35. Unkrautbekämpfung ohne Chemikalien

Der Markt

Der Weltmarkt für Pestizide, Fungizide und Unkrautvernichter schwankt seit zehn Jahren um die 40 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Zwar stiegen die Umsätze für Unkrautvernichter um 10 Prozent pro Jahr, doch der Verkauf von Pestiziden sank um 15 Prozent. Auf der nördlichen Halbkugel (USA, Europa und Japan) werden zu etwa 80 Prozent Herbizide eingesetzt, während in der Dritten Welt unter eher tropischen Bedingungen die Verkäufe für Pestizide und Herbizide gleichauf liegen. Mit 31,7 Prozent ist der europäische Markt der weltgrößte mit 12,8 Milliarden an Verkäufen, gefolgt von Asien, das inzwischen Nordamerika übertrifft. Unkrautvernichter stellen den größten Anteil mit fast 19 Milliarden Dollar in Verkäufen. Entgegen aller Erwartungen sind die USA ein relativ kleiner Konsument. Dies kann jedoch die Folge einer weiten Verbreitung genmanipulierten Saatguts sein.

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Es gibt schätzungsweise 500 verschiedene chemische Substanzen, die in etwa 2700 Produkten jeweils neu zusammengesetzt werden. Frankreich ist der größte Verbraucher von Pflanzenschutzmitteln in Europa und steht an dritter Stelle nach den USA und Japan. Die einzelne Marke Roundup, die von Monsanto produziert wird, steht weltweit mit Abstand an erster Stelle. Die meisten genetisch veränderten Produkte sind im Zusammenhang mit einem spezifischen Herbizid entwickelt worden. Seit genmanipulierte Sojapflanzen in den USA eingeführt wurden, sind die Verkäufe von Roundup um 72 Prozent auf fast drei Milliarden Dollar für 2010 gestiegen und schaffen etwa 300 Millionen Dollar Gesamtprofit.

Die Innovation

Die Kosten für Forschung und Entwicklung sind gestiegen und steigen erwartungsgemäß weiter, da die Erfordernisse für sicherere landwirtschaftliche Chemikalien strenger werden. Die Biotechnologie wurde ebenfalls beeinflusst durch die chemischen Lösungen, die seit den frühen 1950er-Jahren gebräuchlich waren. Die Gentechnologie versucht unter anderem, Pflanzen resistent gegen Herbizide zu machen. Diese Strategie ermöglicht Firmen die Kontrolle über den Markt für spezielles Saatgut wie z.B. Monsanto’s gemeinsamer Vertrieb von Roundup als Herbizid und Roundup-resistenten Sojabohnen, wodurch der Konzern sowohl mit Chemikalien als auch mit Saatgut Gewinne einfährt. American Cyanamid verfolgte dieselbe Strategie mit der Entwicklung von chemieresistenten Arten von Weizen, dem weltweit größten landwirtschaftlichen Erzeugnis. Nur wenige Forscher wenden sich Innovationen auf Grundlage der Allelopathie zu, der Untersuchung natürlicher Herbizide z.B. aus Walnussbäumen.

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Jonas Carlsson, der geschäftsführende Direktor der JCS Europe AB, einer schwedischen Firma für Innovationen für landwirtschaftliche Maschinen, widmete sich über ein Jahrzehnt lang dem biologischen Anbau. Als Bio-Landwirt setzte er keine Herbizide ein und führte jedes Frühjahr einen erbitterten und mühsamen Kampf gegen Disteln. Jonas untersuchte die physikalischen Unterschiede zwischen seinen Pflanzen und dem Unkraut und forschte nach einer chemie- und gentechnikfreien Lösung des Problems. Er dachte sich Sensor-Klingen aus, die Unkraut in verschiedenen Anpflanzungen heraustasten können. Im Gegensatz zu Mähmaschinen, die alle Vegetation abschneiden würden, entwickelte er starre Klingen, die den Grund nach Unkraut absuchen und dabei die physiologischen Unterschiede zwischen unerwünschten Pflanzen und dem sprießenden Saatgut ausnutzen.

