46. Ein neues Leben für Zementdrehöfen

Der Markt

Bis 2013 wird der Weltmarkt für Zement bei 246 Milliarden US-Dollar brutto liegen, was einer Gesamtmenge von 3,5 Milliarden Tonnen Baustoff entspricht. Zement ist der am weitesten verbreitete Baustoff der Welt. China stellt etwa 50 Prozent der Welt-Gesamtmenge her, während Indien als zweitgrößter Hersteller schneller wächst, sogar im Vergleich zu China. Die europäischen und amerikanischen Märkte erholen sich langsam nach einer schweren Krise 2008-09, wobei die Amerikaner um 17 Prozent in einem Jahr abgefallen sind.

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Die Zementindustrie konzentriert sich stark auf wenige Hersteller. Die fünf größten Produzenten der Welt kontrollieren über die Hälfte der weltweiten Produktionskapazitäten. Lafarge (Frankreich) ist weltweiter Marktführer mit 16,1 Milliarden Dollar und lag 2009 damit knapp vor Holcim (Schweiz). Lafarge hat letztes Jahr 17 Zementfabriken in China aufgekauft, so viel wie nie zuvor. CEMEX (Mexiko), die Nummer drei der Welt in Zement, dabei jedoch Nummer eins für Baustoffe, bildet eine seltene lateinamerikanische Spitze in dieser globalen Industrie. Bezogen auf den US-Arbeitsmarkt auf diesem Sektor hat die Beschäftigung beträchtlich abgenommen: um 23 Prozent während der letzten 20 Jahre. Hauptsächliche Ursache ist das Streben nach Rationalisierung durch immer größere Zementdrehöfen. FL Smith, der dänische Weltmarktführer auf diesem Gebiet mit mehr als 1000 installierten Anlagen, hat den größten Drehofen in Tongling (China) gebaut, mit einer spektakulären Kapazität von 12 000 Tonnen Zement pro Tag.

Eine der größten Herausforderungen für die Zementindustrie sind Treibhausgasemissionen. Für jede Tonne Portlandzement werden 1,3 Tonnen Kalkstein benötigt, die bis auf 1450 Grad Celsius erhitzt werden und dabei CO2 freisetzen; außerdem werden 0,2 Tonnen Kohle und 100 kWh Strom verbraucht. Im Jahr 2010 hat die Industrie schätzungsweise 2,9 Milliarden Tonnen CO2 produziert und ist somit einer der Hauptverursacher des Klimawandels mit 5 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen durch Menschen. Die klimaverträglichsten Zementöfen produzieren immer noch 0,66 Kilogramm CO2 pro Kilogramm Zement, von denen 90 Prozent direkt bei der Produktion entstehen und nur je fünf Prozent beim Transport und der Stromgewinnung vor Ort.

Die Innovation

Die Europäische Union subventioniert Firmen, die veraltete Zementfabriken aufkaufen und sie mit sauberer Technologie ausstatten. Doch selbst die „grünsten“ Technologien können den CO2-Ausstoß gerade mal um 20 Prozent senken. Die chemische Reaktion, die dieses Baumaterial hervorbringt, setzt immer Kohlendioxid frei. Da weltweit immer mehr Zement hergestellt wird, nimmt auch die Umweltbelastung zu. Dies ist unter dem Namen des Rebound-Effekts bekannt: die Gesamt-Umweltbelastung nimmt zu, obwohl die Produktion pro Einheit abnimmt. Die Industrie sattelte daraufhin um auf die Einbeziehung von Abfallstoffen, die sonst noch größere Herausforderungen für die Umwelt darstellen würden, etwa die Methangasausstöße (21-mal schlimmer für das Klima als CO2) oder die Vermeidung des Risikos von Ruß in der Atmosphäre durch Verbrennung von Abfallstoffen und Altreifen im Produktionsprozess. Andererseits ist einer der größten Kostenfaktoren für die Zementindustrie ihre Schließung, da die hohen Asbestkonzentrationen die Firmen an den Rand des Bankrotts bringen – hier muss bemerkt werden, dass in den 1950er- und 60er-Jahren Asbest standardmäßig in der Zementindustrie eingesetzt wurde.

Als Anders Byström das mechanische Wunder eines Drehofens betrachtete, der über Jahrzehnte bei hohen Temperaturen Zement hergestellt hatte, konnte er nur staunen. Er bewunderte das schwere Gerät, das in Stora Vika südlich von Stockholm in einer stillgelegten Zementfabrik vor sich hinrostete. Wie konnte es sein, dass so ein Meisterstück der Ingenieure nur noch Schrottwert hatte? Zementfirmen verursachen hohe Kosten bei der Schließung, doch Anders zufolge konnten die Installationen weiter genutzt werden als Verarbeitungsanlage für kommunale Abfälle. Anstatt Kohle zu verbrennen und Kalkstein zu verarbeiten erdachte er, wie der gesamten Anlage kommunale Abfälle zugeführt werden könnten. Dabei werden zunächst alle Metalle entfernt und dann 900 Tonnen bzw. 300 Tonnen täglich gespeichert. Die Mischung von organischen und anorganischen Materialien wird gleichermaßen unter Luftzufuhr und –abschluss verdaut. So könnte aller Müll getrennt und recycelt werden, übrig bliebe nur reiner Kompost.

