56. Saubere Luft

Der Markt

Der Weltmarkt für Filter und Filtriersysteme erreichte 2010 etwa 45 Milliarden US-Dollar. Das größte Marktsegment bilden die Filter in der Autoindustrie. Die dort eingesetzten Filter, die schwebende Festpartikel aus der Luft und dem Wasser entfernen, werden mit 25 Milliarden Dollar für das selbe Jahr bewertet. Das am schnellsten wachsende Segment sind Flüssig-Filtereinsätze mit 13,6 Milliarden Dollar. Unter anderem gibt es Märkte für flüssige Makrofilter (1,3 Milliarden Dollar), gewebebasierte Filter (2,3 Milliarden Dollar) und Querstrom-Membranen, die in der Umkehrosmose genutzt werden (1,9 Milliarden Dollar). Mit 14 Prozent wächst der chinesische Markt im Verbrauch von Filtern am schnellsten. Zwar ist China noch Nettoimporteur für Filtertechnik, doch dies wird sich erwartungsgemäß bald umkehren. Die gegenwärtigen Wachstumsraten auf dem Markt lassen darauf schließen, dass China ab 2015 der zweitgrößte Verbraucher von Filtern nach Japan wird.

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Im Jahr 2010 erreichte der eng umgrenzte Markt für Raumluftfilter 6,6 Milliarden Dollar. Es gibt eine breite Palette von Techniken zur Entfernung fester Partikel wie Staub, Pollen, Schimmel, Bakterien und sogar Fäkalien von Hausstaubmilben aus der Raumluft. Die Reinigung der Luft dient zur Vermeidung der Ausbreitung von Verschmutzungen in der Luft, die sonst zum „Sick-Building-Syndrom“ führen könnten. Die Raumluft wird dabei durch einfache physikalische und mechanische Barrieren, UV-Strahlen, Sterilisierung durch Ozon, Aktivkohle oder Elektrostatik verbessert. Der größte Teil dieser Systeme ist in Geschäfts- und Bürogebäuden installiert, dicht gefolgt von Industrieanlagen. Die Nachfrage nach hocheffizienten Filtern konzentriert sich auf den Elektroniksektor. Auch Hersteller von Solarzellen zeigen steigendes Interesse an Filtern. Der Markt für Wohngebäude ist noch klein; mit einer Wachstumsrate von 5,2 Prozent liegt er jedoch schon weit über der Rate des Weltwirtschaftswachstums. Das Interesse an gesunder Raumluft wächst vor allem in städtischen Ballungszentren mit hoher Luftverschmutzung und steigert so die Nachfrage.

Die Innovation

Der Einsatz von Filtern erzeugt einen Gegendruck. Da Filter entwickelt werden, die immer kleinere Partikel entfernen, fällt der Druck des Luftzugs immer weiter. Je effizienter der Filter, desto mehr Energie wird benötigt, um die Luftzirkulation aufrecht zu erhalten. Dies bedeutet wiederum, dass die energieeffizientesten Filtriersysteme die Luft am schlechtesten filtern. Daher konzentriert sich die Suche nach Innovationen auf Filtertechniken, die mehr Partikel bei weniger Energiezufuhr entfernen. Dies führt zu innovativen Ansätzen wie dem Einsatz von TiO2 (Titandioxid), Nanopartikeln und Ozon. Zwar kann der Ersatz von Mechanik durch chemische Prozesse die Verschmutzung der Luft herabsetzen, doch gleichzeitig entstehen gefährliche Nebenprodukte. Die Ersetzung von Physik durch Chemie ist ein innovativer Ansatz, der am besten vermieden werden sollte.

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Professor Lars Thofelt hat beobachtet, dass schwebende Partikel in der Erdatmosphäre in den Regenwäldern zu Boden fallen. Er dachte darüber nach, wie Pflanzen, Erde und Wasser in einem Ökosystem zusammenwirken, in dem Feststoffe mit den Luftströmen durch Pflanzen getragen werden, an den Blättern hängen bleiben und schließlich mit dem Regen auf den Boden fallen, wo alles verrottet und wiederum den Boden erneuert. Er bemerkte, dass in Gebäuden meist eine warme und trockene Raumluft vorherrscht, und erdachte eine Methode zur Raumluftbefeuchtung. Dies vermindert die Reizung der Schleimhäute und reinigt gleichzeitig die Luft. Ebenso fiel ihm auf, dass kleine Partikel an größeren hängen bleiben. Diese werden gewöhnlich in den Luftfiltern gefangen, doch sobald die größeren Partikel austrocknen, fliegen die kleineren wieder frei umher. Das natürliche Filtrationssystem des menschlichen Körpers ist nicht imstande, sie abzuwehren.

