71. Pumpspeicherkraftwerke

Der Markt für Pumpspeicherung von Wasserkraft

Der Weltmarkt für Pumpspeicherkraftwerke (PSW) hat 2010 knapp über 127 GW erreicht. Wasserkraft einschließlich Pumpspeicherung ist heutzutage die am weitesten verbreitete erneuerbare Technologie zur Stromerzeugung. Wie Dampf in Kohlekraftwerken ist Pumpspeicherkraft ein Nebenprodukt der Wasserkraft. Sie nutzt den billigen Strom zu verbrauchsarmen Zeiten, um Wasser aus einem niedriger gelegenen Reservoir in größere Höhen zu pumpen. Zu Spitzenverbrauchszeiten fließt dieses Wasser durch Turbinen zur Stromproduktion. Wenngleich das Pumpen selbst Energie verbraucht, steigt doch der Umsatz durch Verkauf von Strom zu höheren Preisen in Spitzenzeiten.

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In der EU liegt die Nettokapazität bei fast 40 GW, was einem Drittel der weltweiten Kapazität sowie 5 Prozent der Kapazität zur Grundversorgung in der EU entspricht. Die EU verzeichnet die größte Aktivität im Ausbau dieser Speicherkapazitäten. Japan hat ebenfalls über die letzten Jahre investiert und liegt inzwischen bei 26 GW bzw. einem Viertel der Weltkapazität. Die USA halten 22 GW (etwa ein Fünftel), die 2,5 Prozent der nationalen Grundversorgung (1088 GW) entsprechen. Es wird erwartet, dass der Markt für Pumpspeicherung in den nächsten 4 Jahren um 60 Prozent auf 203 GW im Jahr 2014 wächst. Hierfür werden zusätzlich knapp 60 Milliarden US-Dollar an Kapital investiert.

Die Weltbank sowie die Europäische Investmentbank stellen bereits vorab Fonds für die Erweiterung von Pumpspeicherkraft aus Portugal, der Schweiz, Spanien und dem Vereinigten Königreich für Russland, Indonesien, China und Vietnam auf. Ein interessanter neuer Trend ist die Kooperation zwischen RWE, einem der führenden europäischen Energieversorger, und Deutschlands Kohlenbergwerkbetreiber RAG zur gemeinsamen Entwicklung von integrierten Windkraft- und Pumpspeichersystemen in Tagebaugebieten. Das Konzept verbindet die zeitweise vorhandene Windenergie mit Wasserkraft, die innerhalb einer Minute zur Verfügung stehen kann. Das System wird Windkraft in Momenten hoher Produktivität und niedriger Nachfrage nutzen, um Wasser 50 Meter höher auf die Abraumberge zu pumpen. Es wird voraussichtlich ab 2016 in Betrieb gehen. Mit über 40 000 installierten Anlagen ist Voith Hydro (Deutschland) Marktführer in der Lieferung von Generatoren und Turbinen. Seit letztem Jahr bekommt die Firma jedoch starke Konkurrenz durch Toshiba, Mitsubishi und Sumimoto aus Japan sowie Alstom aus Frankreich.

Die Innovation

Da erneuerbare Energie nicht ununterbrochen zur Verfügung steht, werden Speicherreserven benötigt. Traditionell werden hierfür Batterien genutzt, doch diese Lösung auf chemischem Wege ist nur im kleinen Maßstab möglich. Natrium-Schwefel-Akkumulatoren erreichen nur eine Kapazität von 200 MW. Druckluftspeicherkraftwerke als Alternative haben es schwer, sich auf dem Markt zu positionieren; weltweit sind nur zwei Anlagen in Betrieb. Ein in einem Vakuum mit extrem geringer Reibung betriebenes Schwungrad speichert Energie aus Stoffzusammensetzungen zur Lieferung von Zentripetal-kräften. Komprimierter oder verflüssigter Wasserstoff wird gespeichert, um später wieder in Energie und/oder Wärme zurückverwandelt zu werden. Somit ist die Pumpspeicherung zurzeit zwar das gebräuchlichste System, ihre Nachteile jedoch der negative Umwelteinfluss und die Genehmigungsverfahren, die im Durchschnitt zehn Jahre dauern.

