29. Wind-Export

Der Markt

Heutzutage liefert der Wind 1,6% der Elektrizität auf der Welt mit einer Gesamtkapazität von etwa 160 000 Megawatt (MW). Trotz der Wirtschaftskrise wird erwartet, dass die Nachfrage im nächsten Jahrzehnt weiter im zweistelligen Bereich zunimmt (12-13 Prozent). Für 2020 könnten bereits 10 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs durch Windkraft gedeckt werden, dies entspricht 1000 Gigawatt (GW). Die Dänische Consultinggruppe BTM sagt voraus, das bis 2030 sogar 2500 GW (17 Prozent) des globalen Energieverbrauchs erreicht werden könnten. Dies würde die Emission von 5 Milliarden Tonnen Kohlendioxid vermeiden, entsprechend 28,2 Prozent der weltweiten Emissionen aller Kraftwerke.

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China hat sich als größter Investor etabliert und 2009 13,6 GW neu installiert, ein historischer Höchstwert für ein Jahr und ein Land. Die drei chinesischen Lieferanten Sinovel, Goldwind und Dongfang liegen nur noch knapp hinter Vestas (Dänemark) und General Electric (USA) und sind bereits unter den zehn größten Lieferanten der Welt. Durch gigantische Verbesserungen der Ausbeute pro Turbine um ein Hundertfaches über die letzten 30 Jahre haben Investoren verstärktes Interesse und geben Startgelder zum Ausbau der Industrie. Das Marktpotential spiegelt sich auch im Marktwert der Windparks, für den ein Wachstum von 75 Milliarden Dollar 2010 bis zu 124 Milliarden Dollar 2014 erwartet wird.

Wie alle Generatorsysteme werden Windräder nicht rund um die Uhr betrieben und nicht immer bläst der Wind vorteilhaft. An windigen Tagen jedoch produziert Dänemark seine gesamte Energie durch die 5000 Turbinen des Landes und nutzt dabei lediglich 20 Prozent seiner Windressourcen. Die Medien setzen die großen Turbinen mit beeindruckenden Bildern in Szene, und es entwickelt sich ein reges Unternehmertum. Während vor nur zehn Jahren noch höchstens 50 Firmen Turbinen für kleine Systeme herstellten (mit einer Kapazität von unter 100 Kilowatt), gibt es heute über 250 Hersteller in 26 Ländern, der größte Teil von Ihnen (34 Prozent) ist in den USA ansässig. Etwa 20 Hersteller kleiner Turbinen zogen im letzten Jahr über 250 Millionen Dollar an privaten Kapitalinvestitionen an.

The Innovation

Die Installation von Windkraft ist immer noch teurer als Netzstrom, der beispielsweise aus Kohle gewonnen wird. Während jedoch großzügige Subventionen wie Kohlekredite und Einspeisungstarife die zusätzlichen Investitionskosten abfedern, können die reinen Verkäufe von Elektrizität im Wettbewerb um den Preis pro Kilowattstunde keinen soliden Vorteil bieten. Es muss noch ein weiterer Mehrwert in diesem Prozess gefunden werden, um die durch die Kosten verursachte Blockade zu durchbrechen.

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Als Håkan Ahlsten, der Direktor der Landshypotek, der Bank der Landwirte auf der schwedischen Insel Gotland im Baltischen Meer, einen Investmentvorschlag zur zusätzlichen Energiegewinnung von einem seiner Kunden erhielt, erforschte er die Möglichkeit, mit einer 1-Megawatt-Turbine alle benötigte Energie zu produzieren. Wind gibt es auf der Insel reichlich. Zunächst schloss er, dass die Kosten nicht wettbewerbsfähig wären. Als Banker analysierte er indes den Cashflow seines Kunden und schloss daraus, wenn er den „Wind“ jenseits des Meeres verkaufen könnte, könnte dies nicht nur machbar sein, sondern sich auch so weit amortisieren, dass die Anleihe des Investments in Windkraft besser finanzierbar war als jede andere Möglichkeit, die er je untersucht hatte.

