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66. Eierschalen

Der Markt

Der Weltmarkt für Kalziumkarbonat (CaCO3, Kalk) hat die magische Marke von 100 Millionen Tonnen überschritten und wächst erwartungsgemäß bis 2015 weiter auf eine 35-Milliarden-Dollar-Industrie an. Der steigende Verbrauch auf dem asiatischen Markt liegt bei schätzungsweise über 7 Prozent bis 2017. China produziert ca. 70% der Gesamtmenge weltweit. Kalziumkarbonat ist ein anorganisches Material, das als Füllmasse in Papier, Plastik, Überzügen sowie Talkum und Kaolin in der Körperpflege eingesetzt wird. Die Papierindustrie stellt den größten Markt, da das Mineral wegen seiner weißenden Eigenschaften stark nachgefragt wird und Chlorzusätze aufgrund ihrer Umwelt- und Gesundheitsschädlichkeit vor kurzem aus der Herstellung genommen wurden. Holzfreies ungestrichenes Papier macht einen Marktanteil von 40 Prozent aus und verbraucht am meisten Kalziumkarbonat als Füllmittel.

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Kalk ist ungiftig und kann ab einem bestimmten Reinheitsgrad direkt als Lebensmittelzusatz oder Zusatzstoff in Kosmetik und sogar Medikamenten genutzt werden. In Schreibwaren wird es seit der Einführung von chemiebasierten Stiften weniger eingesetzt. Das hoch basische Mineral ist in großen Mengen in Perlen, Muscheln, Fischgräten und Korallen enthalten. Die Nachfrage auf diesem Gebiet wäre noch höher, wenn der Bergbau es nicht verdrängen würde. Kommerziell wurde Kalziumkarbonat erstmals 1841 im Vereinigten Königreich aus Kalziumchlorid und Ätznatron hergestellt. Während des letzten Jahrhunderts wurde es aus Lehm gewonnen. Der weltgrößte Hersteller ist heute Specialty Minerals Inc., eine Tochterfirma von Minerals Technologies Manufacturing (USA), er produziert pro Jahr über 4 Millionen Tonnen Kalk in 55 Fabriken und 18 Ländern mit Verkäufen in Höhe von 600 Millionen US-Dollar. In Indien wird der Markt von Kunal Calcium Limited angeführt, einer Firma, die in den letzten 10 Jahren ihre Produktion um das Fünffache gesteigert hat und als Beispiel für den stark gestiegenen Verbrauch in Asien dient.

Die Innovation

Wichtigster Rohstoff für Kalziumkarbonat ist Kalkstein aus dem Bergbau. Meist handelt es sich dabei um Knochenfragmente von Meerestieren, vor allem Korallen. Der Abbau und die Verarbeitung werden normalerweise am selben Ort durchgeführt. Im Mittelalter war Kalkstein ein beliebter Baustoff, doch da er auf Säure reagiert, sind die historischen Gebäude stark durch sauren Regen beschädigt worden. Daher wird Kalk in den Stadtgebieten unserer Breiten mit hohem Säuregehalt in Luft und Wasser nicht mehr gern eingesetzt. Reines Kalziumkarbonat als Lebensmittel- oder Medikamentzusatz wird aus Marmor hergestellt, manchmal enthalten Kosmetika auch gemahlene Perlen. In Wasser gelöster Kalk ist häufig anzutreffen, er führt zu „hartem“ Wasser, setzt sich an den Rohren ab und beschädigt vor allem Boiler. Um das Wasser auf chemischem Wege wieder weicher zu machen, wird Natrium oder Phosphate eingesetzt. Dadurch wird der Kalk aber kommerziell unbrauchbar, schlimmer noch, die Phosphate machen das Wasser untrinkbar. Leider kann kein Abwasserklärsystem effektiv den Kalk aus dem Wasser lösen, daher erhöhen sich die Wartungskosten, und die Lebensdauer der Geräte sinkt.

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Brendon Risby war fasziniert von der Wirbeltechnologie, die vor hundert Jahren erstmals durch Viktor Schauberger beschrieben wurde. Brendon und sein Vater erstellten viele Entwürfe und standen in regem Austausch von Zeichnungen mit Curt Hallberg, der erfolgreich wirbelbasierte Anlagen zur Wasseraufbereitung in seiner Firma Watreco AB entwickelt hat (siehe auch Beispiel 1). Im Gegensatz zu Curt jedoch suchte Brendon nach Wegen, mithilfe des Wirbels Stoffe aus dem Wasser zu lösen, und eine seiner ersten Erfindungen war die Verarbeitung von Bioabfällen. Er untersuchte, wie die Abfälle zu zerkleinern, zu trocknen und zu trennen seien, um hochwertige Produkte aus ihnen herzustellen. Dabei konzentrierte er sich auf die Verarbeitung vor Ort und Ausnutzung der Wirbelbewegung, die einem genauen mathematischen Algorithmus folgt. Schnell konnte er mehrere Geschäftsmöglichkeiten für sein innovatives Wirbelkonzept identifizieren. Dann baute er eine Maschine, die eine breite Palette von Materialien verarbeiten kann, von Torf und Schlamm bis hin zur Trocknung von Sand und Verarbeitung von Ton und sogar bestimmten Abfallströmen wie Teppichresten. Dieser wirbelbasierte Apparat wurde später als „Vortair Processor“ vermarktet. Im Jahr 2009 gründete Brendon mit weiteren Partnern die AgroPlas A/S, eine norwegisch-britische Firma, die sich auf die Umsetzung von Forschungsergebnissen in geistiges Eigentum und fertige Geschäftsmodelle konzentriert. Prinzipiell widmet sich AgroPlas der Transformation von Negativkosten von Abfällen in wertvolle und nachhaltige Produkte, die Einnahmen generieren.

