49. Stahl und Schlacke
Der Markt
Der Weltmarkt für Stahl wird für 2010 auf 400 Milliarden US-Dollar geschätzt und erreichte 1,3 Milliarden Tonnen. Der größte Stahlproduzent ArcelorMittal unter Leitung von Lakshmi Mittal wird am Dutch Stock Exchange auf einen Umsatz von über 30 Milliarden Euro geschätzt. Dieses Konglomerat kontrolliert etwa 10 Prozent der weltweiten Verkäufe. Während die Stahlindustrie früher vor allem ein amerikanisches Geschäft war, hat es sich mittlerweile entschieden nach China und Indien verlagert. Über ein Drittel des Stahls auf der Welt wird in China hergestellt. Die indischen Marktführer hingegen haben eine Reihe globaler Akquisen unternommen, nachdem der Sektor sich nach einem harten Konsolidierungskampf durch Überkapazitäten in dieser Wachstumsindustrie stabilisiert hat. Die Inder haben einen strategischen Wettbewerbsvorteil gegenüber China, da Indien nach Australien und Brasilien der drittgrößte Förderer von Eisenerz auf der Welt ist. Heute wird über die Hälfte des indischen Erzes exportiert; dies wird sich wahrscheinlich bald ändern, um strategische Reserven zu sichern.
Stahl ist das am meisten recycelte Material der Erde. Das Gesamtvolumen an rückgewonnenem Stahl durch Recyclingprogramme auf industrieller und Verbraucherebene ist höher als für Papier, Plastik, Aluminium, Kupfer und Glas zusammen. Nahezu 30 Prozent allen Stahls wird heutzutage recycelt. Elektro-Lichtbogenöfen in Deutschland und Japan arbeiten mit 100 Prozent recyceltem Stahl, der den Vorteil hat, unendlich weiterverwertet werden zu können. Die Industrie hat große Fortschritte gemacht, wobei die Recyclingquote in der Autoindustrie in Europa fast 100 Prozent erreicht, nachdem die Europäische Union höchste Auflagen verabschiedet hat. Trotzdem werden noch immer zwei Drittel allen Stahls entsorgt. Vor allem im Hausgebrauch liegen die Wiederverwertungsraten niedrig. In amerikanischen Haushalten werden 100 Millionen Stahlbehälter pro Tag (36,5 Milliarden pro Jahr) weggeworfen, und der nicht recycelte Anteil wäre genug, um jeden Tag eine Rohrleitung von New York nach Los Angeles und zurück zu legen.
Dank des Magnetismus ist Stahl leicht trenn- und recycelbar. Eine Tonne recycelter Stahl spart 1,1 Tonnen Erz und 630 Kilogramm Kohle ein. Der in Nordamerika recycelte Stahl spart genug Energie ein, um damit 18 Millionen Haushalte zu versorgen. Eine der größten Herausforderungen des Stahls bleiben die Treibhausgasemissionen, die bereits von Anbeginn der Herstellung vor 4000 Jahren an ein natürliches Nebenprodukt darstellten. In den letzten 20 Jahren ist der Energiebedarf pro Tonne Stahl um 30 Prozent gesunken. Doch immer noch werden mit jeder Tonne Stahl auch zwei Tonnen CO2 freigesetzt, was zwar viel weniger ist als bei Aluminium, das 11 Tonnen freisetzt, aber immer noch in bedeutendem Maße zum Klimawandel beiträgt.
Die Innovation
Für die Stahlindustrie steht eine große Anzahl Innovationen bereit, von der Produktion hochfesten Stahls über höhere Ausbeute der Erze, die Produktion von Stahlummantelungen bis hin zum revolutionären Überzug des Stahls mit einer dünnen Schicht Solarzellen. Es wird umgedacht bezüglich der Größe der Stahlhütten, was Ingenieure zum Entwurf von Mini-Hütten inspiriert hat, die die Kapitalinvestitionen pro Produktionseinheit reduzieren, zu höherer Flexibilität und geringerer Umweltbelastung führen und darüber hinaus dem Management Möglichkeiten zur Wärmerückgewinnung bieten, vor allem bei der Kühlung des geschmolzenen Stahls. Dieser Prozess komprimiert wiederum die Größe der Hütte und ermöglicht Industriecluster. Ein Bereich jedoch, der strategische Aufmerksamkeit erfordert, ist Schrott und Schlacke; dies ist zwar nichts Neues, aber bisher immer ein Problem des Recyclings aufgrund des niedrigen oder fehlenden Mehrwerts.
