67. Bäume in der Wüste
Der Markt
Der Markt für gefällte Bäume wird auf weltweit 85 Milliarden Dollar geschätzt. Da eine große Menge Holz illegal geschlagen wird und sich den Statistiken entzieht, könnte der Mehrwert aus dieser Schattenwirtschaft den Wert noch auf über 100 Milliarden Dollar erhöhen. Bei Hinzuziehung von Zellstoff, Papier, Pappe und weiteren Holzprodukten können wir einen Umsatz von über 200 Milliarden Dollar errechnen. Jedes Jahr werden schätzungsweise 3-6 Milliarden Bäume in Primärwäldern gefällt. In Anpflanzungen beträgt die Baumdichte zwischen 50 000 und 100 000 Bäumen pro km2. Hauptsächlich wird diese schwer zu erneuernde Ressource für Brennholz (46%), Holzschliff für Papier und Zellstoff (immer noch ganze 43%) und als Bauholz genutzt – insgesamt 3,7 Milliarden Kubikmeter.
Ursprünglich, vor fast 2000 Jahren, bestand Papier aus einer Mischung von Maulbeerbaumborke und Hanf sowie Resten von Baumwolle und Leinen. Die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten wurde auf Hanf geschrieben. Erst 1843 stieg man auf Holzfasern um, was eine Nachfrage nach 300 Millionen Tonnen Papier auf Holzbasis nach sich zog, von denen nur 38 Prozent recycelt werden; andere Fasern wie Bambus, Kenaf und Hanf stellen nur 7 Prozent. Jeder US-Bürger verbraucht pro Jahr 340 kg Papier, entsprechend 900 Millionen Tonnen für die Gesamtbevölkerung. In den letzten 40 Jahren nahm der Papierverbrauch um 400% zu. Ein großer, ausgewachsener Baum kann zu etwa 90 000 Seiten oder 2700 Exemplaren einer 35-seitigen Zeitung verarbeitet werden.
In den USA stammen 91 Prozent des geschlagenen Holzes aus Wäldern in Privatbesitz. Die privaten Eigner pflanzen pro Tag 4 Millionen Bäume, d.h. 1,5 Milliarden pro Jahr. Durch diese Anstrengungen konnte die Waldfläche in Nordamerika über drei Jahrzehnte um 20% vergrößert werden – dies haben die Europäer nicht geschafft. Zwar sind diese Anstrengungen in den gemäßigten Zonen lobenswert, doch früher waren 14% der Erde von Regenwäldern bedeckt, inzwischen sind es nicht einmal mehr 6%. Schlimmer noch, weite Gebiete, die früher dicht bewaldet waren, sind inzwischen zu Wüsten geworden. Nur wenige Länder wie Bhutan schützen ihre Wälder. Die dort im Jahr 2008 in Kraft getretene Verfassung sieht vor, dass 60% des Landes bewaldet bleiben müssen. Momentan sind es 71%, mit steigender Tendenz.
Die Innovation
In der Baumpflanzung sind zahlreiche Innovationen eingeführt worden. Der Import fremder Arten, die gezielte Zucht von Hybridbäumen, Genmodifikation für dürreresistente und schnell wachsende Arten haben gemeinsam zu Baumpflanzungsprogrammen geführt, die unseren Appetit nach Zellstoff durch ein Anbausystem stillen, in dem Waldland wie Ackerland behandelt wird: als Boden zum Pflanzen, Großziehen und Ernten. Moderne Baumfarmen schaffen es, bereits 7 Jahre nach der Anpflanzung große Mengen Holz für die Zellstoffgewinnung zu ernten. Las Gaviotas (siehe Beispiel 6) ist das erste Projekt, in dem die Wiederaufforstung auf dem symbiotischen Zusammenspiel zwischen heimischen Bäumen und Mykorrhizapilzen basiert, wodurch 92% der Setzlinge auch in den harten Sommern überleben. Wenn auch viele dieser Anstrengungen ein großer Fortschritt sind, bleibt die größte Herausforderung, Bäume dort anzupflanzen, wo sich bereits Wüsten ausbreiten.