Der erste Umsatz

Einer der ersten Abfallströme, auf die Brendon sich konzentrierte, waren Eierschalen, die als Kostenfaktor in Brutanstalten und Lebensmittelbetrieben gelten. Allein in Europa werden schätzungsweise 150 000 Tonnen Eierschalen jährlich auf Müllhalden verbracht, was pro Tonne 50 bis 200 Euro kostet, je nach Ort. In China fallen über 500 000 Tonnen Eierschalen an. Da die Schalen medizinisch nutzbaren Kalk enthalten, gilt es, die Membranen von der Schale zu lösen. Durch die Vortair-Maschine kann dieser sonst mühsame und kostspielige Prozess stark vereinfacht werden und so dieser Abfall ohne körperliche Arbeit oder bewegliche Teile in eine wertvolle und erneuerbare Quelle für reines Kalziumkarbonat umgewandelt werden. Eine einzige Vortair-Einheit kann 10 000 Tonnen Eierabfälle bei Vorauskosten von 6 Euro pro Tonne verarbeiten und somit ein Vielfaches an Gewinnen liefern.

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Das hochwertige und chemiefreie Kalziumkarbonat, das durch ein Minimum an Energiezufuhr gewonnen wird, schafft ein Ertragspotenzial von 1300 Euro pro Tonne. Dieser Durchbruch sorgt mit Sicherheit für größere Umwälzungen auf dem Markt für hochwertigen Kalk, anstatt Kosten in Millionenhöhe für gemahlenen Marmor sind Gewinne im dreistelligen Millionenbereich möglich. Vortair ist die einzige bekannte Technologie, die effizient und gewinnbringend Eierschalen aufwerten kann. Die Umwandlung eines Abfalls in einen erneuerbaren Rohstoff, der die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie steigert und Kosten im Bergbau senkt, ist einer der Schwerpunkte der Blue Economy.

Die Chance

Diese Technologie wurde 2011 kommerzialisiert, und es ist zu erwarten, dass nur durch die Verarbeitung von Eierschalen auf lokaler Ebene 30 bis 50 neue Firmen entstehen könnten, die alle lokal einen Vortair in Verbindung mit einem größeren Industriekomplex betreiben könnten. Dasselbe Prinzip könnte auf Papierschlamm angewendet werden, der aufgrund seines Tongehalts als Abfall auf Müllhalden landet. Vortair trennt zunächst das Wasser ab und produziert dann zwei trockene Substanzen, eine aus organischen Fasen und die andere aus anorganischem Ton. Beide sind wiederverwendbar und –verkäuflich. Mit einer Kapazität zur Verarbeitung von 25000 Tonnen Papierschlamm pro Jahr ermöglicht diese Innovation nicht nur die Entlastung der Müllhalden, sondern steigert auch das Gewinnpotenzial, ohne Energiekosten durch Trocknung oder Pressen zu generieren. In den Papierrecyclinganlagen Europas fallen jährlich etwa 20 Millionen Tonnen Papierschlamm an. Dies bedeutet, dass die Innovation das Potenzial besitzt, allein in der EU 800 Verarbeitungsanlagen hervorzubringen, die die Müllhalden gewinnbringend entlasten. Gründer, wo seid ihr?

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Es überrascht nicht, dass diese Möglichkeit einige städtische Firmen dazu motiviert hat, die Initiative zu ergreifen. Die erste städtische Firma weltweit, die beschlossen hat, in die von Brendon und seinem Team präsentierten Innovationen zu investieren, war die Stadt Drammen in Norwegen. Seit 2001 ziehen die Bürger so viele Ressourcen wie möglich aus Abfällen und gründeten Lindum A/S, um die Müllhalden zu entlasten, Treibhausgase zu verringern, den Rohstoff- und Energieverbrauch einzuschränken und die Einnahmen der Stadt zu steigern. Jährlich fährt die Firma etwa eine Million Euro netto ein. Ermutigt durch den Erfolg der ersten zehn Jahre ist Lindum nun eine Partnerschaft mit AgroPlas eingegangen, um das Potential des Wechsels von der Abfallentsorgung zur Rohstofflieferkette zu zeigen, das die Stadt wettbewerbsfähiger macht, Arbeitsplätze schafft und nachhaltig wirtschaftet. Wer sagt, dass Gründer immer aus dem privaten Sektor kommen?

Bilder: StockXCHNG

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33. Kühlung

Der Markt

Der Weltmarkt für Kühlungstechnik wird für 2010 auf 27,1 Milliarden US-Dollar geschätzt. Erwartungsgemäß wächst er um jährlich 5 Prozent und wird 2012 die 30 Milliarden Dollar erreichen. Die stärksten Zuwächse werden in Lateinamerika und Asien verzeichnet, China übertrifft dabei alle anderen Länder. Die Produktion jedoch verbleibt in europäischer, US-amerikanischer und japanischer Hand. Die weltweite Nachfrage nach Haushaltskühlschränken wird wahrscheinlich noch dieses Jahr die Grenze von 90 Millionen Einheiten überschreiten. Der asiatische Markt (ausgenommen Japan) ist in absoluten Zahlen 2,5-mal größer als der Nordamerikanische und um 20 Prozent größer als Ost- und Westeuropa zusammen. Die Stromproduktion für den Betrieb allein der US-amerikanischen Kühlschränke verursacht jährlich über 100 Millionen Tonnen CO2.

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Zwar gibt es Fortschritte in der Kühlung in den Entwicklungsländern, doch dieser nützt nur der Mittelschicht, für die der Besitz eines Kühlschranks ein Statussymbol ist. Doch der wahre Bedarf an Kühlung liegt vor allem in der Aufbewahrung von Lebensmitteln und Medikamenten. Kühlung unterstützt die Entwicklung der Landwirtschaft und sichert die Gesundheit der Bevölkerung. Milch und Fisch können bei 4 bis 6 Grad über mehrere Tage gelagert werden, bei normaler Raumtemperatur würden sie innerhalb von weniger als 24 Stunden verderben. Ununterbrochene Kühlung sichert die Wirksamkeit von Impfstoffen. Die Industrie arbeitet an Lösungen wie Solarkühlschränken, doch Solarsysteme benötigen mindestens 5 Stunden direkte Sonneneinstrahlung, um richtig zu funktionieren. Daher bauen die Entwickler eine Batterie mit ein, um die Funktionsfähigkeit zu garantieren. Der größte Nachteil dieses Systems sind die Kosten. Bei einem Mindestpreis von 5000 Euro pro Einheit ist diese Lösung für die Bevölkerung der Dritten Welt unerschwinglich. Sie hängt von Subventionen oder anderen Hilfen ab und ist daher nicht nachhaltig.

