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10. Frische Luft frei Haus

Spart Energie, reduziert Kosten und fördert die Gesundheit

Der Markt

Der Weltmarkt für Klimaanlagen wird auf 62 Milliarden US-Dollar beziffert, dabei entfallen 39 von über 45 Millionen jährlich installierten Einheiten auf Wohngebäude. Die Temperaturkontrolle stellt den höchsten Posten im Gebäudemanagement dar und ist einer der Hauptfaktoren für den Klimawechsel. Das höchste Wachstum auf diesem Sektor kommt aus den Entwicklungsländern, allen voran China. Wärmeaustauschsysteme und Kondensatoren, die einen Teil der verbrauchten Energie wieder einfangen, werden auf 2,5 Milliarden Dollar geschätzt, weitere 2 Milliarden Dollar entfallen auf Luftfilter, die benötigt werden, um Staub, Pollen und Keime aus der Raumluft zu entfernen.

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Immobilienentwickler haben mehr und mehr in Gebäudeleittechnik investiert, ein computergesteuertes Kontrollsystem, das Licht, Wasser und Luftströme im Objekt misst. Der Anschaffungspreis für die Apparate zur Klimakontrolle für ein zehnstöckiges Gebäude erreicht leicht 3,5 bis 5 Millionen Dollar, während die laufenden Kosten bei bis zu 25 Prozent der jährlichen Betriebskosten liegen. In den Vereinigten Staaten entfallen 70 Prozent allen Energieverbrauchs auf Gebäude, was 38% der gesamten CO2-Emissionen entspricht.

Die EU-Kommission hat einen Bericht veröffentlicht, demzufolge ganze 90 Prozent aller bestehenden Gebäude unzweckmäßige Systeme für Heizung und Kühlung von Luft und Wasser aufweisen und daher generalüberholt werden müssten. Dies könnte zu einer Energieeinsparung von 30 Prozent für bestehende Objekte führen.

Die Innovation

Der kürzlich verstorbene schwedische Architekt Bengt Warne und sein Team erforschten bereits in den 1950er Jahren die natürlichen Mechanismen der Temperatur- und Luftfeuchtigkeitskontrolle in Termitennestern in Tansania und Simbabwe. In diesen Nestern werden die Gesetze der Physik genutzt, um Luftströme, Wärme und Feuchtigkeit ohne externe Energiezufuhr zu regulieren. Warne kam zu dem Ergebnis, dass diese Bauten es ermöglichen, im Untergrund Pilze zu züchten, dank einer akribischen Bauweise, die die Temperatur bei 27°C und die Luftfeuchtigkeit bei 61% hält. Genaue Beobachtungen ergaben, dass die Höhe der Hügel, die Länge und Weite der Luftkanäle sowie die Ausrichtung zur Sonne und Auswahl der Baumaterialien die Gebäudeluft beeinflussen.

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In der Weltgeschichte gibt es viele Beispiele für natürlich belüftete Gebäude, so das Krankenhaus, das in Las Gaviotas (Kolumbien) errichtet wurde, oder das Shosoin in der Tempelanlage Todai-ji in Nara (Japan). Beide bieten angenehme Raumluft in feuchtheißen Klimaten. Ein weiterer schwedischer Architekt, Anders Nyquist, hat ein Team angeregt, ein mathematisches Modell zu entwickeln, das auf den Erkenntnissen zu den Termitenhügeln aufbaute, aber den Bauplanern die Vorhersehbarkeit der Ergebnisse ermöglichte. Die Bautechnik setzte er bei der Errichtung der Laggerberg-Schule in Timrå bei Sundsvall um und zeigte, dass sich spürbare Vorteile über die Energieeinsparung hinaus nicht nur für feuchtheißes, sondern auch für trockenes und kaltes Klima ergaben.