Ji Gengxin, ein ehemaliger Soldat der chinesischen Volksbefreiungsarmee, hat die Anhäufung von über 10 Millionen Tonnen Schlacke betrachtet, die in seinem Land jedes Jahr bei Stahlarbeiten anfallen. Auf internationaler Ebene wird ein Großteil dieser Abfälle im Straßenbau recycelt. Doch die noch nicht recycelte Schlacke bedeckt große Flecken Landes, die für den Ackerbau geeignet wären, und verseucht die Luft und den Boden. Herr Ji fand heraus, dass Schlacke zu 15 Prozent aus Stahl besteht; der Rest ist ein hochfestes, widerstandsfähiges und nicht korrodierendes Material. Herr Ji gründete daraufhin die Wuhan Metallurgical Slag Environment Protection Engineering Company und begann mit 25 arbeitslosen Helfern und einem Kleinkredit von 30 000 Yuan (4600 US-Dollar), mit diesem Umweltgift zu arbeiten.
Herr Ji und Dr. Chen Yimin von der chinesischen Akademie für Baumaterialkunde konnten erfolgreich nachweisen, dass fein gemahlenes Schlackepulver – die Überreste nach dem Herauslösen des Stahlanteils – 20 Prozent des Zements als aktiven Zusatzstoff zur Betonverstärkung ersetzen können. Anstatt Schlacke nur als minderwertigen Rohstoff für Straßenbeläge zu verwerten, stellt sie nun einen hochwertigen Zusatz in der Bauindustrie. Die Schaffung von Mehrwert durch Umleitung von Abfallströmen von einer Industrie in eine andere ist ein typisches Merkmal der Blue Economy.
Erster Umsatz
Die patentierte Technik, ein System aus Vorzerkleinerung, nassmagnetischer Sortierung, Sieben und Mahlen, hatte ersten Erfolg in der Zementanmischung zum Bau von Stützpfeilern für die Xia Bai Shi-Seebrücke in der Provinz Fijian. Dies war der nötige Durchbruch für die Aufnahme der Arbeiten zur Verwertung von Hundert Hektar Schlackehaufen bei der Wuhan Iron and Steel Group (WISCO), dem ersten chinesischen Großindustriekomplex, der bereits 1958 in Betrieb gegangen ist.
Stastiken belegen, dass pro Jahr über 1,4 Millionen Tonnen Schlacke allein aus diesem Stahlwerk anfallen. Die kreative und wissenschaftliche Arbeit des Teams aus Wuhan schaffte eine neue Industrie, die netto etwa 200 Yuan (30 Dollar) pro Tonne Schlacke verdient, darin enthalten ist die Provision zur Wiedernutzbarmachung des verseuchten Landstrichs. Im Lauf eines Jahrzehnts ist die Schlackefirma von zwei Dutzend auf 500 Mitarbeiter angewachsen.
Die Chance
Während Schlacke aus Stahl weiterhin im Rest der Welt für den Autobahnbau genutzt wird, ist dies in China nur selten der Fall. Das ist auch sehr unwahrscheinlich, denn die Schlacke generiert vielerlei Erträge. Die Gruppe aus Wuhan hat ihre Technologie inzwischen für eine breite Palette von Projekten der Bauindustrie eingesetzt, darunter Flughäfen, U-Bahnen und Staudämme. Nach 17 Jahren sind alle Schlackeberge rund um Wuhan verschwunden. Der Stahlanteil ist vollständig recycelt und die Nebenprodukte generieren inzwischen mehr Wert als der Schrott. Allein die Schlacke aus diesem einen Werk in Wuhan schafft über 100 Millionen Dollar an Nettoerträgen, besser als jede andere bekannte schlackeverarbeitende Firma. Hier bietet sich die Chance, die Abfälle von Stahlhütten zu verwerten und hier einen Industriecluster aufzubauen.
Zweifellos ist dieses Portfolio von Innovationen, die höhere Qualität durch lokal vorhandene Ressourcen bieten, eine Plattform für das Unternehmertum und kann rund um jede alte Stahlhütte auf der Welt angesiedelt werden, sobald sich Unternehmer hierfür finden.
Bilder: StockXCHNG
Hinterlassen Sie einen Kommentar
Wollen Sie an der Diskussion teilnehmen?Feel free to contribute!