Die Innovation

Kälte aus Wärme zu gewinnen ist leicht. Der Schlüssel zu einem vorhersagbaren Kühlungsprozess ist der Energieaustausch, der stattfindet, wenn Dampf zu Flüssigkeit wird und Flüssigkeit verdampft. Der gebräuchliche Ansatz ist die Kompression von Gas, das in Flüssigkeit umgewandelt wird und somit heiß wird. Wenn der Druck nachlässt, kühlt das Gas ab und kondensiert wiederum zu einer Flüssigkeit. Wenn die Flüssigkeit in einen Raum mit geringem Druck fließt, dehnt sie sich schneller aus und verdampft, wobei Kühle entsteht, die der Umgebung Wärme entzieht.

Es wurde viel geforscht, wie Solarenergie zur Kühlung genutzt werden kann. Einstein war bereits Pionier für diese Idee. Sonne erhöht die Temperatur und dies erhöht wiederum den Druck. Bei hohem Druck kondensiert Gas zu Flüssigkeit. Wenn die Wärme reduziert wird, fällt der Druck, die Flüssigkeit verdampft wieder zu Gas und kühlt ihre Umgebung. Der direkte Einsatz von Solarenergie zum Anstoßen dieses Kondensations- und Verdampfungszyklus ist effizienter als die Umwandlung in elektrischen Strom, der einen Kompressor antreibt, der wiederum das Kühlgas in Flüssigkeit umwandelt.

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Emily Cummins, eine 24 Jahre alte britische Studentin wendet die Logik der Kühlung auf der Basis von Verdampfung auf ein simples, billiges und doch geniales System an. Emily nutzt keine Photovoltaik, keinen elektrischen Strom, keine Chemikalien und keine beweglichen Teile, um den gewünschten Kühleffekt zu erzielen. Es ist eine der grundlegenden Anwendungen der Gesetze der Physik und ein Musterbeispiel für die Prinzipien von The Blue Economy: „Ersetze etwas durch nichts“. Emily wendet das bekannte Verdampfungssystem auf die von der Sonne ausgehende Wärme an. Es ist ein ideales Konzept für Dörfer in der Dritten Welt ohne Strom und ohne Geld für teure Photovoltaik.

Ihr Kühlgerät besteht aus zwei ineinander gestellten Zylindern. Emily erforschte die Geometrie und die Wirkung von Löchern, die in den äußeren Zylinder gebohrt werden, um so viel direkte Sonne wie möglich zu erhalten. Während der innere Zylinder aus Metall ist, kann der äußere aus Holz, Plastik oder sogar Pappe hergestellt werden. Der Raum zwischen dem inneren und dem äußeren Zylinder wird mit gefilzter Wolle, Baumwolle, Sand, Erde oder anderen verfügbaren Materialien gefüllt. Sogar zerrissene Zeitungen können angewendet werden. Die Lebensmittel oder Medikamente werden im inneren Zylinder platziert. In den Zwischenraum zwischen den beiden Zylindern wird Wasser geschüttet, bis die Füllmasse durchtränkt ist. Es muss kein sauberes Trinkwasser sein, Meerwasser und Brauchwasser sind ebenso verwendbar. Sobald die Sonne den äußeren Zylinder erhitzt, verdampft das Wasser und Wärme wird entzogen. Da die Füllmasse das Metall des inneren Zylinders berührt, entzieht sie diesem ebenfalls Wärme. Je kompakter und leitfähiger die Füllmasse und der innere Zylinder, desto schneller wird die Wärme aus dem Innern des Zylinders ausgeleitet. Die innere Kammer wird sehr kalt. Eine einzige Wasserzufuhr kann über Tage eine Innentemperatur von 5-6 Grad halten.

Der erste Umsatz

Das System ist brillant, weil es so einfach ist und voraussehbare Ergebnisse liefert. Ersatzteile sind nicht notwendig. Durch Wiederauffüllen der Füllmasse mit Wasser wird die Kühlung fortgesetzt. Emily setzte ihre Erfindung zuerst in Namibia ein und schloss, dass Gebiete mit einer durchschnittlichen Sonnenscheindauer von 10 Stunden pro Tag (die empfohlene Dauer für 5000 Dollar teure Solarkühlschränke) ideale Bedingungen für Ihre Erfindung hätten.

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Hauptkritikpunkt ist, dass Sonnenschein selten garantiert werden kann und dieser einfache Öko-Kühlschrank von der Natur abhängt, um das Innere kühl zu halten. Wir schlagen daher vor, das Wissen von Las Gaviotas zu integrieren, um den Erhitzungseffekt durch Licht statt Sonne zu erhalten (siehe Beispiel 15). Dies würde die Entwicklung eines Kühlsystems ermöglichen, das über das ganze Jahr funktioniert, vor allem aber an hellen Standorten.

Die Chance

Die Kombination von zwei grundlegenden Einsichten liefert ein höchst wünschenswertes Ergebnis auf Grundlage von Erhitzen und Kühlung. Emilys Kühlsystem konserviert Medikamente und Lebensmittel, es könnte sogar die Wohnqualität erhöhen, während die Wassererhitzer Komfort wie eine Fußbodenheizung und Bakterienkontrolle bieten. Da Las Gaviotas über 35 Jahre die lichtbasierten Wassererhitzer weiterentwickelt hat, bis sie mit 25 Jahren Garantie geliefert werden können, ist der Erfolg für die Weiterentwicklung von Emilys Kühlsystem absehbar. In diesem Fall und bei sorgfältiger Auswahl der Materialien für den Innenzylinder könnte eine riesige Plattform für Unternehmer entstehen, die das Thema der Kühlung in tropischen Gebieten revolutioniert.

