78 Fitness-Schuhe

Dieser Artikel stellt einen Schuh vor, der wie ein Fitness-Studio wirkt; eine von 100 Innovationen im Rahmen von „The Blue Economy”. Dies ist Teil einer breit angelegten Bewegung für mehr Unternehmertum, Wettbewerb und Arbeitsplätze.

 

Der Markt

Der Weltmarkt für Fitnesscenter sowie Gesundheits- und Fitnessclubs wird auf bis über 100 Milliarden US-Dollar beziffert. Der größte und vielleicht ausgereifteste Markt mit Erträgen von schätzungsweise 25 Milliarden Dollar für 2011 sind die USA, für die auch ein jährliches Wachstum von 2,6 Prozent über die nächsten 5 Jahre vorhergesagt wird. Auf diesem Sektor arbeiten 30 000 Firmen mit 550 000 Beschäftigten und 43 Millionen Mitgliedern. Dies bedeutet, dass über 13% der Amerikaner Mitglied in einem Fitnesscenter, Gesundheits- oder Fitnessclub sind. Die sportbegeisterte Nation Australien zählt 1500 Betriebe und 3 Milliarden Dollar Erträge in dieser modernen Freizeitaktivität, mit fast 40 000 Angestellten. Somit liegen sie beim Dreifachen der britischen Zahlen, obwohl in Großbritannien doppelt so viele Menschen leben. Trotz der bereits etwa 1,8 Millionen australischen Mitglieder von Fitnesscentern und –clubs (8,5% der Gesamtbevölkerung) ist der Markt noch lange nicht gesättigt. Daher wird erwartet, dass die Erträge der Center „Down Under“ noch weiter um jährlich 13 Prozent steigen und damit alle Trends weltweit übertreffen. Auch während der letzten wirtschaftlichen Rückgänge blieb das Wachstum auf diesem Sektor stabil. Dies spiegelt sich im Wachstum des Weltmarkts für Trainings- und Fitnessgeräte, für den im Jahr 2015 über 10,5 Milliarden Dollar erwartet werden.

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Die Center und Clubs sind lokale Betriebe, und es gibt keine Großfirmen in dieser Industrie, die einen Marktanteil von mehr als 5% halten. Einer der Gründe für ein Fehlen von Standards und Marktbeherrschung ist die Vielfalt dieses Geschäfts, die von Tennisclubs über Eissport- und Schwimmhallen über Sportplätze, Spas, Bodybuilding bis hin zu Fitness- und Tanzclubs geht. Der globale Umsatz ist beeindruckend und wächst weiter, und dem Markt ist die weitere Durchdringung urbaner Zonen sicher. Die wachsende Sorge der Bevölkerung bezüglich Übergewicht und Abnehmen sowie der Wunsch nach Teilnahme in Sportvereinen hat zur Gründung einiger weniger Firmen wie Gold Gym’s International geführt, einer Kette mit über 600 Centern in den USA und weiteren 30 Ländern, gegründet 1965 in Venice (Kalifornien). Gold’s Gym ist der weltgrößte Konzern mit über 3 Millionen Mitgliedern. Fitness First und die Ardent Leisure Group in Australien überschatten zunehmend die traditionellen Marktführer wie den Melbourne Cricket Club.

Die Innovation

In den Fitnesscentern werden zunehmend Themen der Gesundheit und Ernährung angesprochen und Geräte zur Messung und Stimulierung von Herz und Kreislauf sowie Programme zur Gewichtsreduktion eingeführt. Einige kombinieren physische Stärke mit innerer psychischer Kraft und Selbstvertrauen. Gleichzeitig laufen Forschungsprogramme an, die das massenweise Laufen, Gehen und Gewichtheben in eine Quelle für erneuerbare Energie umwandeln. Alle Mitglieder von Gold’s Gym laufen zusammen 23 Mal um die Welt, radeln 750 Mal quer durch die Vereinigten Staaten und heben mehr Gewicht, als es Gold in Fort Knox gibt. Zur Zeit kommen die meisten mit dem Auto zum Fitnesscenter, und die genutzten Maschinen verbrauchen Energie, anstatt sie selbst zu erzeugen. Auf der anderen Seite bleibt die Frage: Was können Menschen tun, die nicht Clubmitglieder sind?

