51. Biogas
Der Markt
Der Weltmarkt für Biogas lag bei gerade einmal 2 Milliarden Euro für 2006, doch für 2020 wird schon ein Wachstum auf 25 Milliarden Euro erwartet. Ausgewählte Länder werden jährliche Wachstumsraten von 20 oder sogar 30 Prozent verzeichnen können. Europa und China sind die Marktführer. Die europäische Biogasproduktion könnte für 2020 etwa 500 Milliarden Kubikmeter pro Jahr erreichen, mehr als die gegenwärtige Menge Erdgas, die aus Russland geliefert wird. Die Investitionen in Biogasanlagen in der EU erreicht Erwartungen zufolge 7,5 Milliarden Euro, und jährlich kommen ein paar Tausend Anlagen hinzu. In der deutschen Industrie entstehen schätzungsweise 85 000 neue Vollzeit-Arbeitsplätze; mit über 400 aktiven Firmen in der Branche und etwa 100, die die gesamte Wertkette bieten, gilt dieses Land als technischer Marktführer. In Osteuropa, das oft von deutschen Experten profitiert, gab es 2010 bereits 5900 Biogasanlagen. In den nächsten drei Jahren werden noch 3000 hinzukommen, die die Gesamtkapazität von Biogas in diesem Teil Europas auf 4,0 Gigawatt elektrischer Energie (GWel) steigern werden.
China hatte 2010 etwa 5000 Industrieeinheiten in Betrieb, die zusammen 13 Milliarden m3 Gas erzeugten. In China gibt es eine lange Tradition von Biogasanlagen in kleinem Maßstab. Mit einem identifizierten Potenzial von 100 GWel drängt die Regierung jedoch massiv auf die Erreichung von 40 GWel bis 2020. Nur etwa die Hälfte der über 300 Millionen Tonnen Haushaltsabfälle, die pro Jahr anfallen, werden gesammelt und auf Müllhalden gebracht. Ein Teil dieser ungenutzten Ressourcen, die die Umwelt verschmutzen und die Gesundheit der Bevölkerung gefährden, erhöhte die Zahl der ländlichen Haushalte mit Zugang zu Biogas als Hauptenergiequelle von 22 Millionen für 2006 bis auf 40 Millionen im letzten Jahr. Man erwartet ein kontinuierliches Wachstum um 10 Prozent pro Jahr auf diesem Sektor. Es wird geschätzt, dass Biogas in China bereits 30 Millionen Tonnen Kohle in der Verbrennung ersetzt, was die Kohlenstoffemissionen deutlich senkt.
So erzeugtes Biogas ist kein kommerzielles Produkt für den unmittelbaren Gebrauch. Es enthält zu etwa zwei Dritteln Methan, fast 30 Prozent CO2, ein paar Prozent H2S und Wasserdampf. Die Trennung von Methan und CO2 sind Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg. Der Vorteil des Biogases liegt darin, dass es über die bestehende Infrastruktur für die begrenzte Energiequelle Erdgas genutzt werden kann, wobei Biogas ständig erneuerbar bleibt.
Die Innnovation
Immer noch assoziiert man Biogas vor allem mit der Umwandlung tierischer Abfälle in Energie und mineralisierten Schlamm durch Prozesse unter Luftabschluss. Dies zeigt sich in der ehrenwerten Initiative in Bagepelli (Indien), gesponsort durch die Bangalore Women for Sustainable Development, die 1,1 Millionen Euro in die Erbauung von 5500 Biogasanlagen zur Umwandlung von Kuhdung in Gas investiert hat. Diese Initiative erzeugt jedes Jahr 19 800 Emissionsreduktionsgutschriften und ihre Umsetzbarkeit im kleinen Maßstab macht sie für ländliche Gebiete attraktiv. Die Chancen der Energiegewinnung aus Bio-Abfällen liegt in der intelligenten Nutzung bestehender städtischer, industrieller und Abwasseranlagen sowie einem tiefgehenden Verständnis der chemischen Reaktionen, die einen deutlich höheren Ertrag an Biogas durch Nutzung der verfügbaren Infrastruktur und der Abfallströme liefern.
Erik Danielsson, vormals Geschäftsführer von Pharmacia AB, einer führenden schwedischen Pharmafirma vor der Fusion mit Pfizer, startete eine unternehmerische Karriere, nachdem er sich aus dem traditionellen Geschäft zurückgezogen hatte. Er beobachtete, dass sich absetzender Klärschlamm hohe Kosten in Kläranlagen verursachte und andererseits mehrere Abfallströme wie die Reste von Energiepflanzen, Viehdung und Lebensmittel-abfällen aus der Industrie jeweils einzeln kostenintensiv entsorgt wurden. Er hatte die Idee, wie die bestehenden Kläranlagen, für die sich die Biogasproduktion nicht lohnte, weil nicht genug organische Masse anfiel, ihr Geschäftsmodell und Infrastruktur anpassen könnten, um verfügbare weitere organische Abfälle einzubeziehen.