Professor Thofelt entwickelte daher in den frühen 1990er-Jahren einen Miniatur-Regenwald mit bis zu 150 Pflanzen. Er fand heraus, wie ein gesunder Regenwald eine Balance aus Wachstum und Zerfall herstellt. Er arbeitete mit Anders Nyquist zusammen, dem Architekten, der den natürlichen Luftstrom durch einen tropischen Garten innerhalb eines Gebäudes entwickelte, in dem die meisten größeren Partikel vor der Austrocknung zusammen mit den kleineren gebunden werden. Der innovative Architekt, der bereits eine einzigartige Serie Öko-Gebäude entwickelt hat, erreicht diesen natürlichen Luftstrom durch ein Zusammenspiel von Licht und Luftdruck. Pflanzen waren zwar schon immer in Gebäuden beliebt, doch normalerweise wurden sie nur als Kostenfaktor angesehen. Sobald die Pflanzen jedoch als Filtersystem im Gebäude eingesetzt werden, bietet diese grüne Zone mehrerlei Nutzen und spart somit Kosten. Dies ist ein typisches Merkmal für die Blue Economy.

Der erste Umsatz

Prof. Thofelt gründete die Firma Levande Filter AB in Sundsvall (Schweden) und baute einige Testmodelle, um zu beweisen, dass ein Mikro-Regenwald nicht nur schön aussieht, sondern durch die Schaffung einer gesunden Raumatmosphäre zum Wohlbefinden beiträgt und auch das Risiko von Infektionen und Allergien mindert. Der Bedarf an Chemikalien wird ersetzt durch ein Zusammenspiel der Gesetze der Physik mit der vorhersagbaren Funktionalität von Ökosystemen. Eins der ersten Projekte war 1998 die Laggarberg-Schule in Timrå (Schweden), etwa 400 Kilometer nördlich von Stockholm. Ein zweites Beispiel ist der Midlanda-Flughafen (Sundsvall) mit einer Mischung von Pflanzen, Büschen und kleinen Bäumen unter dem Dach. Durch Nutzung der Tatsache, dass warme Luft immer aufsteigt und vernebeltes Wasser Staub bindet, ist die Luft dort sauber.

Die ersten experimentellen Projekte wurden ein voller Erfolg und bildeten den Nachweis, dass dieser Prozess nicht nur effektiv und schön anzusehen ist, sondern auch die Energiekosten beträchtlich senkt. Durch unabhängige Studien wurde belegt, dass der CO2-Gehalt mit einem Maximalwert von 735 ppm durch den Lebendfilter auf 300-350 ppm gesenkt wurde, was dem Mengenverhältnis in guter Außenluft entspricht. Die Pflanzen entzogen pro Stunde 9,42 Gramm CO2. Ein vielleicht noch besseres Resultat ist der Abbau von 7,5 µg Formaldehyd pro Stunde!

Die Chance

Die Erfolgsgeschichte stammt aus Nordeuropa, einer Region, in der die Luftqualität von Innenräumen sehr wichtig ist und Energieeinsparungen an oberster Stelle im alltäglichen Leben stehen. Das Team von Levande Filter AB fuhr daher fort mit der Entwicklung von standardisierten Zellen mit automatischer Bewässerung und voreingestellter Beleuchtung. Das Ford-Autohaus in Umeå beschloss, einige dieser Zellen in der Werkstatt zu installieren. So konnten Toluol und Kohlenwasserstoffe auf natürliche Weise gefiltert werden. Auf Grundlage dieser soliden Resultate expandierte die Firma in Finnland, den Niederlanden und Nordamerika.

Die Präsenz von Pflanzen ist auf öffentlichen Flächen vielleicht normal, doch das Wachstum von Nestfarn, Weinstöcken, Elefantenfuß, Schefflera und sogar Pfeffersträuchern und Bananenstauden sind für jeden eine reichhaltige Lernerfahrung, vor allem, wenn diese Art von Filtern in Schulen installiert wird. Dort lernen die Kinder nicht nur aus nächster Nähe, wie ein Regenwald aufgebaut ist und warum er so wichtig für die Gesundheit ist, sondern sie erfahren auch mehr über die Artenvielfalt, als ihnen der Biologieunterricht je vermitteln könnte. Das Zusammenspiel von Licht, Feuchtigkeit, Wirtschaft, Innovationen, Ökosystemen und Gesundheit wird so zur Weltanschauung. So kann Blue Economy die Gesundheit in den Mittelpunkt stellen und dabei erschwinglich bleiben – und obendrein sieht es auch noch schön aus.

Bilder: StockXCHNG

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