92 Kathoden auf Holzbasis

Dieser Artikel stellt Kathoden auf Holzbasis für Batterien vor, eine von 100 Innovationen im Rahmen von „The Blue Economy”. Dies ist Teil einer breit angelegten Bewegung für mehr Unternehmertum, Wettbewerb und Arbeitsplätze

Der Markt

Der Weltmarkt für Materialien zur Herstellung von Kathoden wurde für 2011 auf 59.470 Tonnen mit einem Gesamtverkaufswert von 600 Millionen US-Dollar berechnet. Die Nachfrage nach Lithium ist pro Jahr um 30 Prozent gestiegen und es wird erwartet, dass sie im gleichen Maße weiter steigt. In Folge dessen stiegen die Preise für Lithium um das Zehnfache, von einem Dollar pro Kilogramm im Jahr 2005 auf 10.000 Dollar pro Tonne. Da die Anzahl der Elektrofahrzeuge erwarteter Maßen auf 500.000 Stück im Jahr 2015 steigen wird, muss die Stromversorgung aus Batterien ebenfalls bis auf 15 Milliarden kWh/Jahr steigen. So gerät der Rohstoffmarkt massiv unter Druck. Für eine kleine, herkömmliche Lithiumbatterie mit 5 kWh Leistung für einen Kleinwagen werden 300 Gramm Lithium pro Kilowattstunde Speicherkapazität benötigt. Ein Geländewagen der Marke SUV hingegen würde 3 Kilogramm reinen Lithiums pro Batterie benötigen.

c92_batteries_from_wood_01

Aufgrund seiner hohen Energiedichte setzt man in aller Welt auf Lithium als Metall für sämtliche mobilen Geräte. Den größten Markt stellen Laptops und die meisten Mobiltelefone, trotz höherer Kosten. Neu ist das Wachstum auf dem Markt für Mobilität und Transport. Lateinamerika kontrolliert etwa 80 Prozent des Weltmarkts für Lithium, vor allem Chile (3 Millionen Tonnen), Argentinien (2 Millionen Tonnen), Bolivien (5,4 Millionen Tonnen) und Brasilien (unter 1 Million Tonnen). China liegt an vierter Stelle mit 1,1 Millionen Tonnen. Wenn auf der ganzen Welt die Antriebsmotoren von Erdöl auf Lithium umgestellt würde, würde Südamerika der neue Nahe Osten und Bolivien mit seinen Uyuni-Salzseen – ein einzigartiges, uraltes Ökosystem – könnte reicher und politisch mächtiger als Saudi-Arabien werden. Die USA, Europa und Japan hingen einmal mehr von auswärtigen Rohstoffquellen ab, während China dank eigener Reserven zumindest den eigenen Bedarf stillen könnte.

Der größte Lithiumhersteller ist SQM in Chile, mit einer jährlichen Produktion von 27.000 Tonnen pro Jahr. Stärkster Konkurrent vor Ort ist SCL (unter der Leitung der deutschen Gruppe Chemetall) mit jährlich 14.000 Tonnen. FMC Lithium in Argentinien steht im Wettbewerb mit Admiralty Resources aus Australien und Sterling Resources aus China. Der größte Teil der geförderten Lithiummenge wird künftig aus Salzseen stammen, die in 3000 Meter Höhe liegen. Dort muss der Bergbau umweltgerecht unter strengen Witterungsbedingungen stattfinden, womit weitere wertvolle Ressourcen riskiert werden. Das völlige Fehlen von Infrastruktur sowie die strengen Regeln für Investitionen in Bolivien und Argentinien schränken die herkömmlichen Investmentprogramme multinationaler Unternehmen ein.

Die Innovation

Von der heutigen Automobilflotte von einer Milliarde Fahrzeugen werden jährlich 60 Millionen ersetzt. Treten an ihre Stelle Hybridautos, Plug-in-Hybrids oder Elektrofahrzeuge mit Batteriebetrieb, dann wird klar, dass die Erdkruste nicht genügend Lithium enthält, um alle Elektromobile mit Lithiumbatterien auszustatten. Schlimmer noch, ein solcher Wandel hätte zur Folge, dass die Lithiumvorkommen schneller erschöpft wären als die Erdölvorkommen durch den derzeitigen Verbrauch. Daher kann der Wechsel von einer nicht nachhaltigen Ressource zu einer anderen keine Lösung für die Suche nach Treibstoff für die Mobilität bieten; auch wäre fraglich, ob die CO2-Bilanz sich angesichts der massiven Bergbau- und Verarbeitungsaktivitäten verbessern würde. Alternative Batterietechnologien wie ZnAir und NaNiCl sind zwar weniger knappe Ressourcen, bieten aber nicht genug Leistung für die Industrie.