Pieter Hoff hat in Holland ein Exportunternehmen von Lilien und Tulpen geerbt, das sein Großvater 1923 gegründet hatte. Pieter war schon immer fasziniert davon, wie Bäume auf Felsen wachsen konnten. Überall auf der Welt kann man 50 Meter hohe Bäume sehen, die gesund, stabil und ohne Hilfe auf Felsen stehen, während nur wenige Meilen entfernt die kommerziellen Pflanzungen von Bewässerung und Düngung abhängen. Er stellte fest: Wenn wir Bäume pflanzen, graben wir entweder ein Loch, oder wir drücken einen Keil in den Boden und zerstören damit das feingliedrige Wasserführungssystem des Bodens. Schlimmer noch, wenn wir einen Baum pflanzen, hat er bereits Sekundärwurzeln entwickelt, die nicht imstande sind, steinharten, trockenen Boden zu durchwurzeln. Die Natur verfolgt einen anderen Ansatz. Ohne rohe Gewalt anzuwenden legt sie die Samen auf der Oberfläche des Bodens ab, oft werden sie von Vögeln transportiert und mit Exkrementen bedeckt. So bleibt das Kapillarsystem der Wasserleitung intakt und versorgt den Baum mit dem richtigen Mix an Nährstoffen, um trotz widriger Umstände zu wachsen.
Pieter entwickelte daraufhin einen Eimer mit zwei Löchern. Einfacher ging es nicht. Durch ein Loch wird Regenwasser eingefangen und im Innern Kondenswasser gebildet und gehalten, und das zweite Loch in der Mitte dient zum Säen oder Pflanzen des Setzlings. Sobald etwas Wasser im Eimer gefangen ist, bleibt die Temperatur niedrig und bildet ein kühles Mikroklima. Durch einen Docht tropfen 50 cl Wasser pro Tag hinein, nicht genug zum Wachsen, aber doch zuviel zum Absterben. So wird die Pflanze genötigt, Pfahlwurzeln zu bilden und selbst Wasser zu finden. Nachdem er den Prozess über drei Jahre in der Sahara getestet hatte, beschloss Pieter, seinen Familienbetrieb zu verkaufen und gründete die Firma AquaPro, die die „Groasis Waterboxx“ vertreibt. Sein Pflanzsystem basiert auf einer Box („Waterboxx“), die zehn Mal wiederverwendet werden kann und somit die Anzucht von zehn Bäumen ermöglicht. Im Jahr 2010 gewann Pieter damit den Preis des Magazins „Popular Science“.
Der erste Umsatz
Für diese Pflanzmethode muss nur die harte Erde einmal für ein kleines, 10 cm tiefes Loch aufgebrochen werden, in das der Setzling gepflanzt wird. Die Waterboxx wird darauf gestülpt. Wenn nach einem Jahr die Wurzeln tief genug sind, wird die Box einfach abgenommen und anderswo weiter genutzt. Das breite Interesse an dieser Erfindung und ihre Einfachheit ermöglichte es Pieter, einen Online-Vertrieb mit Sitz in den Niederlanden aufzubauen (AquaPro), bei dem die Waterboxxes bestellt werden können.
Dieser Open-Source-Ansatz, der keine Vorkenntnisse oder Ausbildung benötigt, ist mittlerweile in Frankreich, Spanien, Marokko, den USA (Kalifornien), Kenia, der Mongolei und Oman erfolgreich umgesetzt worden. Durchschnittlich überleben 88% der Setzlinge in der Waterboxx in einem klimatischen Umfeld, dass sonst nur eine Rate von 10% ermöglichen würde. Dies sind solide Referenzen für die Bildung von Partnerschaften für Großaufträge.
Die Chance
Pieter sieht die Pflanzung von Bäumen, den Kampf gegen die Erosion und die Umkehrung der Wüstenbildung nicht nur als Dienst an Gesellschaft und Umwelt, sondern als Chance zur Motivation von Unternehmensgründungen über ein transparentes Geschäftsmodell, dass auf einem erprobten Konzept basiert. Er bietet Geschäftsleuten in spe ein einfaches mathematisches Modell mit einer Reihe Grundvoraussetzungen an, die alle Möglichkeiten der Pflanzung von Bäumen für Ernährung, Viehfutter, Zellstoff oder Biotreibstoff aufzeigt.
Eine transparente Bilanzierung, die jedermann ermöglicht, angemessene Umsätze auf Grundflächen ohne Wert zu generieren, macht dies zum wettbewerbsfähigen Modell für Investments, in denen einzig Arbeit und Erfolgsorientierung statt hohem Startkapital benötigt werden. Dies ermöglicht nicht nur die Schaffung eines stabilen Einkommens, sondern auch Sozialkapital, sobald die Wüstenstriche grün werden und die Bevölkerung ernähren können. Der Erfolg hängt vom Geschick der Gründer ab, die das Modell umsetzen und das Risiko eingehen. Dies ist eins der Hauptmerkmale der Blue Economy.
Bilder: StockXCHNG
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