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Der Markt für Druckerzeugnisse
Der Weltmarkt für den Drucksektor erreicht im Jahr 2014 erwartungsgemäß 724 Milliarden US-Dollar. Bis dahin wird Asien Marktführer vor Nordamerika sein, das immer noch einen Anteil von 31 Prozent hält. Der aufstrebende Kontinent wird in drei Jahren bei 35 Prozent des Marktes liegen. Der US-Markt wird in den nächsten 5 Jahren von 198 auf 186 Milliarden Dollar schrumpfen, ebenso Japan, Großbritannien, Deutschland und Frankreich. Andererseits wird der Markt für Druckerzeugnisse in China bis 2014 von 59 auf 98 Milliarden Dollar steigen und damit entscheidend dafür sein, dass dieser Markt auf globaler Ebene überhaupt noch wächst. Einzige weitere Ausnahme vom globalen Trend weg von Druckerzeugnissen hin zu elektronischen Dokumenten ist Indien, das von 16 auf 23 Milliarden Dollar wachsen wird; Brasilien schafft es noch von 15,5 auf 20,5 Milliarden.
Der globale Markt für Druckerzeugnisse wird von kommerziellen Materialien dominiert, vor allem Werbung und Vertrieb. Dieser Markt stellt fast die Hälfte des Werts weltweit, doch er schrumpft aufgrund des starken Trends hin zu digitalen Medien. Hingegen stellen bedruckte Verpackungen fast 30 Prozent des Umsatzes, mit wachsender Tendenz sogar in Nordamerika und Europa. Zeitungen stellen nur einen Anteil von 5,5 Prozent; die Verkäufe sinken rapide, ebenso die Umsätze von Copyshops und Schnelldruckern, die das unternehmerische Leben der 1980er- und 1990er-Jahre auf lokaler Ebene beflügelt haben. Während Zeitungen auf breiter Ebene recycelt werden und hier einen Rekord von 63 Prozent aufgestellt haben, liegt die Rückgewinnung von Verpackungsmaterial weit zurück. Beispielsweise werden nur 20 Prozent der 150 Milliarden Getränkeverpackungen von Tetra Pak recycelt. Der Rest einschließlich des Polyethylens von geringer Dichte und hochwertigen Aluminiums landet zusammen mit den Farben und Überzügen auf der Müllhalde.
Auf dem Weltmarkt für Druckertinten werden 3,7 Tonnen zu einem Wert von 16,4 Milliarden Dollar für 2015 vorausgesagt. Der stärkste Wachstumsimpuls geht hier von den Verpackungen aus, da die Marketingexperten immer leuchtendere Bilder verlangen. Während Europa nur die drittstärkste Region für bedrucktes Papier ist, besitzt sie den höchsten Marktanteil für Tinten, doch die USA dominieren bezüglich des Geldwerts. Für 2015 wird erwartet, dass Europa als größter Markt für Tinten auf allen Ebenen hervorgeht. Unter anderem resultiert dies aus den strengen Umweltgesetzen, die die europäischen Regierungen aufstellen und sich so von den billigen Tinten aus den Schwellenregionen abheben. Europa verlangt zudem von der Industrie, ihre Umwelteinwirkungen durch Entsorgung von Tinten zu senken. Unter anderem hat diese Maßnahme das Interesse an pflanzlichen Ölen statt erdölbasierten Produkten gefördert, trotz höherer Kosten. Jedoch ist für viele Tinten auf (genmanipulierter) Sojabasis weiterhin ein Erdölanteil erlaubt und wahrscheinlich auch enthalten, egal was das Etikett verheißt.
Die Innovation
Papier und Tinte enthalten immer noch Schwermetalle wie Zink und Kupfer, wenn auch in deutlich geringerem Maße als früher. Die Tagespresse (auch im Farbdruck) sowie bedruckte Pappkartons werden als so sicher eingestuft, dass sie auch im Gemüsegarten kompostiert werden können. Metalloxide sind vor allem in Zusatzstoffen für Hochglanz, Schimmer, Magazine, farbige Werbung und leuchtende Verpackungen enthalten. Noch schlimmer ist, dass diese Art von Druckerzeugnissen oft mit Plastik überzogen sind, um die „Entfärbung“ vor oder während des Gebrauchs zu verhindern. Dies macht die Wiederverwendung schwieriger, da die Entfernung der Tinte aus den Fasern zeitraubender ist und zusätzliche Chemikalien eingesetzt werden müssen. Wenn auch mit relativ viel Erfolg recycelt wird und so schon Millionen von Bäumen am Leben bleiben durften, ist es doch schwierig für die Industrie, mit den recycelten Fasern und der rückgewonnenen Tinte neuen Mehrwert zu generieren. Für die Weiternutzung der Fasern in neuen Märkten gibt es bisher nur Nischen wie die Lärmdämmung, wo kürzere Fasern und billige Preise nachgefragt werden.