Ohne zusätzliche Heiz- oder Kühlungskosten wird stündlich die Luft ausgetauscht, wobei zusätzlich Staubpartikel und Keime aus dem Gebäude geleitet werden und so die Gesundheit der sich drinnen aufhaltenden Personen profitiert. Daraufhin fügten Nyquist und sein Team das Spiel zwischen Schwarz und Weiß auf der Außenwand des Gebäudes hinzu, indem sie den Wechsel zwischen dunkel und hell des Zebrafells imitierten. Dies ist eine weitere einfache Umsetzung der Gesetze der Physik: heiße Luft dehnt sich und steigt auf, während kalte Luft dichter ist und absinkt. Der Ford-Händler in Umeå (Schweden) sowie die Bürogebäude von Daiwa House in Japan sind konkrete Beispiele für die Effizienz dieser Entwicklung.

Erster Umsatz

Während noch viele nach Energieeinsparungen suchen, indem sie die bestehenden Techniken effizienter nutzen, haben Nyquist und Warne Bauweisen entdeckt, die den gegenwärtigen energie- und kostenintensiven Marktstandard durch die Inkorporierung der Intelligenz von Ökosystemen ersetzen. Die Architekten nutzen die Gesetze der Physik ebenso wie Zebras und Termiten bei der Planung eines neuen Typs von Gebäuden.

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Die praktische Umsetzung ihrer Naturbeobachtungen schaffen vielfältige Vorteile, von Kosteneinsparungen bei Einkauf und Instandhaltung bis hin zur Verbesserung der Raumluft. Die Schulkinder erleben die einfache Anwendung der physikalischen Gesetze und gleichzeitig wird der CO2-Fußabdruck des Gebäudes beträchtlich kleiner. Die Gebäude sind gut isoliert und doch zirkuliert die Luft durch die Räume ohne Bedarf weiterer Heizung oder Kühlung.

Die Chance

Diese Innovation dürfte zwar nicht die Hersteller von Klimatechnik anregen, wohl aber ein interessantes neues Geschäftsmodell für Immobilienentwickler darstellen. Wenn es keine Klimatechnik im Gebäude gibt, benötigt man auch keine Luftkanäle in den Decken. Hierdurch könnten zwischen zwei Stockwerken etwa 40-50 cm Platz eingespart werden, d.h. Wo bisher fünf Stockwerke möglich waren, könnte bei gleicher Gebäude- und Raumhöhe jetzt ein weiteres Stockwerk gebaut werden. Das eingesparte Geld wird noch ergänzt durch höhere Einnahmen und ein geringeres Risiko. Im Normalfall liegt die Gewinnschwelle für ein zehnstöckiges Gebäude bei einem Verkauf von 55 Prozent der Räume, Büros oder Wohnungen. Bei der vorgestellten Konstruktion, die Kosten bei Bau und Instandhaltung einspart, liegt die Gewinnschwelle bereits bei 46 Prozent.

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Der Bau dieser energiesparenden Gebäude reduziert also das Anlagerisiko. Ein niedrigeres Risiko aufgrund einer niedrigeren Gewinnschwelle führt wiederum zu günstigerer Finanzierung, die wiederum das Risiko senkt. Das Eastgate Shopping Center in Harare (Simbabwe) ist ein überraschendes erstes Beispiel für eine solch innovative Umsetzung der Bauplanung. Wo Nichteingeweihte vor einer größeren Immobilieninvestition in einem Hochrisikoland wie Simbabwe zurückschrecken, hat dieses Projekt alle Erwartungen übertroffen. Dieser Büro- und Geschäftskomplex blickt auf eine wahre Erfolgsgeschichte zurück. Es ist das beliebteste Gebäude in Harare, vor allem, weil es die niedrigsten Betriebskosten aufweist und dabei das meiste Publikum anzieht. Wer hätte geglaubt, dass das ökologischste Büro- und Geschäftsgebäude mitten in Simbabwe steht?