Herr Danielsson gründete Scandinavian Biogas und nutzte die Möglichkeit, Flüssiggas in normalen Behältern über weite Entfernungen zu transportieren. Die Kombination aus Lebensmittelabfällen aus Haushalten oder der Lebensmittelindustrie mit Klärschlamm ergab die richtige chemische Mischung, um den Ertrag an Biogas auf Industrieniveau zu steigern. Ein professioneller Ansatz zum Ertrag ermöglicht die Erzeugung von flüssigem CO2 als wertvolles Nebenprodukt in der Produktion von Druckgas für Fahrzeuge, das Benzin direkt durch eine erneuerbare Ressource ersetzt und dabei Müllhalden entlastet sowie die Umsätze der Kläranlage steigert. Diese Verknüpfung von Vorteilen und Erträgen durch Cluster innerhalb einer bestehenden Infrastruktur ist ein typisches Beispiel für neuartige Geschäftsmodelle der Blue Economy.
Der erste Umsatz
Der erste operierende Betrieb befindet sich in der Nähe von Pusan in Korea. Scandinavian Biogas hatte beschlossen, in der Nachbarschaft der städtischen Kläranlage von Ulsan eine Anlage für 14 000 m3 zu entwickeln, zu bauen und zu betreiben. Durch die Mischung von Lebensmittelabfällen und vorbehandeltem Klärschlamm sowie die Reinigung des Gases stieg der Ertrag an Biogas von ursprünglich 3 Millionen m3 um das Vierfache auf 12 Millionen m3.
Der gesamte Ertrag an gereinigtem Methan wird an SK Chemical verkauft. Die Kapitalrendite beträgt über 20 Prozent, somit wird eine Anlage, die allein aus Steuereinnahmen finanziert wurde, zu einem Betrieb mit eigenen Einnahmen. Das positive Ergebnis beruht auf der Generierung mehrerer Cashflows: Gebühren für Lebensmittelabfälle, Erträge an Gas mit deutlicher Steigerung durch Verfeinerung für die Nutzung in Fahrzeugen, Erträge aus flüssigem CO2 und sogar ein weiteres Einkommen durch den Verkauf von Abwärme. Die herkömmliche städtische Kläranlage war noch nie so rentabel.
Die Chance
Das Beispiel aus Korea bietet einen Einblick in das weite Potenzial für Biogas auf der ganzen Welt. Die für koreanische Verhältnisse kleine industrielle Anlage in Ulsan produziert bereits 30 000 m3 Biogas pro Tag. Wenn die selbe Technologie in der städtischen Kläranlage in Seoul installiert würde, könnten pro Tag fast eine Million Kubikmeter, d.h. pro Jahr 360 Millionen Kubikmeter Biogas gewonnen werden. Somit überrascht es nicht, dass, als Scandinavian Biogas das Geschäftsmodell erfolgreich bewiesen hatte, weitere Investoren großes Interesse an diesem Konzept zeigten. Zwar verfolgt die koreanische Regierung eine klare Strategie hin zu erneuerbaren Energien mit allen notwendigen Anreizen, doch bleibt zu bedenken, dass mehrere Hundert Kläranlagen dann renoviert werden müssten. Die Kapitalrendite bleibt attraktiv, doch der Vorteil ist noch größer für Länder, die erst ein städtisches Abwasserklärsystem entwickeln müssen.
Wenn Biogas schon in Deutschland und Schweden wettbewerbsfähig ist und diese Betriebe in Asien im großen Maßstab bankfähig sind, dann ist die Zeit gekommen, um die Stadtverwaltungen anzusprechen, deren Abwassersysteme kein gutes Trinkwasser für ihre Bevölkerung garantieren können und wo Abwasser den größten Teil des Jahres die sonst schönen Strände verschmutzt, wie im Falle von berühmten Touristenzentren wie Kapstadt (Südafrika) und Rio de Janeiro (Brasilien). Der von Herrn Danielsson angestoßene und nun von einem Team von fast 50 Experten verfolgte Ansatz zeigt, dass zwar sowohl die Wasserklärung als auch die Müllentsorgung für sich jeweils Geld kosten, doch zusammen Geld einbringen. Dies zeigt einmal mehr, dass das traditionelle Managementmodell des Kerngeschäfts und der Kernkompetenz am Ende seiner Logik steht. Was jedoch die Weltwirtschaft nachhaltig macht, ist „Um-die-Ecke-Denken“ und Clusterbildung, So werden erneuerbare Energieressourcen genutzt, und am Ende kann sogar der Klärschlamm am Ende der Produktion als neuer Humus eingesetzt werden.
Bilder: StockXCHNG
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