Sein Kunde Ryftes sammelt alle Karotten auf der Insel und lagert die gesamte Ernte das ganze Jahr über in einem Lagerhaus bei null Grad, dabei werden die Karotten in sieben Kategorien zum Verkauf und Vertrieb sortiert. Die geraden Karotten verschiedener Größe werden verpackt und verkauft, die krummen Karotten geraspelt und in Möhrenkuchen verarbeitet. Diese werden sofort nach dem Backen eingefroren und auf dem Festland als „ofenfrisch“ verkauft, was eigentlich nur bedeutet, dass die Kuchen frisch aufgetaut wurden. Der gesamte Prozess von der Ernte bis zum Auftauen beim Endkunden wird durch erneuerbare Windenergie von der Insel Gotland betrieben.

Erster Umsatz

Die Vermarktungsstrategie begann gut und die Verkäufe schnellten bis auf ganze Container-ladungen nach Singapur und Hongkong empor. Ganz offensichtlich war es ein zusätzlicher Wettbewerbsvorteil, dass diese Kuchen ihren gesamten Energieverbrauch durch Wind deckten. Zwar gibt es viele Kuchen auf dem Markt, doch diese komplett durch Windkraft hergestellten Kuchen stellen für den Kunden ein einmaliges Verkaufsargument dar. Möhrenkuchen aus Kohle- oder Atomkraft haben einfach nicht denselben Reiz.

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Die Möhrenkuchen verkaufen sich gut und die Marge verbessert sich. Eine höhere Marge bei den Kuchen ermöglicht bessere Beiträge für die Investition in die Elektrogeneratoren im Besitz der selben Firma, die nun schneller abbezahlt werden kann. Obwohl Windkraft teurer in der Herstellung ist, zeigen Håkan und sein Team, dass ein größerer Umsatz möglich ist. Für einen Banker ist wiederum besserer Cashflow und Profitmarge wichtiger als einfache Kostensenkung und Suche nach niedrigeren Preisen. Im Moment wird der minimal höhere Preis gedeckt durch um ein Vielfaches bessere Margen. Dies ist ein überschaubares Beispiel der Blue Economy: Erzeuge mehr Einkommen mit dem, was du hast.

Die Chance

Die Debatte um die Kosten der erneuerbaren Energie beschränkt sich auf die Berechnung der Produktionskosten. Jedoch verlieren die Ingenieure hierbei aus den Augen, dass wir für einen Markt produzieren, der sich durch Überproduktion und Auswahl durch den Kunden charakterisiert. Die Chance, ein so einfaches Produkt wie Kuchen mit einer nicht greifbaren Komponente (Wind) anzubieten, bildet hier das einmalige Verkaufsargument. Das einzige, was Wettbewerber als Antwort bieten können, ist, dasselbe zu tun. Dies ist vielleicht der beste Anreiz, um mehr Investoren für erneuerbare Energien zu gewinnen und liegt jenseits von staatlichen Subventionen, die notwendig waren, um den Prozess zum Laufen zu bringen, aber in Zukunft aufgrund klammer Staatskassen nur begrenzt zur Verfügung stehen.

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Der erfolgreiche Export von „Wind“ von der Insel Gotland durch die Produktion von Möhrenkuchen hat Arbeitsplätze geschaffen (einschließlich 26 bei der Bäckerei), den Karottenanbau auf einer abgelegenen Insel wettbewerbsfähig gemacht und gezeigt, dass Investitionen in erneuerbare Energien finanziell lohnender sind, wenn wir die gesamte Kette der Wertschöpfung analysieren und weiter gehen als nur bis zur einfachen Kostenpreiskalkulation. Dies ist die Logik hinter der Blue Economy.

Bilder: StockXCHNG
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