Die auf dem Land geborene Marcia Kilgore zog von der Provinz Saskatchewan (Kanada) nach New York, um an der Columbia University zu studieren. Zwar schaffte sie den Abschluss nicht, doch sie bildete sich autodidaktisch zur Schönheitstherapeutin aus. Zunächst behandelte sie erfolgreich ihr eigenes Akneproblem und im Alter von 31 Jahren gründete sie Bliss, im Jahr 1996, ein Spa-Konzept, in dem Behandlungen zusammen mit Popmusik, Brownies und Wein angeboten wurden. Nachdem sie das Unternehmen an die französische Modefirma LVMH verkauft hatte, zog Marcia nach London und begann, ihre eigenen Kosmetika und Körperpflegeprodukte unter der Marke Soap & Glory herzustellen. Während sie in einem Seminar saß und eher Lust hatte, zum Sport zu gehen, überlegte sie, wie man Schuhe entwickeln könnte, die die Füße und Beine beim einfachen Gehen trainieren. Sie schuf eine Mittelsohle, die wie ein Stoßdämpfer wirkt, und kombinierte sie mit einer gewölbten Innensohle, die den Fuß etwas anhebt. Dieses „Microwobbleboard“ ließ sie patentieren und an der South Bank University in London in einer Serie von Sandalen-Prototypen testen.

Der die Muskeln aktivierende Schuh verlängert mit jedem Schritt die Zeit der Aktivität der beteiligten Muskeln. Ein hochfester Absatz absorbiert bis zu 22% des Stoßes auf die Unterschenkel und schont die Gelenke, eine weiche Mittelzone schafft Instabilität, die die Unterschenkelmuskel um bis zu 11% stärker aktiviert. Die Zehenkappe enthält ein mittelfestes Material, mit dem Geschwindigkeit und Schrittlänge erhalten und die Stabilität verbessert werden. So werden Gesäß- und hinterer Oberschenkelmuskel um 30% stärker aktiviert und stimuliert und insgesamt um 25% stärker belastet; dabei wird Mode mit Funktionalität und Training kombiniert. Vielerlei Nutzen ist eins der Kernprinzipien in der Blue Economy, und selten sieht man ein einfaches Konsumprodukt mit einem so breiten Wirkungsgrad. Im Jahr 2006 gründete Marcia ihre Firma unter dem Markennamen Fitflop.

Der erste Umsatz

Als dieses Schuhdesign in den Medien erwähnt wurde, verzeichnete die Website von Fitflop 55 000 Klicks, dabei enthielt sie nur eine Ideensammlung, da der Schuh noch nicht fertig war. Motiviert durch das große Interesse und ohne Businessplan wurde Marcia aktiv und bestellte 15 000 Schuhe für Europa und 15 000 für die USA. Sie wurden sofort zum Verkaufsschlager und die erste Charge war im Nu ausverkauft.

Die Idee zu Schuhen, die dem Körper und der Gesundheit dienen, wurde von der breiten Öffentlichkeit klar verstanden und entsprach demnach einer unterschwelligen Nachfrage von Männern und Frauen. Allzu oft sind Modeschuhe eine wahre Folter für die Füße; gesunde Schuhe wie die von Dr. Scholl vor fast einem Jahr erfundenen hingegen korrigieren zwar die Schwäche im Mittelfuß, sehen aber schwer und klobig aus. Solche Schuhe lassen sich kaum mit eleganter Kleidung kombinieren. In nur wenigen Jahren stiegen die Verkäufe von zehntausend bis auf zehn Millionen (2011). Der Bruttoertrag für Fitflop-Schuhe lag 2010 bei 125 Millionen Dollar. Was könnte noch geschehen, wenn dieses Schuhkonzept auch noch mit dem von Guillem Ferrer (Case 63) kombiniert würde?

Die Chance

Das Geschäft steht gerade erst am Anfang seiner Expansion, und obwohl Marcia nie im Sinn hatte, den Gesundheitsclubs Konkurrenz zu machen, setzt sie neue Akzente für Verbrauchsgüter. In 5 Jahren hat sich ihr Geschäft auf über 50 Länder ausgedehnt. Doch die Möglichkeit zu zusätzlichem Training beim Gehen oder auch beim Tanzen am Strand könnte noch ausgeweitet werden auf Beintraining für Fahrradfahrer, Bergsteiger oder Marathonläufer. Mit einem Preisspektrum von 50 bis 250 Dollar erreicht Marcia ein breites Publikum. Als nächsten Schritt beschloss Marcia die Integration des kulturellen Aspekts mit der „Manyano Sandal“, einem Sommerslipper mit Perlenapplikationen, die Frauen der Wola-Nani-Kooperative in Kapstadt herstellen. Innovativ ist hier das Angebot eines Kultursymbols, das gleichzeitig durch die amerikanische Gesellschaft für Fußgesundheit zertifiziert ist. Die Kombination von Kunst und Mode hat sich schon lange bewährt, doch die Erweiterung um den Aspekt von Fitness und Gesundheit macht sie zu einem neuen Geschäftsmodell. Genau darum geht es in der Blue Economy.

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Bilder: Stock.XCHNG
https://www.flickr.com/photos/unephotos/6497104445

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