Bilder: StockXCHNG
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9. Metalle ohne Bergbau

Spart Energie, produziert reine Metalle und reduziert Elektronikschrott

Der Markt

In den Vereinigten Staaten von Amerika wurden im letzten Jahrzehnt etwa drei Milliarden Elektrogeräte verschrottet. Zuletzt lag das Gesamtvolumen bei 450 Millionen Stück Elektroschrott jährlich. Amerikanische Verbraucher werfen pro Tag 110 000 Computer weg. Elektroschrott ist die Sorte Abfall, die den am stärksten wachsenden Anteil Müll auf städtischen Müllhalden oder in Verbrennungsanlagen stellt. Auf der Welt werden im Jahr 2012 etwa 426 Millionen Computer verkauft. Bei der Produktion von elektronischem Gerät wird mehr Energie, Metall und Chemikalien verarbeitet als in allen anderen Produkten für den Haushalt.

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Anders als bei den meisten Haushaltsgeräten wie Kühlschränken oder Fernsehgeräten wird die meiste Energie nicht beim Gebrauch (19%), sondern bei der Herstellung (81%) von Elektrogeräten aufgewendet. Elektroschrott weist im Durchschnitt eine höhere Konzentration von Metallen auf als jedes Erz. Eine metrische Tonne verschrottete Computer enthält mehr Gold als 17 Tonnen Erz. Eine Tonne alte Handys, was 6000 Endgeräten entspricht, enthält 3,5 kg Silber, 340 Gramm Gold, 140 Gramm Palladium und 130 kg Kupfer. Japanische Verbraucher haben bereits über eine Milliarde Handys entsorgt und damit 3 500 kg Silber. Jeder EU-Bürger hinterlässt pro Jahr 40 kg Elektroschrott.

Während die einen nur die Schwermetalle wie Quecksilber, Blei, Kadmium und Brandschutzadditive im Blick haben, die eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen, bewerten andere die in den verarbeiteten Materialien eingeschlossene Energie und die Möglichkeit des Recyclings. Es wird erwartet, dass sich der Recyclingmarkt für Elektroschrott bis 2015 verdreifacht auf 14,7 Milliarden US-Dollar. Der Preis für verschrottete Leiterplatten erreichte im Januar 2010 einen Höchststand von US $ 5,36 pro Pfund, 50% höher als im Vorjahresmonat. Dieser Wert ist der geschätzte eigentliche Wert des in der Platte enthaltenen Metalls.

Die Innovation

Mikroben haben die Fähigkeit, Chelate zu bilden. Chelatbildung bezieht sich auf die Affinität von Bakterien zu einem bestimmten Metall. Seit Jahrmillionen sind Mikroorganismen aktiv in der Mobilisierung von Metallen aus Gestein, Mineralien und Mutterboden. Lebende Zellen reinigen und verarbeiten Metalle und stellen sie somit für die Bildung von Enzymen, Vitaminen und Genen zur Verfügung. Lebende Zellen sind imstande, Metalle zu verarbeiten. Genauer: Lebende Zellen können bestimmte Metalle erkennen und binden. Wenn man also Elektroschrott zu feinem Staub zermahlt und ein Medium schafft, in dem die Metalle an der Oberfläche gebunden werden, können ohne Einschmelzung aus dem Schrott reine Metalle gewonnen werden.

Wissenschaftler wie Prof. Irving DeVoe an der McGill University in Montreal, Kanada haben Bakterien untersucht, die Meningitis auslösen. Dr. DeVoe’s Daten zeigten, dass die Mikrobe extrem effizient bei der Gewinnung von Eisen, Kupfer und Zink ist und bemerkte bald, dass es viele Lebensformen gibt, die Metalle binden. Zusammen mit seinen Kollegen entwickelte er poröse Glasperlen mit hoher Affinität zu 42 verschiedenen Metallen, darunter Chrom, Kadmium, Kupfer und Quecksilber. Das Chargenverfahren stellte sich jedoch als zu umständlich heraus. Die finanziellen und operativen Ausgaben waren zu hoch und konnten nicht einmal mit den emporschießenden Goldpreisen Schritt halten.