Erster Umsatz

Der innovative Prozess der Umnutzung der Fabrik zur Mülltrennung begann mit einem Pilotprojekt von einer Tonne pro Tag und wurde zum vollständigen Prozess. Dann zog er die Aufmerksamkeit von Masatsugu Taniguchi auf sich, Geschäftsführer der Taiheiyo Cement, Japans größtem Zementhersteller. Er merkte, dass dies einen Durchbruch für eine Infrastruktur bedeutete, in der die Nachfrage nach Zement abnehmen und gleichzeitig die Nachfrage nach Abfallmanagement steigen wird. Aufgrund von Pilotstudien in Schweden mit japanischen Abfällen schlossen die Ingenieure der Taiheiyo Cement, dass der gesamte Energiewert der kommunalen Abfälle überraschende 50% der Kohleenergie erreichen könnte, mit der die Öfen normalerweise befeuert werden, wenn sie in diesen ausgedienten Drehöfen verarbeitet werden.

Eine Investition von 40 Millionen Dollar ermöglichte die Errichtung der ersten Anlage auf Industrieniveau in Hidaka in der Präfektur Saitarna (Japan). Ein ausgedienter Ofen erhält sämtliche Abfälle der örtlichen Müllverwaltungsfirma. So konnte die Stadt die Investition in eine Verbrennungsanlage sowie die Erweiterung ihrer Müllhalde einsparen. Dies verringerte wiederum die Steuerlast für die Bürger und verbesserte zugleich die Luft. Die schwedische Technologie verwandelte energiearmen in energiereichen Müll und hob zugleich das Risiko der Methangasemissionen aus Müllhalden auf, die so schädlich für das Klima sind. Dieser Prozess sparte 20 Tonnen Kohle täglich und verringerte zudem die negativen Auswirkungen der herkömmlichen Abfallentsorgung bei niedrigeren Kosten dank des Einsatzes bereits vorhandener Materialien. Dieser Ansatz begreift die Industrie wie ein in sich zusammenhängendes System, ein hervorstechendes Charakteristikum der Blue Economy. Nach zweijährigen Tests hat das japanische Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie (METI) eine Betriebslizenz angeboten.

The Opportunity

Eine der viel zu wenig genutzten Kapitalstrukturen der Welt sind die Abschreibungen von Produktionsanlagen. Da diese Anlagen in Bilanzen oft mit fast Null bewertet werden, da sie sich voll amortisiert haben, laufen sie immer noch Gefahr, hohe Kosten für Schließung und Abriss zu verursachen, da es den Firmen verboten ist, die alten Anlagen zu einem symbolischen Preis zu verkaufen, wie es früher gängige Praxis war. Wenn die Zementfirmen sich weiter nur auf ihr Kerngeschäft mit Zement konzentrieren, bleibt dieses Risiko. Wenn sie aber lernen, um die Ecke zu denken und ein Konsortium mit Partnern bilden, die sich gegenseitig ergänzen, dann könnten sie ihre eigene Kosten senken, schädliche Auswirkungen auf das Klima vermeiden, Arbeitsplätze schaffen, die Erträge der Investments erhöhen und sogar Steuerlasten aufgrund teurer Abfallwirtschaft erleichtern.

Durch Nutzung vorhandener Ressourcen können Defizite der Staatskassen ausgeglichen und dabei der Energiebedarf gedeckt werden, eine Basis für die Geschäftsentwicklung. Unternehmer wie Anders Byström haben gezeigt, dass dieses Geschäft auch mit sehr begrenzten privaten Finanzressourcen gestartet werden kann. Da die Kapitalaufwendungen der Zementindustrie weiterhin kleinere Öfen zugunsten von solchen mit drei- bis vierfacher Kapazität abschreiben werden, werden immer mehr Drehöfen verfügbar. Der Verkauf zum Schrottwert ist keine gute Möglichkeit im Vergleich zu der einer völlig neuartigen Form der Abfallwirtschaft bei niedrigeren Kosten, die uns aus der Zwickmühle zwischen der Müllhalde und der Müllverbrennung befreit. Unternehmer sind gefragt, die etwas bewegen wollen.

Bilder: Fotolia, StockXCHNG

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