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Es hat einfach keinen Sinn, andere Lösungen in Betracht zu ziehen – nicht einmal über Spenden – die Tausende Dollars kosten, wenn der selbe Effekt mit voraussichtlich nur 10 Dollar erreicht werden kann! Emily hat ihr Konzept im südlichen Afrika bewiesen und sich dann entschlossen, ihre Erkenntnisse als Open-Source-Lösung anzubieten, d.h. die Daten zu veröffentlichen, damit jeder sie als preisgünstige und wettbewerbsfähige Lösung zu einem Bruchteil der Kosten nutzen kann. Es überrascht nicht, dass Emily kürzlich durch das JCI als eine der zehn herausragendsten Menschen der Welt für ihre Leistungen in Business und Unternehmertum ausgewählt wurde.

Bilder: StockXCHNG

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27. Lebensmittel- und Getränkeverpackungen neu denken

Der Markt

Im Jahr 2008 erreichte der weltweite Konsum von Milchgetränken einen Rekordwert in Höhe von 258 Milliarden Litern, ein Zuwachs um 2,2% gegenüber dem Vorjahr, der vier Milliarden zusätzliche Liter Milch bedeutete. Der Weltmarkt für keimfrei verpackte Getränke betrug 86 Milliarden Liter in 187 Milliarden Verpackungen. Seit 2003 sind die Verkäufe um sechs Prozent gestiegen, wobei Asien den stärksten Anstieg mit mehr als 13 Prozent pro Jahr verzeichnete. Über 45% aller keimfrei verpackten Produkte sind Milchprodukte.

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Keimfreie Verpackungen ermöglichen die getrennte Sterilisierung von Lebensmitteln, Getränken und Verpackungen, die dann wiederum in steriler Umgebung zusammengeführt und versiegelt werden können. Das Nischengeschäft mit Getränken stellt einen wachsenden Markt in einem weiteren Feld der Entwicklung von Verpackungen dar, das zunehmend mehrschichtige Materialien für Kartons, Beuteln und Flaschen entwickelt. Bis 2013 wird der Weltmarkt 113 Milliarden Liter in 265 Milliarden Paketen erreichen, bei einem 11-prozentigen Wachstum in Asien, wo der Konsum schneller als in allen anderen Teilen der Welt ansteigt.

Tetra Pak kontrolliert 80% des Weltmarktes bei einem Jahresumsatz von 10 Milliarden US-Dollar, gefolgt von SIG, dem zweitgrößten Hersteller von Getränkekartons mit 15 Prozent Marktanteil oder 1,5 Milliarden Dollar Umsatz. Beide Firmen haben ihren Sitz in der Schweiz. Tetra Pak ist jedoch ursprünglich aus Schweden und SIG gehört zur Rand-Gruppe aus Neuseeland. Die deutsche Bosch-Gruppe ist ein starker Konkurrent auf dem Markt für mehrschichtige Verpackungen, der alle Konsumgüter durchdrungen hat, von Getränken über Kosmetika, Kaffee, Tee, Snacks und Backwaren.

Die Innovation

Nahrungsmittelfirmen suchen nach Technologien, die die Haltbarkeit und Nachverfolgbarkeit ihrer Produkte verbessern. Die Nachfrage nach längerer Haltbarkeit in Kombination mit höherer Nachhaltigkeit motiviert die Industrie, die Verpackungstechniken zu überdenken hin zu biologisch abbaubaren Schichten, die erdölbasierte Kunststoffe (Polyethylen) und dünne Aluminiumschichten ersetzen. Hochwertiges Polyethylen aus Nahrungsmitteln könnte eines Tages zusammen mit einem biologisch abbaubaren Polymer recycelt werden, z.B. die von Novamont (Italien) und Braskem (Brasilien) produzierten Materialien.

Die andere Seite der Medaille ist, dass keimfreie Verpackungen und Wegwerfwindeln zwei der größten Posten im Wachstum von städtischen Müllkippen darstellen. Die Marktführer und Patentinhaber von Mehrschichtmaterialien besitzen das Design und die technischen Kapazitäten, um komplexe Verpackungen herzustellen, doch keiner scheint zu wissen, wie man diese wieder trennen könnte. Während bereits versucht wird, die Fasern wieder-zuverwenden, wobei große Mengen Wasser verbraucht werden, bleibt das Sandwich aus Plastik und Aluminium, egal ob als Pulver oder als Bogen, eine große Herausforderung. Aluminium stellt einen inakzeptablen Abfallstrom dar, ein Problem, das die Industrie noch nicht lösen konnte. Da diese pure, nicht eisenhaltige Schicht unerlässlich für die Luftdichtigkeit ist, verursacht deren unkontrollierter Einsatz jährlich die sagenhafte Menge von 380 bis 420 000 Tonnen Aluminium auf Müllkippen, die somit die größte Lagerstätte für dieses Reinmetall darstellen (pro Packung durchschnittlich 1,5 Gramm Aluminium).

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Gloria Niño López hat in ihrem Heimatland Kolumbien Biologie studiert und sich dann in Mexiko auf Lebensmitteltechnik spezialisiert. Sie untersuchte, wie Flechten mit großer Leichtigkeit Steine durchdringen und nannte sie die Bergleute der Welt. Ihre Hyphen haben eine Stärke von gerade einmal zwei Zellen, mit denen sie erstaunlich schnell durch Felsen dringen. Als keimfreie Verpackungen in Bogotá auf den Markt kamen, bemerkte sie in der Laborküche, wie saure Milch aus offenen Kartons auf eine CD lief. In Minutenschnelle zersetzte die vergorene Milch die Aluminiumschicht der CD und ließ sauberes Polykarbonat zurück. Nähere Beobachtungen bestätigten, dass sogar die Milchpackung sich an der Stelle zu zersetzen begann, an der sie aufgeschnitten worden war. Als studierte Mikrobiologin fand sie schnell die Spezies heraus, die den Trennprozess verursacht hatte, und stellte einen Cocktail aus Mikroorganismen her, die von Natur aus in aller Welt von schlecht werdenden Getränken oder Lebensmitteln angezogen werden. So wurde eine Standardlösung für die Trennung von Mehrschichtmaterialien gefunden, eine Open-Source-Technologie.

