37. Isolierfarbe

Der Markt

Der Weltmarkt für Isoliermaterialien erreichte 2009 knapp 37 Milliarden Dollar. Erwartungsgemäß steigt die Nachfrage jährlich um 4,6 Prozent bis 2014. Der chinesische Markt wächst am schnellsten unter allen Nationen mit einer jährlichen Rate von 8,2 Prozent und erreicht 2010 24 Milliarden Yuan (3,6 Milliarden US-Dollar). Der US-amerikanische Markt wächst im selben Jahr um gesunde 7,4 Prozent auf 7,1 Milliarden Dollar. Der europäische Markt, der in den letzten Jahrzehnten aufgrund staatlicher Steuerprogramme bereits viel in Dämmungen investiert hat, wächst hingegen vergleichsweise langsam.

Die zwei marktführenden Produkte, Schaumstoffe und Glasfaser, stellen 75 Prozent des weltweiten Verkaufsvolumens. Das Neuprodukt mit dem stärksten Zuwachs hingegen ist Zellulose-basierte Dämmung. Zahlreiche Startup-Unternehmen wie Termoträ in Schweden haben in den letzten zwei Jahrzehnten begonnen, Abfälle aus der Zellulose- und Papierindustrie zu recyceln und die kurzen Fasern, die nicht die erforderliche Mindestlänge zur Papierherstellung haben, in natürliche und trockene, dabei einfach zu verarbeitende Dämmung umzuwandeln. Während die Produktions- und Materialkosten der Dämmung ein Schlüsselfaktor für ihre Position im Wettbewerb ist, wird der endgültige Preis durch die Einbaukosten bestimmt. Daher investiert die Industrie in Senkungen des Arbeitsaufwandes und tendiert zunehmend zu vorgefertigter Dämmung.

Der Dämmwert von Materialien schwankt stark. Die Wärmedämmung wird als R-Wert gemessen, indem die Stärke des Materials durch seine Leitfähigkeit geteilt wird. Die effektivste Isolierung, die derzeit auf dem Markt ist, bietet die von Glacier Bay produzierte Dämmung Ultra R, die mit einem Wert von R-50 zehnmal besser isoliert als Polyurethanschaum. Sie wird aus Aerogel hergestellt, einem Gel, bei dem die Flüssigkeit durch ein Gas ersetzt wurde. Die Performance ist so gut dokumentiert und überzeugend, dass die Hersteller eine volle Garantie über 25 Jahre anbieten.

Die Innovation

Die Suche nach neuen, gesunden und nachhaltigen Dämmmaterialien hat in der letzten Zeit viele Innovationen auf den Markt gebracht. Da Glasfaser schimmelanfällig ist und Sprühschaum jahrelang Chemikalien ausdünstet, ging die Nachfrage nach neuen Materialien sogar bis dahin, recycelte Denim-Jeans als Dämmung zu verkaufen. Baumwollmatten aus alten Jeans können ebenso gut wie Glaswolle isolieren. Die in Dämmmaterialien enthaltenen Brandschutzmittel sind kritische Zusatzstoffe (siehe Beispiel 16); die Industrie steuert daher mehr in Richtung von mehr Gesundheit und Nachhaltigkeit. Die größte Herausforderung für Dämmstoffe aller Art bleibt jedoch ihr hohes Volumen. Die Materialien benötigen viel Raum und sind daher nicht grenzenlos anwendbar.

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Tatsujiro Ishiko, Präsident der Nissin Sangyo Corporation, hat die Entwicklung hocheffizienter Dämmstoffe auf Siliziumbasis (Keramik) beobachtet, die durch die japanische Raumfahrtagentur (JAXA), dem Äquivalent zur amerikanischen NASA, entwickelt werden. Die Forscher haben verschieden geformte winzige Siliziumkugeln (80%) mit einer normalen Malfarbe vermischt. Diese schwimmen dann an der Oberfläche und schaffen eine Innovation „aus dem Weltraum“ zu wettbewerbsfähigen Material- und Produktionskosten. Ein Anstrich von Innen- und Außenwand mit dieser „Perlfarbe“ verbessert die Dämmung. Die Außenwand reflektiert die Sonnenwärme und die Innenseite verhindert den Verlust von gekühlter Luft. Im Winter geschieht das Gegenteil: die mit der Farbe aufgetragenen Siliziumperlen halten die kalte Außenluft ab und verhindern den Wärmeverlust nach außen. Ishiko-san stellte die Technologie zur Vermarktung über die Raumfahrtindustrie der JAXA hinaus unter Lizenz und schaffte den Markennamen Gaina.