Henry Kolesinski und Robert Cooley, zwei ehemalige Forscher von Polaroid und Waters Associates und Experten in Filmtechnologien. Sie bauten einen simplen Apparat, der das Chargenverfahren mit den Perlen umwandelt in eine dauernde Extraktion von Metallen auf einer dünnen Plastikfolie. Ihr Pionierunternehmen Prime Separations (USA) entwickelte eine kleine, kostengünstige Apparatur, die die Viabilität mittels gebrauchter Handys aus Japan, bereitgestellt von Dowa Mining, bewies. Die Energiekosten sind minimal und im Gegensatz zu anderen Metallrückgewinnungsprozessen funktioniert die Trenntechnik bei normaler Umgebungstemperatur und normalem Luftdruck. Der meiste Energiebedarf fällt beim Zermahlen des Elektroschrotts an. Die entscheidende Herausforderung ist die Massenherstellung der Folie. Die Ingenieure haben bereits die Beschichtung mit chelatbildenden Stoffen entwickelt; der nächste Schritt ist der Bau eines schnell rotierenden Systems, das Tonnen von Elektroschrott pro Stunde verarbeiten kann und nicht nur einige Kilo pro Tag. Die Technik der selektiven Gewinnung, die Prime Separations gesetzlich hat schützen lassen, wird ausgebaut werden zu Apparaten, die ähnlich wie Zeitungsdruckmaschinen aussehen werden.

Erster Umsatz

Die erste Einkommensquelle von Prime Separations ist die Entwicklung von Metallrückgewinnungssystemen vor Ort. Die Regierungen sind sehr interessiert, zu erfahren, wie die dramatisch großen Berge von Elektroschrott reduziert und giftige Versickerungen vermieden werden können. Wie kann ein Geschäftssystem aufgebaut werden, in dem Müll zirkuliert und die Kosten gedeckt werden, ohne ständig die Last auf den Steuerzahler zu erhöhen?

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Die Beratungsdienste, Bewertung des Potenzials und der Zahlungsströme bei Verbesserung der Leistung stellen den ersten Umsatz für das unternehmerische Vorhaben dar. Wenngleich jeder weiß, dass der potenzielle Wert des Metalls in einer Tonne gebrauchter Computer 15 000 Dollar beträgt, liegt der Schlüssel zum Erfolg in der Entwicklung eines Netzwerks von vor Ort operierenden Einheiten, die auf mehreren Zahlungsströmen basieren, so dass die teure und umständliche Entsorgung von Elektroschrott zu einer Geldquelle wird.

Die Chance

Langfristig beginnt die Chance mit dem Aufbau von Trennsystemen auf jeder Müllkippe oder Einrichtung von Elektroschrotthalden. Ebenso wie EarthStone Inc. in New Mexico sein Verarbeitungssystem auf der Müllhalde von Albuquerque aufgebaut hat, kann auch Prime Separations seine Anlagen rund um die selben Orte aufstellen, um zusätzliche Einkommensquellen zu erschließen und außerdem die Mülllast auf der Halde zu verringern. So wird die mögliche Betriebsdauer für die Müllhalde verlängert und das Risiko der Belastung durch giftige Substanzen sowie Versickerungen ins Grundwasser vermindert. Die Grundstückspreise auf und rund um Müllhalden sind niedrig, die Rohstoffe liegen vor der Tür samt Kapital und die Erträge durch das Endprodukt sind sicher.

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Die Implementierung dieser Innovation wird schon bald die Müllhalden bevölkern. Es ist nicht absehbar, dass der Strom von Elektroschrott eines Tages abreißt, und die Müllkippen bergen bereits so viel Wertstoffe, dass sich bald lohnen wird, daselbst zu graben. Für Entwicklungsländer besteht die Möglichkeit, allen Elektroschrott zu sortieren und den Aufbau von metallverarbeitenden Apparaten wie den durch Prime Separations entworfenen voranzutreiben. Wenn wir gleichzeitig den Rückgang der Nachfrage nach Stahl und Titan dank der Einführung von geometrisch manipulierter Seide berücksichtigen und dies kombinieren mit der Rückgewinnung von 99,98% aller Reinmetalle einschließlich der giftigen Sorten, dann wird sichtbar, wie die Blue Economy Kosten einspart und Einkommen steigert, während gleichzeitig gesunde und sozial verträgliche Arbeitsplätze entstehen.