Anders Byström kam auf vergleichbare Resultate bei der Arbeit auf dem Recyclinghof Bedminster in Stora Vika nahe Stockholm. Nach drei Tagen im Drehofen waren keimfreie Verpackungen, Lebensmittelpakete, Kaffeetüten und CDs vollständig getrennt in Aluminium-folien und Staub. Doch sogar als die Funktionsfähigkeit in Japan (in Kooperation mit Tetra Pak Japan), Brasilien, Kolumbien, den USA und Schweden bewiesen wurde, zögerte die Industrie noch, sich aktiv an der Entwicklung eines dezentralisierten Prozesses zu beteiligen.

Erster Umsatz

Im Jahr 2000 beschloss der Bürgermeister von Curitibá, Casio Taniguchi, eine Gesellschaft zur Sammlung von keimfreien Verpackungen zu gründen, die in drei Hauptkomponenten aufzuteilen sind (Papier, PE und Aluminium). Leider führte die fehlende Unterstützung der Lieferer, die sich sogar weigerten, ihre Industrieabfälle zur Weiterverwertung zur Verfügung zu stellen, zu großen Schwierigkeiten für das Projekt. Trotzdem ermöglichten die Erfahrungen in Curitibá. Tokio und Bogotá, den Prozess abzustimmen und vor allem zu beweisen, dass der gesamte biologische Cocktail vor Ort produziert werden konnte.

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Dies öffnet den Weg für dezentralisierte und soziale Projekte, die Müllhalden und Verbrennungsanlagen um einen großen und wachsenden Anteil zu entlasten: Mehrschichtverpackungen. Am Politecnico di Torino wurde unter der Leitung von Prof. Luigi Bistagnino ein detaillierter technischer und wirtschaftlicher Plan entwickelt, der das Geschäftsmodell bestätigt.

Die Chance

Aluminium stellt nur einen geringen Bestandteil der keimfreien Verpackungen für Lebensmittel, Arzneimittel oder CDs und DVDs dar. Die Möglichkeit des Aufbaus von kleinen Betrieben in Kombination mit sozialen Vorteilen bietet eine Plattform für unternehmerische Initiativen, wo auch immer sich eine Müllkippe findet: in Curitibá beispielsweise werden Bustickets zu Stadtrandgebieten bezahlt und dadurch die Trennung der Pakete aus dem Restmüll gesichert. Solche Projekte eröffnen Chancen zur Generierung von mehreren Cashflows und überwinden das traditionelle Problem des Kerngeschäfts. Tatsächlich könnte die zu verarbeitende Menge an Ausgangsmaterial zu gering sein, wenn man sich nur auf keimfreie Verpackungen beschränkt. Doch wenn alle Mehrschichtmaterialien gesammelt werden, dann werden auch die Charakteristika der Blue Economy offensichtlich: Denke über Kostenreduktion hinaus, sichere die Entstehung von mehreren Cashflows.

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Erstens wird die Sammlung der Abfälle bezahlt. Zweitens wird die Sicherung der längeren Belastbarkeit der Müllhalde bezahlt, indem Abfälle zu Erträgen werden. Drittens werden die drei wiederverwerteten Materialien als Folien oder Pulver zu einem hohen Preis an Herstellerbetriebe verkauft, da die Zusammensetzung der Materialien von guter Qualität ist. Viertens wird der Hauptbestandteil zur Trennung von Aluminium durch die vergorenen Reste in den Verpackungen selbst produziert und ist somit zu niedrigen Kosten und ständig verfügbar. Nicht zuletzt bietet dieses Geschäftsmodell ein Fenster zur Vermarktung von Abfällen: Firmen könnten Interesse zeigen, der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass der Abfall, den sie produzieren, letztendlich neues Leben ermöglicht, Jobs schafft und Abfälle in Nahrung verwandelt. Während Städte als Unternehmen nicht bekannt sind, könnten Unternehmer die Stadtverwaltung kontaktieren und ein Konsortium gründen, wie es derzeit in verschiedenen Teilen der Welt der Fall ist. Das Politecnico di Torino kann den Weg zeigen.

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17. Konservierung ohne Kühlung

Der Markt

Gegenwärtig generiert der Weltmarkt für konservierte Nahrung über 500 Milliarden US-Dollar an Verkäufen. Die Vereinigten Staaten allein machen davon die Hälfte aus, mit mehr als 17.000 Anlagen zur Herstellung von Nahrungsmitteln und Getränken. Das Aufkommen von neuen und immer weiter ausgeklügelten Techniken zur Konservierung von Nahrung für Transporte lässt schätzen, dass 40 Prozent aller Nahrungsmittel, die weltweit konsumiert werden, in irgendeiner Weise verpackt, verarbeitet und/oder haltbar gemacht werden. Noch immer bleibt viel Raum für Wachstum.

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Die Umsätze von chemischen Konservierungsmitteln erreichen in den Vereinigten Staaten bereits über 400 Millionen Dollar und es wird erwartet, dass die Milliardengrenze weltweit überschritten wird, da verpackte Nahrungsmittel in China, Indien und Brasilien mehr nachgefragt werden und in nie vorher dagewesenen Dimensionen der Konservierungsmittel bedürfen. Die Kosten für Kühlung liegen noch zehn- bis zwölfmal höher als die für chemische Mittel. Es wird geschätzt, dass die lebensmittelverarbeitende Industrie im Jahr 2008 allein in den USA 6,9 Milliarden Dollar für Kühlung ausgab. Die höchsten Beträge beim Vertrieb von konservierten Lebensmittel werden für Plastik ausgegeben, weltweit ein 110-Milliarden-Dollar-Geschäft.