Pamela Salazar Ocampo schloss 1999 ihr Studium als Industriedesigner an der Unabhängigen Universität Manizales (Kolumbien) ab. Sie entwickelte ein Geschenk an die Bambusarchitektur und dokumentierte zusammen mit ihrer Schwester Carolina ausführlich die Bautechnik, die Simon Vélez für die Errichtung des ZERI-Pavillons angewandt hatte, zunächst für das Recinto de Pensamiento des Komitees des kolumbianischen Kaffeeverbands, dann für die Weltausstellung in Hannover. Durch die Zeichnungen von Pamela und Carolina konnte der Bambusbau zum ersten Mal in Deutschland genehmigt werden. Während der Arbeit als Grafikerin und Koordinatorin für visuelle Kommunikation am ZERI-Bambuspavillon auf der Expo stand Pamela vor der Aufgabe, Kurzgeschichten über die Philosophie der Null-Emissionen druckkostengünstig zu produzieren. Sie informierte sich über die Prozesse in Druck, Papier und Tintenherstellung und stellte dabei fest, dass große Druckerpressen immer auf einem Kontrollstreifen die Qualität und Kombination der Farben überprüfen. Dann strukturierte sie die Grafik um, damit sämtliches Papier einschließlich Schnitträndern und der Farbe auf den Kontrollstreifen genutzt werden könnte, und produzierte so ihre Hefte. Durch geringe Änderungen an den Grafiken auf dem Blatt können die Kindergeschichten so angepasst werden, dass nur noch für das Falten und Heften Kosten anfallen. So können die Hefte zu einem Preis von weniger als einem Cent pro Exemplar für alle Kinder erschwinglich werden.
Der erste Umsatz
Die Fabel „Der stärkste Baum“ des Autors von „The Blue Economy“ wurde in 27 Sprachen übersetzt und über eine Million Exemplare gratis gedruckt, indem Papier und Tinte aus den Druckereien genutzt wurde, die das Informationsmaterial für die Besucher der Expo gedruckt hatten.
Die Papierstreifen, die gewöhnlich abgeschnitten und recycelt werden, wurden nun aufgewertet als Geschenke für Kinder, die umsonst verteilt wurden. Es wurde als Symbol genutzt, um Aufmerksamkeit zu gewinnen, und sogar zur Einwerbung von Geldmitteln, da Eltern und Freunde, die sie erhielten, zu freiwilligen Spenden ermutigt wurden. Nutze, was du hast; schaffe mehr Wert aus etwas, das als Abfall gilt; schaffe sozialen Nutzen: dies sind Schlüsselprinzipien der Blue Economy. Die Grafik der Fabeln ist wahrscheinlich eine der ersten praktischen Erfahrungen und konkreten Initiativen, die im Geist der Innovation zur Schaffung neuer Geschäftsmodelle entstanden sind.
Die Chance
Die Verwertung der Kontrollstreifen hatte jahrelang die Grafikdesigner vor Rätsel gestellt. Solange man bei den traditionellen Formaten für Jahresberichte bleibt, würde der Kontrollstreifen als zu schmal gelten. Doch wenn die Grafik die Streifen einbezieht und den für sie verfügbaren Raum sogar noch vergrößert, indem der Jahresbericht der Bank oder die Wartungsanleitung für den Maschinenlieferer an jeder Seite um ein paar Millimeter verkleinert wird, dann entsteht genügend Platz für ein kleines Heft. Vor Kurzem hat die Regierung der Balearen mit der örtlichen Industriedruckerei vereinbart, die Verteilung von 36 Fabeln an 92000 Kinder von 3-10 Jahren über die Nutzung der von Pamela entworfenen Technik zu sichern, insgesamt 3,3 Millionen kostenfreie Exemplare.
Die Regierungen müssen immer mehr Ausgaben streichen. Überall geraten die Budgets unter Druck, so auch der Bildungsetat. Doch dieser simple Ansatz des „kostenfreien Druckens“ von Kindergeschichten überwindet die Hindernisse, die gewöhnlich aus Kürzungen öffentlicher Gelder resultieren, vor allem in einem finanziell klammen Land wie Spanien. Es wird erwartet, dass das Beispiel der Balearen auf weitere Nationen übertragen wird, in denen Innovationen auf dem Bildungssektor stark nachgefragt werden, Internet und Tablets nicht allen zur Verfügung stehen und so die traditionelle Form der Kommunikation Millionen Kinder auf der Welt inspirieren kann. Zwar könnte die Zahl der gedruckten und verteilten Exemplare in den letzten 10 Jahren schon auf über 100 Millionen gestiegen sein, doch dies ist wenig im Vergleich zum weltweiten Potenzial. Wenn die großen Kommunikationskonzerne, die Druckerzeugnisse herstellen, vom Recycling zum Upcycling übergehen würden, indem sie ein durchdachtes Grafikdesign anwenden, dann könnte eine Milliarde Kinder diese simplen Kommunikationsmittel erhalten. Natürlich wäre hierzu eine neue Generation von Unternehmern und Grafikdesignern nötig.
Bilder: Stock.XCHNG
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