Fotos: StockXCHNG, iStockphoto, Flickr
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8. Farbe ohne Pigmente

Weniger giftig, energiesparend, reduziert Bergbau und schafft neue Industrien

Der Markt

Der Weltmarkt für Farbpigmente und Färbungen wird gegenwärtig auf 20 Milliarden US-Dollar geschätzt. China ist nunmehr weltgrößter Hersteller. Der größte Abnehmer ist die Textilindustrie, während die Nachfrage vor allem bei Druckertinten steigt, da in jedem Haushalt mittlerweile Farbdrucker angeschafft werden. Marktführer wie Clarian, Dainippon, Ciba Specialty Chemicals und BASF bieten mehr als 5000 Sorten Farbe für die verschiedensten Produkte an: Lebensmittel, Papier, Plastikmaterialien, Malfarben, Kosmetik, Stifte, Seifen und Keramik.

Titandioxid ist das am meisten verkaufte Pigment und als Weißfarbstoff weltweit am weitesten verbreitet. Der Stoff wird entweder mit Schwefelsäure oder Chlor hergestellt. Das Titan selbst wird im Bergbau gewonnen und bei Temperaturen über 2000°C verarbeitet. Die Hersteller stehen vor einer weiteren Herausforderung: der Müllentsorgung. Jede Tonne Pigment verursacht vier bis zwölf Tonnen Abfälle einschließlich des giftigen Eisenclorids. Die Industrie musste die Herstellungsformeln und -methoden bereits stark modifizieren, da die Regierungen begannen, giftige Farbpigmente auf Blei- und Kadmiumbasis zu verbieten und strikter wurden in der Forderung von finalen Müllentsorgungsverfahren.

Die Verbraucher von Farbstoffen mussten sich den neuen Regulierungen anpassen. Die berühmte gelbe Pennzoil-Flasche war auf Bleibasis hergestellt. Während dieser hellgelbe Farbstoff 1,00 bis 1,50 US-Dollar das Pfund kostete, liegt die organische Alternative bei 30 Dollar pro Pfund. So wurde das giftige Gelb nach und nach durch einen neuen, weniger intensiven und ungiftigeren Stoff ersetzt. Caterpillar, der Hersteller von schwerem Gerät, der weltweit auf den Straßen für seine gelben Bagger bekannt ist, hat seine Firmenfarbe ebenfalls auf ein weniger intensives Gelb umgestellt, nachdem die Preise für Farbpigmente bedingt duch gesetzliche Auflagen dramatisch angestiegen waren. Gleichzeitig entstanden neue, weniger kostensensible Märkte, insbesondere auf dem Gebiet von Druckertinten. Dem Magazin PC World zufolge ist eine Viertelunze Tinte in einer Farbpatrone ihrem Gewicht nach teurer als importierter russischer Kaviar. So überrascht es nicht, dass Drucker fast geschenkt angeboten werden, um Kunden den Bezug von Farbe bei einem exklusiven Anbieter aufzuzwingen.

Die Innovation

Blaue und grüne Schmetterlinge, goldene und weiße Käfer sowie Pfauen haben Farben, die ohne jegliche Pigmente auskommen. Ihre Pracht erreichen sie durch völlig blei- und kadmiumfreie optische Effekte ohne Abfälle zu verursachen. Der Farbeffekt ist in biologisch abbaubaren Materialien, meist Chitin, Keratin oder Aminosäuren, eingekapselt. Der große Durchbruch gelang Prof. Andrew Parker (Natural History Museum, London, und Oxford University) durch die Beobachtung, dass Tiere nicht nur ein einziges Ziel verfolgen: Oberfläche und Farbe haben mehrere Funktionen. Parker fand heraus, dass der Schwarze Namibische Käfer in der Wüste einen niedrigen Taupunkt sichert und gleichzeitig das Eintreten der Hitze des Wüstensandes verhindert, obwohl er schwarz ist.

