6. Benzin aus dem Wald
create a multiple cash flow, regenerate biodiversity, power combustion engines
Schafft Umsatz auf mehrfache Weise, regeneriert die Artenvielfalt, treibt Verbrennungsmotoren an
Der Markt
Die Produktion von Gummiharzen durch Anzapfen von Nadelbäumen beträgt weltweit etwa 1,5 Millionen Tonnen. Das Harz wird zu Kunstharz (Kolofonium) für die Verwendung in der Papier-, Farb-, Tinten- und Klebstoffindustrie sowie Terpentin, einer hochentzündlichen organischen Chemikalie, weiterverarbeitet.
Die weltweite Produktion von wiederverwertbarem Terpentin erreicht 370.000 Tonnen. Es wird jedoch nur lokal für Lacke und Farben genutzt. Der Weltmarkt für diese Naturprodukte – die in großem Maße durch synthetische Stoffe auf Erdölbasis ersetzt werden – liegt bei unter einer Milliarde Euro.
Die Innovation
Als Soichiro Honda im Jahr 1947 sein Motorrad auf den Markt brachte, hatte es einen Terpentinantrieb. Damals war Benzin schwer zu beschaffen, und da 70 Prozent des japanischen Staatsgebiets Waldgebiet waren – hauptsächlich Nadelwälder – hat Honda das Anzapfen der Bäume sowie die Destillation und den Vertrieb von Terpentin parallel zum Motorradverkauf organisiert. Sein gleichzeitiges Angebot von Fahrzeug und Treibstoff war einzigartig. Jedoch musste man die Pedale sehr kräftig treten, um den Motor zu starten, und wenn er erst einmal lief, produzierte er zunächst eine Rauchwolke, die dem Gefährt schnell den Spitznamen „Schornstein“ einbrachte.
Paolo Lugari und sein Team in Las Gaviotas waren vor einem Jahrzehnt Pioniere auf dem Gebiet der Einführung von Biodiesel aus Palmöl. Las Gaviotas betrieb 2004 die erste Biodieselfabrik in Bogotá/Kolumbien, jedoch stießen sie durch den Einsatz von Methanol und den übermäßigen Ausstoß von Glyzerin als Nebenprodukt an wirtschaftliche Grenzen. Dann jedoch wandten sich die kreativen Köpfe des Teams dem Terpentin zu, einem Nebenprodukt bei der Harzverarbeitung.
Las Gaviotas, im Bezirk Vichada gelegen, importierte Treibstoffe für Traktoren und Motorräder zu hohen Preisen. Experten schätzten die Reinigung des Terpentins für einen sauberen Treibstoff als zu teuer ein. Paolo Lugari und seine Kollegen jedoch stellten sich der Herausforderung und entwarfen eine vierstufige Kaskadentechnik, die alle Verunreinigungen über 10 Mikrometer eliminiert. Wenn Honda so reines Terpentin zur Verfügung gehabt hätte, hätte er die massive Wiederaufforstung der Tropen gefordert und wäre gleichzeitig zum weltweiten Marktführer für Motorräder geworden.
Die Innovation geht noch einen Schritt über die einfache Reinigung von Terpentin mittels Schwerkraft und Zeit hinaus. Der Durchbruch liegt im Aufbau eines Geschäftsmodells, das vier Einkommensquellen in einem wieder aufgeforsteten Wald vereinigt. Eine Savanne wurde wieder zu Waldgebiet wie vor der Ankunft von Viehzüchtern, die Bäume geschlagen und gerodet hatten, um gebietsfremde Arten von Gräsern anzubauen.
Erster Umsatz
Las Gaviotas machte sich einen Namen in der Welt des nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Gewerbes mit der Einführung von solarbetriebenen Boilern. Durch die Installation von 40.000 Solarboilern mit 25 Jahren Garantie hat das Forschungszentrum bewiesen, dass es in Preis und Performance wettbewerbsfähig ist. Die Wiederaufforstung des Waldes kostet etwa 1.100 US-Dollar pro Hektar. Beim Wachsen erhöht der Wald den pH-Wert des Bodens und filtert so das Regenwasser. Der Verkauf des Trinkwassers generiert den ersten Umsatz, der auch der präventiven Gesundheitsversorgung in einer Region zugute kommt, in der ein Großteil der Bevölkerung an Erkrankungen des Verdauungssystems aufgrund von Trinkwassermangel leidet.