Die Haltbarmachung ist essenziell für Nahrung, doch für Impfstoffe ist sie lebenswichtig. Der Preis für eine an einen beliebigen Ort auf der Welt gelieferte Impfdosis kann die Gesellschaft 180 bis 340 Dollar kosten. Die Lieferung dieser Medikamente ist abhängig von einer Kühlkette. Da in Impfstoffen keine chemischen Konservierungsstoffe eingesetzt werden können, bleibt die Temperaturkontrolle die gebräuchlichste Konservierungstechnik. Trotzdem wird geschätzt, dass durch Unterbrechung der Kühlkette 50 Prozent aller Impfstoffe teilweise oder gänzlich unwirksam werden. Eine Gruppe von engagierten Firmen hat in den letzten Jahren etwa 3000 solarbetriebene Kühlschränke zu einem Stückpreis von 5000 Dollar in Entwicklungsländern aufgestellt, um die Verfügbarkeit von hochwertigen Impfstoffen zu sichern. Doch es werden noch weitere innovative Problemlösungen benötigt.

Die Innovation

Regelmäßig werden neue Konservierungstechniken für Nahrung und Medikamente entwickelt. Die Kunststoff- und Chemieindustrie bietet eine breite Palette von synthetischen Zusatzstoffen, die natürliche Konservierungsstoffe ersetzen: antimikrobielle Stoffe, Bakterienhemmer, essbare Überzugsstoffe und antimikrobielle Enzyme. Die Bedenken der Konsumenten gegen synthetische Zusätze brachten Neuerungen auf dem Bereich der pH-Wert-Kontrolle, Wärmebehandlung und Tiefkühlung hervor sowie den Einsatz von Biotechnologie, Membranfiltrierung, Bestrahlung mit Licht, Ultraschall, Verpackung unter Schutzatmosphäre, elektrische Felder und hydrostatischen Hochdruck.

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Bruce Roser, ein biomedizinischer Forscher, entwickelte Impfstoffe, die keiner Kühlung bedürfen, auf der Basis von Zuckern (Trehalose). Dessen Moleküle sind in ein lösliches Glas eingeschlossen und werden aktiviert, wenn es regnet. Dies ist der Ersatz der Kühlkette, die für unerlässlich befunden worden war, durch eine „Nichtkühlkette“. Sein Impfstoff ist mit diesen Zuckern überzogen und bildet so leblose Kugeln, kleine Perlen, die in injizierbarer Form verpackt werden und über Jahre in der Arzttasche mitgeführt werden können. Dr. Roser hat den Prozess weiterentwickelt und die Impfstoffe zu einem Pulver getrocknet, das aus winzigen Glaskugeln besteht, die den Impfstoff einschließen.

Die Technik der langsamen Freisetzung ist eine geniale Kombination einer Methode, die von Pflanzen und manchen Tieren genutzt wird, um in trockenen Zonen zu überleben, und der Ausnutzung des natürlichen Mechanismus des Körpers bei der Heilung und Wiederherstellung gebrochener Knochen. Eine Pflanze, die „Auferstehungsfarn“ (Pleopeltis polypodioides) genannt wird, ist imstande, völlig ausgetrocknet in der Wüste über Jahre zu überleben, indem sie Feuchtigkeit in einer festen Zuckerlösung konserviert. Kalziumphosphat – die Verbindung, aus der Knochen sind – wird genutzt um die Partikel herzustellen und erlaubt dem Material, auf natürliche Weise durch den Körper zersetzt zu werden. Aminosäure beschleunigt die Reaktion und ihre Dosierung bestimmt die Geschwindigkeit der Freisetzung.

Erster Umsatz

Etwa 300 Millionen Dollar Hilfsleistungen für die Lieferung von Impfstoffen in Entwicklungsländer gehen verloren, weil die Medikamente bei Ankunft nicht mehr die nötige Wirksamkeit besitzen, um das Immunsystem zu stärken. Die Entwicklung eines Impfsystems auf Basis eines Zuckers, der in Verbindung mit Wasser reaktiviert wird, spart Geld und reduziert Ausgaben für Energie. Wenn dieses System einsatzbereit ist, kann es die doppelte Menge an Impfstoffen zum halben Preis liefern.

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Bruce Roser hat erfolgreich ein Produktionsmodell entwickelt, das ein hochmodernes Trockengefriersystem von Niro (Dänemark) nutzt, um Impfstoffe herzustellen, die nicht mehr von der Kühlkette von Herstellung bis Lieferziel abhängen. Das Niro-System ist letzter Standard in der Lebensmittelindustrie. Darüber hinaus gründete er die Cambridge Biostability Ltd. (CBL) und erhielt diverse Fördergelder. Er mobilisierte sogar einige indische Investoren, die das Modell testen sollten. Leider überstiegen die Kosten für die Genehmigungen das Budget und die gesamte Palette von Patenten wurde an einen neuen Investor transferiert, nachdem CBL gerichtlich für insolvent erklärt wurde. Nova Laboratories, die Spin-Out-Firma des British National Health Service, befand die Patente für interessant genug, um drei ausländische Kandidaten zu überbieten und so die Kontrolle über diese Innovation zu bekommen.