Parker erforscht die vielfältigen Vorteile, die erreicht werden können, einschließlich des Schutzes gegen ultraviolette Strahlung, Hitzeableitung sowie Absorption oder auch Schutz vor Wasser. Während in der Industrie jede dieser Funktionen gewöhnlich durch eine separate Formel erreicht wird, sieht Parker die wirkungsvolle Kombination, die zu einer Farbstruktur werden kann, die vielleicht in sich teurer ist als ein Farbpigment, für Endkunden jedoch billiger wird dank einer Bandbreite von zusätzlichen Funktionen, die sonst jeweils weitere Produkte erfordern würden, die in der Summe den Verbraucher teurer zu stehen kommen.

Parkers Entwürfe sind grundverschieden von der nanotechnologischen Innovation, die 2004 durch die japanische Chemiegruppe Teijin vorgestellt wurde, die die Herstellung von pigment- und Farbstofffreien Synthetikstoffen mit dem Markennamen Morphotex® eingeleitet haben. Teijin nutzt die Formel des Morpho-Schmetterlings aus den Regenwäldern Lateinamerikas, der ohne jedes Pigment kobaltblau schimmert. Teijin beschichtet Polyester mit Nylon, um rote, grüne, blaue und violette Farben zu erzeugen. Die Produktion ist noch auf 10-20 Tonnen pro Monat beschränkt, eine winzige Menge bei allem chemischen Standard, und der Verkauf beschränkt sich auf Hochzeitskleider und traditionelle japanische Komonos, bei denen der Schimmereffekt sehr beliebt ist.

Erster Umsatz

Parker setzte seine Erkenntnisse in vielfältiger Weise um, z.B. der Kreation einer neuen “Hologramm”-Technologie, die noch geheim ist, um sie vor Nachahmern zu schützen. Darüber hinaus gründete er eine Prozessentwicklungsfirma. Um die kommerzielle Verwertbarkeit auf vielen Sektoren zu beweisen, entwirft Parker Produktionsmethoden für Kristallglas, die Dekorationsfiguren wie Vögeln, die dann noch “echter” glitzern, da der Farbeffekt dann von den Vögeln selbst stammt. Zwar ist dies ein eher kleiner Markt, doch erlaubt er, einen Eindruck von der Vielseitigkeit der Technik zu erhalten.

Die Chance

Es gibt ein breites Feld von Einsatzmöglichkeiten auf praktisch allen wirtschaftlichen Sektoren. Eins der vielversprechendsten Felder ist möglicherweise der “Metallic-Effekt” in Kosmetika. InterCos, der führende Produzent von Kosmetikfarben, stellt pro Jahr 8000 verschiedene Farbvarianten für seine Kunden her. Da Kosmetika nicht so dauerhaft wie Autolacke halten müssen, ist die Industrie hier viel offener für die grundsätzlichen Neuerungen Parkers, die über die Farbe hinausgehen: die Vermarktung von weiteren Funktionen, die von der Struktur der Farbe in der Natur ausgehen.

Die Motivation, diese zusätzlichen Neuerungen auf den Markt zu bringen, liegt bei den Herstellern von Polymeren, die den Wasserverbrauch bei der Produktion von Kosmetika optimieren könnten. Da die von Parker entwickelten Metallic-Effekte ein Polymer benötigen, z.B. ein Silikat oder ein Kristallsubstrat, könnten Hersteller von erneuerbaren Kunststoffen höherwertig produzieren, indem sie neuartige Plastikmaterialien mit Farbeffekten herstellen. Erneuerbare Kunststoffe wurden bisher mit dem Ziel der Kostensenkung und Massenherstellung entwickelt, wie im Fall von Plastiktüten und Trinkbechern, die im ruinösen Wettbewerb stehen und oft nur vorausschauende Kunden finden, die mehr bezahlen, um weniger die Umwelt zu belasten.