Las Gaviotas deckt den gesamten regionalen Bedarf an gefiltertem Wasser und der Überschuss wird in Bogotá verkauft. Nach sieben bis acht Jahren beginnt der junge Wald, Gummiharz zu produzieren. Da Las Gaviotas erneuerbare Energie am Ort produziert und das Harz lokal verarbeitet, werden Arbeitsplätze geschaffen und der Geldfluss gestärkt. Die Suche nach weiteren Umsatzmöglichkeiten, vor allem nach der Verringerung von Treibstoffimporten führte zur dritten und vierten Einnahmequelle: Terpentin und Kohle.
Die Chance
Wenn Las Gaviotas seine 8.000 Hektar mit etwa 3,6 Millionen Bäumen bepflanzen und unter Volllast produzieren würde, könnten pro Jahr 2,3 Millionen Liter Terpentin als erneuerbarer Biotreibstoff gewonnen werden. Inputs von außen sind nicht nötig. Da Treibstoff in der Region zu einem Literpreis von 3 Euro importiert wird, bedeutet die Verarbeitung von Terpentin zu sauberem erneuerbarem Treibstoff mehr Kapital für die Basis der Bevölkerung. Das Geld, das sonst der lokalen Wirtschaft entzogen würde, zirkuliert nun in der Region, schafft Arbeitsplätze und Einkommen.
Jeder, der in der Nähe von Nadelwäldern ist, kann das Baumharz einfangen. Statt das Harz nur zu Kolofonium zu verarbeiten, sollte eine Bioraffinerie zur vierfachen Generierung von Umsatz aufgebaut werden. Dies ist gewinnträchtig. Als JP Morgan die Zahlen des bereits von Arbeitern von Las Gaviotas aufgeforsteten Waldes studierte, kamen die auf neue Märkte spezialisierten Banker zu dem Ergebnis, dass die Regeneration eines tropischen Regenwaldes in einer Savanne – die einst Waldgebiet war – innerhalb von elf Jahren kostendeckend wirtschaftet, d.h. dass nach wenig mehr als einem Jahrzehnt die Investitionen des ersten Jahres wieder eingenommen sind. So überrascht es nicht, dass der Präsident der JP Morgan sich Zeit nahm, den Präsidenten Kolumbiens zu besuchen, um diese Anlageoption zu unterstützen.
Verschiedene Nadelbaumsorten produzieren unterschiedliche Mengen Terpentin. Besonders beanspruchte Hölzer wie Tropenbäume, die beispielsweise auf dem kargen Boden des Orinocobeckens wachsen, aber auch solche in Hochlandregionen wie Bhutan im Himalaya produzieren mindestens einen halben Liter reinen Terpentintreibstoff pro Jahr. Ausgewachsene Bäume könnten sogar einen Liter pro Jahr liefern. 2.500 Bäume könnten genug Treibstoff generieren, um mit einem energieeffizienten Auto bei einem Treibstoffverbrauch von fünf Litern pro 100 Kilometer 50.000 Kilometer zu fahren. Dies stellt eine attraktive Option für weit abgelegene Gebiete dar, da es nicht darum geht, mit den Diesel- oder Benzinpreisen allgemein zu konkurrieren, sondern ein Geschäftsmodell zu schaffen, in dem Investitionen sich fortwährend rentieren und die Region aufzuwerten. Nicht zuletzt kann das gewonnene Holz zur Stiftproduktion an renommierte Firmen wie Faber-Castell verkauft und so ein fünfter Umsatz erzielt werden.
Landstriche, die kein Einkommen erzielen und kein Trinkwasser besitzen, sind wertlos. Ein Wald, der einzig und allein biologische Vielfalt bietet, ist immer in Gefahr, zerstört zu werden. Dies macht es notwendig, einen Mehrwert zu schaffen, eine Voraussetzung, um nachhaltig neue Arbeitsplätze zu schaffen. Ein neu gepflanzter Wald, der Einkommen schafft sowie immediate Bedürfnisse nach Wasser und Treibstoff befriedigt, ist wertvoll. Das von Las Gaviotas entwickelte Geschäftsmodell schafft mehr soziales Kapital für die örtliche Bevölkerung als die Kapitalerträge durch Ankauf von Microsoft-Aktien über 25 Jahre. Wer ist bereit, dasselbe zu tun?
Fotos:
https://www.flickr.com/photos/cjp24/5724055328
https://www.flickr.com/photos/unitedsoybean/10479004174
https://www.flickr.com/photos/ginkgraph/4568703598
https://www.flickr.com/photos/aeruginosa/371815472
Hinterlassen Sie einen Kommentar
Wollen Sie an der Diskussion teilnehmen?Feel free to contribute!