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James Fiske, Spezialist in Magnetschwebetechnik, hat 1978 sein Studium im Elektroingenieurwesen und Informatik am Massachusetts Institute of Technology abgeschlossen. Er arbeitete für Hughes Aircraft an Signalverarbeitungssystemen und war maßgeblich am Bau eines Mini-Supercomputers sowie der Entwicklung von wegbereitender computergestützter Software für das Ingenieurwesen beteiligt. Er besitzt sechs Patente. Als er an der Entwicklung einer neuartigen Transportart für Frachten auf Basis der Magnetschwebetechnik arbeitete, wurde er auf die Nutzung der Schwerkraft als netzgestütztes Stromspeichersystem aufmerksam. Er betrachtete die Pumpspeichertechnik und beschloss, diese bewährte Technologie auf einen neuen Weg zu bringen, nämlich abwärts. Er bemerkte, dass die beiden großen Reservoirs und die Umweltschädigung überwunden werden könnten, indem unterirdisch ein Schwerkraftmodul installiert wird. Dieses modulare System hinterlässt nur einen kleinen ökologischen Fußabdruck und kann fast überall eingesetzt werden, wo Energiespeicherung benötigt wird. James gründete Gravity Power als Spinoff der LaunchPoint Technologies, für die er als Vizepräsident im Prozessingenieurwesen arbeitet.

Der erste Umsatz

James bemerkte, dass wir uns nicht nur auf das Einfangen der Sonnen-, Wind- und Wellenkraft konzentrieren sollten, sondern die Möglichkeit haben, sie über viele Stunden nach Sonnenuntergang oder Abflauen des Windes zu speichern. Er errechnete die gesamten Kapitalkosten pro KW und stellte fest, dass Batterien zwischen 1750 und 3640 Dollar pro KW liegen, während PSH höchstens 1500 Dollar erreicht – also vergleichbar ist mit den billigsten Batterien, jedoch mehr als doppelt so viele Stunden lang Strom speichern kann (10 Stunden). Aus breit angelegten computergestützten Modellen und Simulationen schloss James, dass eine Anlage zur Speicherung von 2 GW weniger als 2 Hektar Fläche benötigt. Da die Technologie auf einem tiefen Schacht basiert, der mit Wasser gefüllt und durch Beton gestützt wird, ist sie auch erdbebensicher.

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Das Schwerkraftmodul ist eine vertikale Säule, die einige hundert Meter tief in die Erde gebohrt und mit Wasser gefüllt wird. Ein riesiger Kolben aus Beton- und Eisenerzscheiben für hohe Dichte und niedrige Kosten drückt auf die Wassersäule, die durch gleitende Dichtungen gesichert werden, um Energie zu speichern. Zur Entladung der Energie über ein Rücklaufrohr werden sie abgesenkt. Solange Energie im Überfluss vorhanden ist, wird Wasser hinabgepumpt; Gewicht und Wassersäule werden angehoben. Bei Bedarf drückt das Gewicht das Wasser durch eine Turbine, die Strom produziert. In einem einzigen Schacht könnten mehr als 50 MW Energie über vier Stunden gespeichert werden, entsprechend sind dies 200 MWh gespeicherter Strom. Gravity Power kooperiert mit Robbins Co., dem Erfinder des Erdbohrers, um ihre Technologie so anzupassen, dass sie innerhalb von 24 Stunden 100 Meter tief graben kann. Durch Geschwindigkeit, niedrige Kosten und Bau aus vorhandenen und billigen Materialien können die zu erwartenden Investitionskosten um mindestens die Hälfte gesenkt werden, und die Zeit zwischen Beschluss und Inbetriebnahme liegt bei wenigen Jahren anstatt einem Jahrzehnt. Die erste Anlage ging 2011 in Texas in Betrieb.

Die Chance

Die Einführung erneuerbarer Energien macht Energiespeicherung im Maßstab zur Anlage notwendig, also in riesigen Dimensionen. Daher liegt eine der Chancen in der Nutzung bereits vorhandener Schächte, die in den letzten Jahrhunderten bereits zu Tausenden von Bergwerksbetrieben in aller Welt gegraben wurden.

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Das Projekt MineWater in Heerlen (Niederlande) nutzt bereits die Temperaturdifferenz tiefer Förderschächte zur Kühlung und Heizung von Wohngebieten. Jetzt würde man aber nicht nur die Wärme nutzen, wie es sich im holländischen Fall bereits bewährt hat, sondern das Vorhandensein von Wasser. Es werden die idealen Schächte gesucht, Dichtungen gebaut und das reichlich vorhandene Wasser in den verlassenen Minen genutzt, das in PSWs sonst häufig herausgepumpt werden muss. In einem Land wie Südafrika rund um Johannesburg, in dem Millionen Liter Wasser aus Bergwerken gepumpt und hierfür 25 Prozent des Gesamtverbrauchs an Energie benötigt werden, könnte die bahnbrechende Technik von James und seinem Team dauerhaft Strom liefern. Erst jetzt entdecken die Betreiber der bis zu 4000 Meter tiefen Minen dieses enorme Potenzial.

Bilder: StockXCHNG

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