61. Edelsteine
Der Markt
Reis ist nach Weizen das am zweitweitesten verbreitete Anbauprodukt der Welt. Die weltweite Produktion erreichte 2010 knapp 600 Millionen Tonnen, die auf 155 Millionen Hektar Land von 250 Millionen Reisbauern angebaut wurden. Im Gegensatz zu Weizen (20% Export) und Soja (35% Export) werden nur 7% des Ernteertrags von Reis international gehandelt. China und Indien sind bei weitem die größten Erzeuger, doch die gesamte Produktion wird im Land selbst verbraucht. Thailand und Vietnam sind die größten Exporteure. Der Reiskonsum pro Kopf ist mit 200 kg pro Person und Jahr in Myanmar am höchsten und in Europa mit 3 kg bzw. den USA mit 7 kg am niedrigsten. Ganze 120 000 Reisarten gibt es, somit stellt Reis die reichhaltigste Genbank aller Pflanzenarten. Leider jedoch werden nur 4 Kreuzungsvarianten angebaut, die vor allem in China entwickelt werden.
Reis ist vorrangig ein Grundnahrungsmittel; sein Ursprung kann bis auf etwa 6000 v. Chr. nachgewiesen werden. Über seine Funktion als Hauptnahrung hinaus werden Samen, Spreu und Stroh zu Öl, Wein, Kuchen, Babynahrung, Reinigungsmittel für Schmuck, Seife, Insektenvernichter, Zementzusatz, Schleifmittel, Treibstoff, Schimmelentferner, Wärmedämmung und Pilzsubstrat verarbeitet, um nur einige wenige der vielen Weiterverarbeitungsformen zu nennen. Reis enthält nicht viel Protein, aber doch die richtige Mischung an Aminosäuren, die in Kombination mit Nüssen und Sojasoße eine vollwertige Ernährung sichern. Jährlich werden schätzungsweise 140 Millionen Tonnen Reisschalen entsorgt oder verbrannt. Da immer mehr Reis produziert werden muss, steigt auch der Ertrag an Reisspreu. Wie in Beispiel 54 bereits erwähnt, kann die Reisspreu zur Herstellung von Verpackungen genutzt werden, doch sie ist ebenfalls eine erneuerbare Ressource für Siliziumdioxid (SiO2) das durch Nutzung des Überschusses an Kohlenstoff aus der selben biologischen Ressource in Siliziumkarbid (SiC) umgewandelt werden kann.
Reisspreu besteht aus Opaline, Lignin und Silizium. Lignin ist ein idealer Treibstoff, daher kann die Spreu zusammen mit Sauerstoff bei 550 Grad zu einer hochwertigen Energiequelle weiterverarbeitet werden. Siliziumkarbid schmilzt nicht, leitet hervorragend Wärme und Strom, dehnt sich bei Wärme kaum aus und ist chemisch inert. Mit jeder Tonne Rohreis werden 50 kg Siliziumkarbid erzeugt. Obwohl Siliziumkarbid in 250 verschiedenen kristallinen Formen vorkommt, ist die industrielle Standardisierung dank erhöhter Nachfrage weit fortgeschritten. Die Nachfrage stammt aus der Verteidigungsindustrie (SiC ist Rohstoff für kugelsichere Kleidung), aus der Elektronik (SiC ist die Schlüsselkomponente der Zukunft für Leiterplatten) und aus der erneuerbaren Energie (SiC wird in der Photovoltaik eingesetzt). Haupthersteller von SiC ist die Murugappa Group in Indien mit einem Umsatz von 3,4 Milliarden US-Dollar, die im Wettbewerb mit der Wacker Chemie (Deutschland) und Washington Mills (Norwegen) steht.
Die Innovation
Remi Ie, Prinzessin von Okinawa, schlug vor, Edelsteine aus Siliziumkarbid herzustellen und ließ sich von zwei Reis-Experten beraten. Tatsächlich könnte Siliziumkarbid zu farblosen, durchsichtigen Steinen verarbeitet werden, wenn die Formation der Kristalle beherrscht und Verunreinigungen beseitigt werden können. Sie erinnerte sich, dass 2010 die Perlenindustrie, ursprünglich ein teures, exklusives Produkt, bereits ein 3-Milliarden-Dollar-Geschäft war. Die Perlengewinnung ist mit dem wachsenden Goldertrag vergleichbar. Als sie die ersten SiC-Steine erhielt und Remi sie in einen Goldring fasste, stellte sie fest, dass SiC nicht nur ein weitverbreitetes Rohmaterial für die Industrie werden könnte, sondern auch die Nachfrage nach wettbewerbsfähigem Schmuck befriedigen könnte, in ähnlicher Weise, wie die Japaner (und später die Chinesen) die Verfügbarkeit von Perlen auf der ganzen Welt auf revolutionäre Weise ermöglicht hatten.
The First Cash Flow
Zur Marktdurchdringung verfolgt man am besten eine Strategie der Abschöpfung, indem der Markt der kleinen Mengen und des hohen Mehrwerts angesprochen wird. So waren Perlen anfangs nur den Reichsten vorbehalten, doch mittlerweile kann eine mittelgroße Perle zu einem Großmarktwert von nur 4 US-Dollar gekauft werden, während hochwertigere Varianten aus Tahiti etwa 30 Dollar pro Stück kosten.
Hier liegt die Chance auf der Hand: in einer kleinen Nation oder Region eine Technologie zur Produktion einzigartiger SiC-Steine zu entwickeln. Remi hat beschlossen, dass ihr Versuchsgebiet Bhutan sein soll und Teil eines breiter angelegten Programms zur Sicherung eines höheren Einkommens für Reisbauern und ländliche Gemeinden, die ein hochwertiges Produkt zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten. Im Juli 2012 soll die erste Serie in Bumthang präsentiert werden.
The Opportunity
Perlen als langsam aufgebautes Kalziumkarbonat werden nicht nur als Schmuck verwertet. Ebenso werden sie in der Medizin gemahlen und aufgrund ihrer stark basischen Eigenschaften in Kosmetik und Farben eingesetzt. Von der übermäßigen Ausbeute von Muscheln und Austern gelangt die Welt nun zu einer billigeren und stabileren Rohstofflieferung. SiC-Steine wären nicht Resultat einer Anbaumethode, die zunächst den Raubbau und die Wasserverschmutzung überwinden müssen, sondern Ergebnis eines Ressourcenreichtums mit einem Endprodukt, das aus etwa 20 Millionen Tonnen Asche aus Reisspreu gewonnen wird.
Wenn die SiC-Steine in gleicher Menge verkauft würden wie die 1500 Tonnen Zuchtperlen, die 2010 auf den Markt gebracht wurden, können höhere Erträge in ländliche Gegenden fließen, sofern die Technologie sich auf kleine Mengen mit hohem Wert in örtlicher Produktion konzentriert, die für viele Industrien wie auch die Perlen charakteristisch ist. Dies ist eins der Kernprinzipien der Blue Economy.
Perlen sind zum Luxus geworden und die Schmuckindustrie ist weltweit über 25 Milliarden US-Dollar schwer. Die eigentliche Chance liegt in der Schaffung von Kunst-, Kultur- und Schmuckzentren, da es nie möglich ist, zwei gleiche SiC-Steine herzustellen und aus scheinbaren Abfällen Schönheit erzeugt wird. Dies ist eine der größten Transformationen, die wir in unserer modernen Gesellschaft erreichen können.
Bilder: StockXCHNG
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