Die Chance

Mit Sicherheit verdient die Möglichkeit, Impfstoffe ohne Kühlungsbedarf an die Armen der Welt zu liefern, alle Unterstützung, doch für die Zukunft besteht der wahre Beitrag in der Neustrukturierung der Lebensmittelkonservierung ohne Kühlkette und ohne chemische Zusätze. Verpackung wird weiterhin benötigt. Infolge des Wegfallens der Kühlkette auf dem Gesundheitssektor bedeutet für die Entwicklungsländer Millionen von geretteten Menschenleben. Doch wenn man die Möglichkeit bedenkt, mithilfe dieser erprobten Technik Geschmack und Konsistenz nach den Wünschen der Kunden zu liefern, was bisher für die Lieferer nicht möglich war, dann wird verständlich, dass diese Innovation schnell auf der ganzen Welt Verbreitung finden könnte, getrieben durch massive Energieersparnis, die daraus resultiert, dass die teure Kühlkette unnötig wird.

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Die unternehmerische Lösung basiert auf dem Ersatz von etwas durch nichts: hier wird der Bedarf an Kühlung und Chemie durch die Entwicklung eines Konservierungssystems, das keinerlei Kühlung oder Chemie benötigt, ersetzt. Das nächste Mal, wenn Sie ihren Supermarkt besuchen, denken Sie doch an die Mengen von Geld und CO2-Emissionen, die eingespart werden könnten, wenn dort keine Kühltruhen stünden. Energie könnte gespart und die lokale Lieferung von hochwertigen Produkten zu niedrigeren Preisen ermöglicht werden, indem eine Jahrmillionen alte Konservierungstechnik der Tiere und Pflanzen genutzt wird. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir so schlau werden wie einige Pflanzen und Tiere.

Bilder: StockXCHNG

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Beurteile eine Frucht nicht nach ihrem Aussehen

Hintergund:

Eine der Kernprinzipien von Blue Economy ist die Nutzung von bereits verfügbaren Ressourcen. Obwohl Abfall sehr gut in wertvolle Produkte und andere neue Dinge umgewandelt werden kann, gilt es den enormen Berg an Abfall zu vermeiden, dabei sind Geld und Arbeit die leichtesten Schritte in Richtung einer positiven Zukunft.

Eine der größten Quellen von Abfall weltweit ist der Nahrungsmittelabfall. Nahrungsmittelabfall ist derzeit ein angesagtes Problemfeld und viele Initiativen beschäftigen sich damit, klar ist: 2014 wurde zum Jahr gegen Nahrungsmittelabfall in Europa erklärt.

Jährlich werden in Europa etwa 90 Millionen Tonnen Nahrungsmittel in den Müll gegeben, so die Statistiken der Europäischen Kommission. Und circa 40% der Abfälle tritt im Bereich von Einzelhandel und Konsumenten auf, Essen wird entlang der ganzen Produktionskette weggeworfen – vom Bauern bis zum Kosumenten.

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Dies hat viele schwerwiegende Folgen, offensichtlich ist Nahrung eine gute Quelle für Abfall, aber auch für Treibhausgase: Die ungenutzten Früchte und Gemüse verrotten oft auf Mülldeponien wo sie Methan produzieren. Um Gemüse zu produzieren werden Umengen an Wasser und Fläche benötigt, wovon viele der Produkte auf der Deponie enden. Der Nahrungsmittelverschwendung den Kampf anzusagen wäre also eventuell auch eine Möglichkeit, wie mit der schnell wachsenden Weltbevölkerung umgegangen werden könnte. Nach Tristam Stuart, einem einflussreichen Author auf diesem Gebiet, könnten weltweit eine Milliarde Menschen aus der Unterernährung gerettet werden, wenn dieses verschwendete Essen genutzt werden würde. Es gibt viele Gründe für Nahrungsmittelabfall, aber einer davon sind die sogenannten “ugly fruits and vegetables” (fehlgeformte Früchte und Gemüse). Die unförmigen, unsauberen oder gequetschten Produkte sind allein schon Grund für die Hälfte der schon erwähnten 40% Nahrungsmittelabfall.

Ganz am Anfang der Nahrungskette wird ebenfalls Essen verschwendet, dass niemals den Markt erreicht.

In Europa existieren Verkaufsstandarts für Früchte und Gemüse. Diese Standards beziehen sich nicht auf Geschmack oder Mineralwerte sondern beziehen sich auf ästhetische Kriterien wie Größe, Form, und Schale. Einige der Kriterien werden weitestgehend verhöhnt und kritisiert, wie die Regel die zu gebogene oder grade Bananen untersagt hatte. Dies führte zu einer Entspannung der europäischen Standards in 2009 für 26 Produkte, aber 10 der am meisten beliebten Produkte wie Tomaten, Äpfel, Salate und Erdbeeren unterliegen immernoch diesen Standards.

Jedoch sind dies nicht die einzigen Normen, die überwiegende Mehrheit fördert immernoch Normen die durch die UNECE, Teil der vereinten Nationen, gesetzt wurden. Diese besagen z.B. das braune Flecken auf einer Aprikose nicht mehr als 15% der gesamten Oberfläche ausmache dürfen und eine Zucchini mindestens 7cm lang sein muss, genauso wie frei von Rissen und Hohlräumen.

Die ästhetischen Standards haben häuptsächlich zwei Konsequenzen: Produkte, die die Standards nicht erfüllen werden erst gar nicht durch die Bauern geerntet, da sie wissen sie können sie nicht absetzen. Ebenfalls müssen sich die Produzenten starken Kriterien der Supermärkte unterwerfen, selbst Lieferanten fordern strenge kosmetische Standards.

Selbst wenn viele der Nahrungsmittel als Tierfutter wiederverwendet werden, wird nicht alles von den Herstellern akzeptiert. Selbst diese haben Standards und könnten beispielsweise krumme Gurken ablehnen, nicht jedes Gemüse wird also zu fertigem Futter weiterverarbeitet. Eine Lösung könnte das Verfüttern von Kantinen- und Hausmüll an Schweine sein, aber das ist in der EU seit 2003 verboten. Am Ende zeigt sich das die Konsumenten kein “schlechtes” Gemüse kaufen, verformtes vielleicht, aber nicht mit Löchern und faulen Stellen

Potenzial

Viele Initiativen versuchen derzeit diese Kunden- und Marktverhalten zu verändern.