Jonas erschien es seltsam, dass niemand vorher auf die Idee gekommen war, die Form und Beschaffenheit des Unkrauts zu nutzen. Er dachte sich ein Schnittsystem aus, das die Disteln abschneidet, sobald ihre Blätter den Boden bedeckten. Über drei Jahre testete er seine Ideen in Kooperation mit JTI (dem schwedischen Institut für landwirtschaftliches und Umwelt-Ingenieurwesen), baute einen Prototypen und erlangte ein Patent für 32 Länder. Die SLU (schwedische Universität für Landwirtschaft) in Uppsala testete die von einem Traktor gezogene Maschine mit beachtenswertem Erfolg. Eins der Kernprinzipien der Blue Economy liegt in der Nutzung von Innovationen, die vor allem auf den Regeln der Physik beruhen. Der übliche Gebrauch von Chemikalien und Genmodifikationen auf Basis der Biotechnologie wird übertroffen durch die Identifikation von Form und Beschaffenheit des Unkrauts, die eine sehr effiziente Unkrautbekämpfung ermöglicht. So wird biologischer Anbau produktiver.

Erster Umsatz

Später hat Jonas seinen Unkrautmäher in mehreren Anwendungen getestet. Sein oberstes Ziel war dabei selbstredend, den Kampf gegen die Disteln zu gewinnen. Die Maschine wird zwischen der sprießenden Saat auf den Boden gesenkt und sucht dort nach Unkraut. Die Fahrgeschwindigkeit kann bis auf 10 km/h beschleunigt werden und die Arbeitshöhe auf den Untergrund abgestimmt werden. Die Klinge ist einfach und hat keine beweglichen Teile. Das einzige rotierende Bauteil ist eine Bürste, die Verklumpungen verhindert. Sie wird durch einen Hydraulikmotor angetrieben. Die Technologie ist rein mechanisch und daher sehr verlässlich. Im Frühjahr 2010 wurden die ersten Geräte verkauft. Man beschränkte sich auf einen schwedischen Kundenkreis, um den Produktivitätsanstieg zu messen. Über die reine Vermeidung von Chemikalien hat sich gezeigt, dass der Unkrautmäher Arbeit und Energie beim Pflügen einspart.

Die Chance

Zum ersten Mal wird Landwirten eine Alternative zu chemischen Pflanzenschutzmitteln und Gentechnik geboten. Der kombinierte Verkauf von Chemikalien und Gentechnik lässt viele Zweifel bezüglich der langfristigen Folgen dieser Veränderung der Ökosysteme aufkommen. Mittlerweile jedoch ist sicher, dass das Risiko einer Parkinson-Erkrankung steigt, wenn Landarbeiter in Kontakt mit Pflanzenschutzmitteln (Paraquat) kommen, und dass ein Zusatzstoff in Roundup (Adjuvant) Zellen in vitro zerstört. Daher sind die Behörden sehr viel vorsichtiger bei der Genehmigung dieser Mittel geworden. Die Tage, in denen von aufgesprühten Herbiziden behauptet wurde, sie seien sicherer als Tafelsalz und praktisch ungiftig für Tiere, sind definitiv vorbei. Sowohl Monsanto als auch Dow AgroSciences sahen sich gezwungen, ihre Behauptungen zurückzuziehen, nachdem Tests das Gegenteil bewiesen hatten.

Hier entsteht eine große neue Plattform für den Verkauf von landwirtschaftlichem Gerät als Alternative zum umkämpften Markt für Chemikalien, die von der Öffentlichkeit abgelehnt werden. Ein großer Vorteil von Jonas Carlsson entwickelten mechanischen Ansatz ist, dass anstelle eines aggressiven Produkts gegen alles Unkraut mit der Zeit eine ganze Serie Schneidegeräte gegen spezielle Schadpflanzen entwickelt werden muss. Während die chemischen und biotechnologischen Lösungen von wenigen multinationalen Konzerne dominiert werden, motivieren die mechanischen Lösungen neue Unternehmen.

Eine zweite erfolgreiche Strategie ist die Anpassung an den lokalen Markt und Präsentation von Lösungen gegen die jeweils zu bekämpfenden Unkrautpflanzen. Da Jonas die Kosten senkt, den CO2-Fußabdruck reduziert und gleichzeitig die Produktivität der Arbeit steigert, können wir gespannt sein, wie wohl die nächste Generation von Arbeitsplätzen aussieht? Es scheint, dass dieser einfache Durchbruch dazu führt, dass weitere Jobs in der chemischen Industrie verloren gehen, die bereits jetzt Entlassungen ankündigen, um sich den neuen Bedingungen anzupassen. Die ortsangepassten Maschinen, die an jeden Traktor angehängt werden können, könnten sehr gut eine neue wettbewerbsfähige Nische für lokale Unternehmer werden. Zwar werden nur wenige Arbeitsplätze neu geschaffen, in jedem Fall jedoch eine gesündere Umwelt.

Bilder: StockXCHNG

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