Die Kombination von Kunststoffen aus erneuerbaren Ressourcen (Land- und Forstwirtschaft sowie Lebensmittelabfällen) mit Innovationen in der Färbung ohne Pigmente oder Farbstoffe könnte Gewinne bringen und weiter in den Markt eindringen. Jetzt, wo die Chemieindustrie von der Petrochemie zur Bio-Raffinerie übergeht, könnten neue Unternehmen wie Novamont in Italien (Biokunststoffe) oder Domsjö in Schweden (Ethanol auf Holzbasis) Pioniere auf dem Gebiet der Industriefusionen werden, indem sie die Innovationen von Parker auf Produkte anwenden, die unsere Autos, Heim oder Büro verschönern. Was als nächstes gebraucht wird, sind Unternehmer, die Nischen schaffen und Märkte erobern.

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7. So weich wie Seide

Seide – ein Stoff, der Geschichte schrieb

Dieser Artikel stellt den aktuellen Stand der Technologien aus Seide vor. Dies ist eine von vielen Innovationen im Rahmen der Blue Economy und Teil einer breit angelegten Bewegung um Mensch, Wirtschaft und Natur positiv in Einklang zu bringen.

von Markus Haastert, Anne Kathrin Kuhlemann


Hintergrund: Seide als Naturpolymer

Die Geschichte der Seide ist faszinierend. Vor über 5000 Jahren wurde in China die Seidenproduktion erfunden, ursprünglich als Nebenprodukt von Wiederaufforstungsmaßnahmen mit Maulbeerbäumen – die Herstellungsmethode wurde über 3000 Jahre lang wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Importierte Seide kostete auf europäischen Märkten mehr als Gold. Es war ein Material für Kaiser und Könige. Es wurde über die Seidenstraße in die westliche Welt exportiert, war lange Zeit das wichtigste Exportgut Chinas und trug zu dessen Aufstieg bei. Die Seidenproduktion schuf Arbeitsplätze auf dem Land, und der Handel trug zu den Anfängen der Globalisierung bei. Erst ab dem 12. Jahrhundert gelang es auch den Persern und Europäern, Seide herzustellen.
Seide ist ein komplett natürliches Produkt aus Proteinen und wird von den Raupen des Seidenspinners, aber auch von Spinnen, Muscheln und anderen Tieren hergestellt. Die Seidenraupe spinnt einen Kokon, in den sie sich für die Metamorphose zurückzieht. Für das Spinnen des Seidenkokons benötigt die Raupe zwei bis drei Tage. Vorher ernährt sie sich ausschließlich von den Blättern des Maulbeerbaumes. Die fertigen Kokons müssen zuerst in heißes Wasser getan werden, welches den Kleber löst, den die Raupen verwenden, um die Fäden zusammenzuhalten. Oft wird hierzu auch Wasserdampf verwendet. Dies tötet die Raupe im inneren des Kokons. Danach wird dieser zu einem langen Faden aufgerollt, der bis zu 3000 Meter lang sein kann. Bis zu acht Kokons werden auf einmal aufgerollt, um die Stabilität des gewonnenen Fadens zu erhöhen. 3.000 Kokons ergeben dabei circa 250g Seidenfaden.

