast; entwickle etwas aus der Knappheit hin zum Überfluss.
Erster Umsatz
Charlie gründete daraufhin die Seawater Greenhouse Co. Ltd. Und investierte privat über 15 Jahre hinweg in drei Pilotprojekte, um die Funktion des Konzepts zu beweisen: 1992 in Teneriffa, (Kanarische Inseln); 2000 auf der Insel Al-Aryam, in Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate), und 2004 in Zusammenarbeit mit der Sultan Qaboos University nahe Muskat (Oman). Er nutzte lediglich die Winde vom Meer, Ventilatoren und herkömmliche Verdunster, um Meerwasser in Frischwasser umzuwandeln und dabei eine feuchte Umgebung zu schaffen, in der fast jede Pflanze wachsen kann.
Ende 2009 erhielt Seawater Greenhouse eine Neukapitalisierung durch private Investoren und unterschrieb ein erstes kommerzielles Projekt in South Augusta, Australien.
Die Chance
Das Potential des Landbaus mit einfachen Mitteln wie Nährstoffen, Sonne und Meerwasser ist enorm. Inzwischen ist die Durchführbarkeit des Anbaus von Salat, Tomaten, einer Vielzahl von Früchten, Gemüse, Kräutern und Zierblumen und sogar die Produktion von hochwertigem Salz in der Wüste bewiesen. Dieses lukrative Geschäftsmodell schafft mehrere Einkommensquellen durch einen simplen Prozess, der den Wasserkreislauf nachahmt, in dem Meerwasser durch die Sonne erhitzt wird, zu Wolken kondensiert und als Regen, Nebel oder Tau auf die Erde zurückkehrt. Dies stellt eine riesige Plattform für Unternehmer auf der ganzen Welt dar.
Hier besteht die Möglichkeit, dies in allen Teilen der Welt zum Haupt-Produktionssystem zu erheben, da die Wasserkreisläufe ohne Beschränkung in allen Klimazonen nachgeahmt werden können. Anstelle des bloßen Einsatzes von Salzwasser können geringe Modifikationen derselben Technologie den Gebrauch von verunreinigtem Wasser ermöglichen, da die Reinigung im Verdunstungs- und Kondensationskreislauf durch Temperatur- und Feuchtigkeitsunterschiede gesichert wäre. Wenn man dies mit der Wirbeltechnologie von Curt Hallberg und seinem Team von Watreco (Schweden) kombiniert (siehe Beispiel 1 dieser Reihe), wird verständlich, wie die voraussagbaren Gesetze der Physik unsere Gesellschaft aus dem Hunger heraus in den Überfluss führen kann, indem nutzloses Land genutzt und soziale und ökologische Entwicklung rentabel wird.
Bilder: StockXCHNG
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