Grzegorz Milczarek stammt aus Gostynin bei Warschau. Seine Leidenschaft für Naturwissenschaften, vor allem Chemie, wurde bereits im Grundschulalter geweckt. Er liebte es, mit Bolzengewehren und Knallfröschen zu spielen, und interessierte sich für die Kräfte, die diese Knallgeräusche erzeugten. Sein Interesse für Sprengstoffe brachte ihn bis zum Abschluss des Chemiestudiums am Institut für Chemie und technische Elektrochemie an der Technischen Universität Poznan, wo er 1994 den Mastergrad erlangte. Nach einer intensiven Forschungszeit verteidigte Grzegorz hervorragend seine These über modifizierte Elektroden und erlangte 1999 den Doktortitel. Seine Forschungsarbeit brachte ihn für zwei Jahre nach Japan. Vor wenigen Monaten wurde er zum Vizedekan der Fakultät ernannt, nachdem der zusammen mit Kollegen einen überraschenden Artikel im Science-Magazin veröffentlicht hatte (23.3.2012), in dem er, vereinfacht ausgedrückt, Batterien aus Holz vorstellte.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Grzegorz und Olle Inganäs, sein Kollege von der Abteilung für Physik, Chemie und Biologie an der Universtät Linköping (Schweden), untersuchten die Nutzungsmöglichkeiten für Schwarzlauge, ein Abfallprodukt aus der Papierverarbeitung. Dieser Chemiemix aus Schwefelstoffen, Lignin und Hemizellulose wird oft zur Dampfgewinnung verbrannt. Doch angesichts der Mengen und der verbleibenden Abfallströme nach der Verbrennung suchte das Team nach höherwertigen Anwendungen über Energie und Wärme hinaus. Grzegorz ließ sich durch die Photosynthese inspirieren und erforschte zusammen mit seinem Team, wie das Lignin in elektrisch leitende Moleküle umgewandelt werden könnte, die wie manche an der Photosynthese beteiligten Moleküle Elektronen transportieren.

Durch Einleiten des Schlamms in ein leitendes Polymer stellten sie eine billige Kathode her, die Strom speichern kann. Es funktionierte erstaunlich gut. Olle und Grzegorz entwickelten daraufhin einen Prototypen, der sich jedoch entlud, wenn die Batterie nicht in Gebrauch war. Dies musste korrigiert werden, und sie fanden einen Weg, dieses Problem zu meistern. Das Team hält sich für imstande, Lignin in eine kostengünstige, erneuerbare Batterie umzuwandeln und so einen zweiten Ertragsstrom für die Papiergewinnung aus Holz zu erschließen: Eine Batterie, die hauptsächlich aus reichlich vorhandenen Holz-Abfallstoffen besteht. Dies klingt nach einem typischen Ansatz im Sinne der Blue Economy.

Der erste Umsatz

Ziel der Erfinder ist, erneuerbaren Strom ohne teure Netze dort zu speichern, wo er produziert wird. Da die Solartechnologie bereits wettbewerbsfähige Kosten erreicht hat (siehe Beispiel 53) gilt es nun, neue Systeme der Stromspeicherung auf Grundlage billiger erneuerbarer Rohstoffe zu entwickeln und so weiteren Bergbau zu vermeiden. Der Schlüssel zum Erfolg war die Entwicklung eines 0,5 µ dünnen Films, den das polnisch-schwedische Team aus einem Gemisch von Ligninderivaten aus Schwarzlauge herstellte. Da Lignin 20-30% der Biomasse eines Baums stellt und bisher bei der Papierherstellung entsorgt werden muss, ist es eine ständig verfügbare Ressource und mindert so den Druck auf die schwindenden Lithiumvorkommen. Olle und Grzegorz ließen daraufhin ihren zwei Quadratzentimeter großen Protoypen patentieren.

c92_batteries_from_wood_03

Von Anfang an waren sie sich jedoch bewusst, dass die Entwicklung der Kathode nur die halbe Lösung auf dem Weg zu einem völlig neuen Batteriekonzept war. Auch die Anode musste noch entwickelt werden. Ein Team von Doktoranden hat nun Ideen für das gesamte Konzept. Die Vision ist, eine zu hundert Prozent erneuerbare Batterie zu entwickeln. In der Zwischenzeit experimentieren sie mit einem voll recyclingfähigen Polymer, Polypyrrol, einem Erdölderivat, das seit über drei Jahrzehnten in der Industrie bekannt ist.

Die Chance

Grzegorz beschränkt seine Kreativität nicht auf die Welt der Batterien. Ebenso sieht er vielfältige Möglichkeiten für die Nutzung des Abfallstoffs Lignin und zeigt vielfältige Erträge und Vorteile dieses erneuerbaren Materials. Er entwickelte erfolgreich einen chemischen Sensor aus reinem Lignin, den er ebenfalls aus Schwarzlauge extrahierte. Dieser billige und schnelle Sensor misst Glukose im Blut von Diabetespatienten. Ihre kreative Forschung schließt auch neue Einsichten ins Immunsystem von Pflanzen ein, womit sich eine breite Plattform für vielfältigen Nutzungen einer der am reichlichsten vorhandenen Ressourcen auf der Erde eröffnet, die in unserer Industrie ungenutzt bleibt und nicht den Mehrwert, den Nutzen oder die Jobs hervorbringt, den sie schaffen könnte.

c92_batteries_from_wood_04

Da nun der erste Teil der Produktentwicklung erfolgreich abgeschlossen ist, ist es Zeit für hellsichtige Unternehmer, die Entwicklung eines völlig erneuerbaren Batteriekonzepts mit voranzutreiben und die Sensoren auf den Markt zu bringen. Die Industrie für Papier und Pulpe könnte sogar erster Nutznießer werden, da der Konsum abnimmt und das Papierrecycling an seine Grenzen stößt.

Bilder: Stock.XCHNG

0 Antworten

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Wollen Sie an der Diskussion teilnehmen?
Feel free to contribute!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *