8. Farbe ohne Pigmente
Weniger giftig, energiesparend, reduziert Bergbau und schafft neue Industrien
Der Markt
Der Weltmarkt für Farbpigmente und Färbungen wird gegenwärtig auf 20 Milliarden US-Dollar geschätzt. China ist nunmehr weltgrößter Hersteller. Der größte Abnehmer ist die Textilindustrie, während die Nachfrage vor allem bei Druckertinten steigt, da in jedem Haushalt mittlerweile Farbdrucker angeschafft werden. Marktführer wie Clarian, Dainippon, Ciba Specialty Chemicals und BASF bieten mehr als 5000 Sorten Farbe für die verschiedensten Produkte an: Lebensmittel, Papier, Plastikmaterialien, Malfarben, Kosmetik, Stifte, Seifen und Keramik.
Titandioxid ist das am meisten verkaufte Pigment und als Weißfarbstoff weltweit am weitesten verbreitet. Der Stoff wird entweder mit Schwefelsäure oder Chlor hergestellt. Das Titan selbst wird im Bergbau gewonnen und bei Temperaturen über 2000°C verarbeitet. Die Hersteller stehen vor einer weiteren Herausforderung: der Müllentsorgung. Jede Tonne Pigment verursacht vier bis zwölf Tonnen Abfälle einschließlich des giftigen Eisenclorids. Die Industrie musste die Herstellungsformeln und -methoden bereits stark modifizieren, da die Regierungen begannen, giftige Farbpigmente auf Blei- und Kadmiumbasis zu verbieten und strikter wurden in der Forderung von finalen Müllentsorgungsverfahren.
Die Verbraucher von Farbstoffen mussten sich den neuen Regulierungen anpassen. Die berühmte gelbe Pennzoil-Flasche war auf Bleibasis hergestellt. Während dieser hellgelbe Farbstoff 1,00 bis 1,50 US-Dollar das Pfund kostete, liegt die organische Alternative bei 30 Dollar pro Pfund. So wurde das giftige Gelb nach und nach durch einen neuen, weniger intensiven und ungiftigeren Stoff ersetzt. Caterpillar, der Hersteller von schwerem Gerät, der weltweit auf den Straßen für seine gelben Bagger bekannt ist, hat seine Firmenfarbe ebenfalls auf ein weniger intensives Gelb umgestellt, nachdem die Preise für Farbpigmente bedingt duch gesetzliche Auflagen dramatisch angestiegen waren. Gleichzeitig entstanden neue, weniger kostensensible Märkte, insbesondere auf dem Gebiet von Druckertinten. Dem Magazin PC World zufolge ist eine Viertelunze Tinte in einer Farbpatrone ihrem Gewicht nach teurer als importierter russischer Kaviar. So überrascht es nicht, dass Drucker fast geschenkt angeboten werden, um Kunden den Bezug von Farbe bei einem exklusiven Anbieter aufzuzwingen.
Die Innovation
Blaue und grüne Schmetterlinge, goldene und weiße Käfer sowie Pfauen haben Farben, die ohne jegliche Pigmente auskommen. Ihre Pracht erreichen sie durch völlig blei- und kadmiumfreie optische Effekte ohne Abfälle zu verursachen. Der Farbeffekt ist in biologisch abbaubaren Materialien, meist Chitin, Keratin oder Aminosäuren, eingekapselt. Der große Durchbruch gelang Prof. Andrew Parker (Natural History Museum, London, und Oxford University) durch die Beobachtung, dass Tiere nicht nur ein einziges Ziel verfolgen: Oberfläche und Farbe haben mehrere Funktionen. Parker fand heraus, dass der Schwarze Namibische Käfer in der Wüste einen niedrigen Taupunkt sichert und gleichzeitig das Eintreten der Hitze des Wüstensandes verhindert, obwohl er schwarz ist.
Parker erforscht die vielfältigen Vorteile, die erreicht werden können, einschließlich des Schutzes gegen ultraviolette Strahlung, Hitzeableitung sowie Absorption oder auch Schutz vor Wasser. Während in der Industrie jede dieser Funktionen gewöhnlich durch eine separate Formel erreicht wird, sieht Parker die wirkungsvolle Kombination, die zu einer Farbstruktur werden kann, die vielleicht in sich teurer ist als ein Farbpigment, für Endkunden jedoch billiger wird dank einer Bandbreite von zusätzlichen Funktionen, die sonst jeweils weitere Produkte erfordern würden, die in der Summe den Verbraucher teurer zu stehen kommen.