Ishiko-san bemerkte, dass die kalte Luft aus Klimaanlagen schnell eine kalte Luftschicht über der angestrichenen Innenwand bildet, was die gefühlte Temperatur verbessert, die berechnet wird, in dem man Luft- und Wandtemperatur addiert und dann durch zwei teilt. Wir vernachlässigen oft, dass Energie vor allem beim Austausch von Hitze oder Kälte an den Wänden verbraucht wird. Wenn die gefühlte Temperatur im Sommer ein Grad kühler oder im Winter ein Grad wärmer wäre, würde Forschungen der Tokyo Electric Power Corporation (TEPCO) zufolge dieser eine Grad Temperaturunterschied bereits zu 10 Prozent Energieeinsparungen führen. Diese Innovation, die auf simpler Physik basiert, ermöglicht die Nutzung von Wandfarbe als leicht installierbaren Dämmstoff. Dies ist eins der Kernprinzipien der Blue Economy.

Erster Umsatz

Der erste erfolgreiche Einsatz ist in der Hausbau- bzw. Bauindustrie. Der doppelte Anstrich spart 30 Prozent Energie im Sommer und 20 Prozent im Winter ohne Einsatz von weiterem Dämmmaterial. Nun muss nur noch eine passende Art von Farbe ausgewählt werden. Die ursprünglich in Japan hergestellte Farbe war teurer als der Marktstandard; eine neue Produktionseinheit, die bald in Gebrauch genommen wird, wird die Produktionskosten senken und so ein einmaliges Verkaufsargument für Eigenheimbesitzer darstellen, die ihr Haus einfach dämmen können, indem sie es anstreichen.

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Die Chance

Einer der Durchbrüche dieser Innovation ist, dass eine dünne Schicht mit einem Pinsel oder einer Sprühdose aufgetragene Farbe vielen Zentimetern von Dämmstoffen Konkurrenz macht. Dies ebnet den Weg für viele Möglichkeiten der Energieeinsparung auf Gebieten, für die der benötigte Raum entscheidend ist. Große Reedereien haben bereits die innovative Farbe auf ihren Decks angewendet. Da die Kugeln aus Silizium sind, sind sie unempfindlich gegen UV-Strahlung, was die Effektivität der Farbe sowie der Isolierung noch steigert. Die Treibstoffeffizienz von Autos und Bussen verbessert sich dank des Anstrichs mit GAINA©, der neuen Markenfarbe, die der Wärmestauung im Sommer entgegenwirkt. Die größten Einsparungen finden sich vielleicht noch bei Kühlcontainern und Kühltransportern. Die sofortige Verteilung der Aufheizung oder Kühlung durch die Schicht winziger Kugeln beugt auch der Kondenswasserbildung vor, die Hauptursache für Schimmelwuchs ist. Der Todaiji-Tempel, einer von Japans wertvollsten Objekten des UNESCO-Weltkulturerbes, ist die Farbe zur Energieeinsparung und zum Schutz der Schätze vor Schimmel eingesetzt worden.

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Obwohl die Haltbarkeit bisher nur für bis zu zehn Jahre bewiesen wurde, bleibt das Produkt wettbewerbsfähig durch seine Multifunktionalität, da es Energie spart, UV-beständig ist, der Kondenswasserbildung vorbeugt und Gerüche bindet. Bei alldem sollten wir nicht vergessen, dass diese wasserbasierte Hülle gleichzeitig als Bemalung dient und in 52 verschiedenen Farben unser Umfeld verschönert. Diese Palette von vielfältigen Vorteilen schafft eine neue Chance für Unternehmer, die vielleicht darüber nachdenken, wie sie sich auf dem Markt der Farben und Dämmstoffe behaupten können. Unternehmer mit Zugang zu diesen Märkten können es nun mit den Großindustriellen auf beiden Märkten gleichzeitig aufnehmen. David kann nicht nur Goliath besiegen, sondern gleich zwei Goliaths auf einmal. Eine Chance, die sich für aufstrebende Unternehmer in der Marktwirtschaft nicht häufig bietet.

Bilder: StockXCHNG

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