Weniger gut aussehende Früchte und Gemüse werden Schritt für Schritt in Supermärkten verkauft, die Bewegung hatte ihren Ursprung 2012 im Vereinigten Königreich, mit großen Supermarktketten wie Tesco und Waitrose, die versprachen auch Fehlprodukte zu einem fairen Preis zu handeln. Sainsbury tat es 2012 auch, denn es war ein Jahr voller Missernten, aber in 2013 setzten sie die Aktion nicht fort.

2013 begannen deutsche Märkte wie Edeka und die Discounttochter Netto “ugly vegetables” für einen reduzierten Preis zu verkaufen mit der Aufschrift “Niemand ist perfekt”. Coop, Schweizer Marktführer tat es Edeka gleich und nannte diese “einzigartig” und in Österreich hat Rewe eine Reihe unter dem Namen “Wunderling”.

Auch wenn wir jene Produkte nicht immer in den Regalen finden, haben diese Initiativen einen ersten Wandel in der Haltung zu diesen Produkten bewirkt.

“Ugly fruit” ist eine Kampagne, die von drei deutschen Studenten (Giacomo Blume, 25, Moritz Glück, 29 and Daniel Plath, 26) der Universität Weimar erdacht wurde, sie zielt darauf diese Produkte wieder zurück in die deutschen Haushalte zu bringen.

Neben Kampagnen die die Früchte mit passenden Slogans zeigen, wollen sie auch auf einen “ugly fruit” Supermarkt setzen, der sich ausschließlich mit Produkten beschätigt die im sonstigen Ablauf nicht genutzt werden. Ihr Projekt hatte viel Aufmerksamkeit und sie haben bereits Zusagen von potentiellen Partnern und Emails von aufgeregten zukünftigen Kunden wann der Laden denn öffnen könne, erhalten.

Ebenfalls gab es den Gedanken deformierte Produkte aus Müllwagen an Wochenmärkte zu verkaufen, um die Deutschen zu schocken und zum Überdenken ihres Kundenverhaltens anzuregen.

Es wäre nicht nur nachhaltig, sondern auch ein echtes Geschäft mit Profit glauben sie - statt einfach nur Nahrungsmittelabfall.

In Berlin gibt es ein Catering Unternehmen namens Culinary misfits das darauf abzielt ugly vegetables in Gourmet Essen zu verwandeln. Die Mission lautet Fehlprodukte retten indem den Kunden gezeigt wird, dass jene eine attraktive Wahl sind. Alles begann als Crowd funding Projekt und jetz betreiben sie ein Catering Unternehmen, planen jedoch demnächst die Eröffnung ihres eigenen Ladens in Kreuzberg. Des Weiteren ist es eine gute Idee Früchte und Gemüse mit leichten Stellen in Restaurants zu benutzen, die meisten werden eh nicht im Ganzen verarbeitet.

Andere Initiativen wie Feed the 5000 organisieren Events mit Essen was sonst in den Müll wandern würde. Es ist ein britisches nationales Netzwerk dessen Mitglieder Fehlprodukte sammeln und der Wohlfahrt spenden. Ebenfalls zielt die Kampagne darauf die Weltgemeinschaft anzuregen mehr Lösungen für den globalen Nahrungsmittelabfall zu entwickeln. Sie geben Veranstaltungen bei denen 5000 Mitglieder ein freies Mittagessen erhalten dessen Zutaten sonst in den Müll gegeben worden wären. Diese Aktionen finden in London statt, aber auch international, wie in Paris, Amsterdam und Dublin.

Do it yourself:

Ein erster Schritt den Nahrungsmittelabfall zu reduzieren wäre als Kunde nicht immer die bestaussehenden Früchte und Gemüse zu kaufen, sondern die Fehlgeformten wenn erhältlich, um so die erwähnten Initiativen zu unterstützen

Hilfreiche Links für mehr Informationen:

Food Waste:

AGRAPROFIT - Der Film

Agraprofit - überwiegt die Schnäppchenmentalität oder ein “ethisches Bewusstsein” ? Der Kurzfilm dokumentiert eine Guerilla Aktion, die im September 2012 auf dem Wochenmarkt einer deutschen Großstadt durchgeführt wurde. Das fiktive Unternehmen „Agraprofit” ist neu auf dem Markt und hat ein innovatives Verkaufskonzept: Billige Produkte und gleichzeitig volle Transparenz der Produktionskette. Es konfrontiert die Kundschaft dezent lächelnd mit den Produktions- und Handelsbedingungen der angebotenen Billiglebensmittel. Schilder zeigen, was hinter den Produkten steckt: Zum Beispiel “Kinderarbeit? - Dann sind sie wenigstens weg von der Straße!”. Hintergrund der Aktion: Deutsche zählen zu den größten Schnäppchenjägern Europas. Noch immer ist der Preis, insbesondere bei Lebensmitteln, wichtigstes Kaufkriterium. Die Lebensmittelindustrie täuscht mit schönen Werbeslogans über die fragwürdige Entstehung der Billigprodukte hinweg. Aber wie aufgewühlt, beunruhigt oder auch unbeeindruckt reagieren die Menschen, wenn sie direkt hören, welche Zustände andernorts mit ihrem Einkauf verbunden sind? Der Film dokumentiert die verschiedenen Reaktionen und hinterlässt die Frage, wie man selbst reagiert hätte. Was die Käufer nicht wissen: Alle Erzeugnisse an diesem Marktstand kamen aus Öko-Landbau und Fairem Handel!Die Aktion fand im Rahmen der Kampagne „Öko + Fair ernährt mehr!” von Naturland und dem Weltladen-Dachverband statt. Konzipiert und produziert wurden die Aktion und der Film von der Agentur YOOL (http://www.yool.de). Mehr Infos unter: http://www.oekoplusfair.de/ oder http://www.agraprofit.de. Folge Agraprofit auf Facebook: https://www.facebook.com/Agraprofit