Parkers Entwürfe sind grundverschieden von der nanotechnologischen Innovation, die 2004 durch die japanische Chemiegruppe Teijin vorgestellt wurde, die die Herstellung von pigment- und Farbstofffreien Synthetikstoffen mit dem Markennamen Morphotex® eingeleitet haben. Teijin nutzt die Formel des Morpho-Schmetterlings aus den Regenwäldern Lateinamerikas, der ohne jedes Pigment kobaltblau schimmert. Teijin beschichtet Polyester mit Nylon, um rote, grüne, blaue und violette Farben zu erzeugen. Die Produktion ist noch auf 10-20 Tonnen pro Monat beschränkt, eine winzige Menge bei allem chemischen Standard, und der Verkauf beschränkt sich auf Hochzeitskleider und traditionelle japanische Komonos, bei denen der Schimmereffekt sehr beliebt ist.
Erster Umsatz
Parker setzte seine Erkenntnisse in vielfältiger Weise um, z.B. der Kreation einer neuen “Hologramm”-Technologie, die noch geheim ist, um sie vor Nachahmern zu schützen. Darüber hinaus gründete er eine Prozessentwicklungsfirma. Um die kommerzielle Verwertbarkeit auf vielen Sektoren zu beweisen, entwirft Parker Produktionsmethoden für Kristallglas, die Dekorationsfiguren wie Vögeln, die dann noch “echter” glitzern, da der Farbeffekt dann von den Vögeln selbst stammt. Zwar ist dies ein eher kleiner Markt, doch erlaubt er, einen Eindruck von der Vielseitigkeit der Technik zu erhalten.
Die Chance
Es gibt ein breites Feld von Einsatzmöglichkeiten auf praktisch allen wirtschaftlichen Sektoren. Eins der vielversprechendsten Felder ist möglicherweise der “Metallic-Effekt” in Kosmetika. InterCos, der führende Produzent von Kosmetikfarben, stellt pro Jahr 8000 verschiedene Farbvarianten für seine Kunden her. Da Kosmetika nicht so dauerhaft wie Autolacke halten müssen, ist die Industrie hier viel offener für die grundsätzlichen Neuerungen Parkers, die über die Farbe hinausgehen: die Vermarktung von weiteren Funktionen, die von der Struktur der Farbe in der Natur ausgehen.
Die Motivation, diese zusätzlichen Neuerungen auf den Markt zu bringen, liegt bei den Herstellern von Polymeren, die den Wasserverbrauch bei der Produktion von Kosmetika optimieren könnten. Da die von Parker entwickelten Metallic-Effekte ein Polymer benötigen, z.B. ein Silikat oder ein Kristallsubstrat, könnten Hersteller von erneuerbaren Kunststoffen höherwertig produzieren, indem sie neuartige Plastikmaterialien mit Farbeffekten herstellen. Erneuerbare Kunststoffe wurden bisher mit dem Ziel der Kostensenkung und Massenherstellung entwickelt, wie im Fall von Plastiktüten und Trinkbechern, die im ruinösen Wettbewerb stehen und oft nur vorausschauende Kunden finden, die mehr bezahlen, um weniger die Umwelt zu belasten.
Die Kombination von Kunststoffen aus erneuerbaren Ressourcen (Land- und Forstwirtschaft sowie Lebensmittelabfällen) mit Innovationen in der Färbung ohne Pigmente oder Farbstoffe könnte Gewinne bringen und weiter in den Markt eindringen. Jetzt, wo die Chemieindustrie von der Petrochemie zur Bio-Raffinerie übergeht, könnten neue Unternehmen wie Novamont in Italien (Biokunststoffe) oder Domsjö in Schweden (Ethanol auf Holzbasis) Pioniere auf dem Gebiet der Industriefusionen werden, indem sie die Innovationen von Parker auf Produkte anwenden, die unsere Autos, Heim oder Büro verschönern. Was als nächstes gebraucht wird, sind Unternehmer, die Nischen schaffen und Märkte erobern.
Fotos: Stock.XCHNG
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