Wildseide wird aus Kokons gewonnen, aus denen die Raupe schon geschlüpft ist. Allerdings birgt dies das Problem, dass man beim Aufwickeln viele kurze Fadenstückchen erhält. Daher müssen die Fäden beim Weben verdickt werden, was eine unregelmäßige Oberfläche des Stoffes erzeugt.
Nachdem Chinas Reichtum und Wachstum Jahrtausende lang durch das Geheimnis der Seidenproduktion beflügelt worden war, gilt das Produkt heute immer noch als Luxusgut für die westliche Welt.1

Trotz ihrer wunderbaren Eigenschaften (isolierend, antibakteriell, knittert kaum, brillanter Glanz) macht Seide als natürliche Textilie jedoch nur 0,2% der weltweiten Textilmarktes au.2 Sie überlebt nur noch als Luxusartikel und teilweise in teurer Sportkleidung wegen der Konkurrenz von viel günstigeren und strapazierfähigen Alternativen wie Polyester. Es ist also illusorisch zu glauben, dass Seide das Potenzial hat, heute gängige Textilien zu ersetzen. Allerdings gibt es andere Anwendungsbereiche, in denen Seide tatsächlich großes Potential birgt.

Im Jahr 2009 betrug die globale Plastikproduktion trotz Wirtschaftskrise rund 230 Millionen Tonnen.3 Die Kunststoffproduktion ist ein riesiger Geschäftszweig, und damit auch einer der größten Umweltverschmutzer. Dazu kommen zahlreiche Gesundheitsrisiken beim Umgang mit künstlichen Polymeren: Sie sind kaum kratzfest und temperaturbeständig, sodass sich unter bestimmten Bedingungen zahlreiche Additive lösen und in die Umwelt oder den menschlichen Körper gelangen. Die herkömmlich Produktion von Plastik verbraucht horrende Mengen an nicht nachwachsenden Rohstoffen viel Erdöl und Erdgas. Aus diesen Gründen wird seit einiger Zeit immer öfter auf Bioplastik gesetzt.4 Doch auch diese sind nicht unbedingt unproblematisch.

Kunststoffe aus Maisstärke stehen in Konkurrenz zum Lebensmittelanbau. Baumwolle hat einen extrem hohen Wasserverbrauch und kann ihr Anbau kann verheerende Umweltschäden hervorrufen (sehr gut zu sehen am Fall des Aralsees). Daher müssen Alternativen gefunden werden.

Innovation: Auf dem Weg zu neuen Märkten

Proteine sind Polyamide – und Seidenpolyamid hat das Potenzial, einige der oben genannten Probleme zu lösen. Seide ist fast um den Faktor 1.000 energieeffizienter in der Herstellung als Kunststoffe.5 Seidenraupen können nicht ohne Maulbeerbäume leben. Das bedeutet, dass für die Seidenproduktion Aufforstungsmaßnahmen vorgenommen werden. Da die Maulbeerbäume als CO2-Senke fungieren, hat die Seidenproduktion sogar Vorteile für das Klima. Weiterhin produzieren die Bäume natürlich sowohl Früchte als auch Biomasse, was ein weiterer, sehr wertvoller Rohstoff ist. In einer idealen Produktionsweise, würde die anfallende Biomasse zur Energie- und Wärmegewinnung verwendet werden. Diese Symbiose von Maulbeerbäumen und Seidenraupen für eine nachhaltige, natürliche Textilproduktion zu nutzen entspricht den Prinzipien der Blue Economy.

Weiterhin ist die Seidenproduktion sehr arbeitsintensiv, was einerseits den Preis erhöht, andererseits das Potential birgt, viele Arbeitsplätze zu schaffen, was gerade dort, wo sie traditionell hergestellt wird, auch notwendig ist (China alleine stellt heute über 80% der weltweit produzierten Rohseide her, Indien folgt mit weiteren 13%t6). Auch Brasilien spielt mittlerweile eine bedeutende Rolle in der Seidenproduktion.


Vor allem in der regenerativen Medizin gibt es zahlreiche vielversprechende Ansätze Seide zu nutzen, denn: Seide hilft dem Körper, sich selbst zu heilen. Es gibt Hinweise, dass praktisch alle Kulturen Spinnennetze zur Behandlung von Wunden verwendet haben.7 Die Spinnenseide unterstützt die Blutgerinnung und besitzt oft antibakterielle Eigenschaften. Außerdem ist Seide biokompatibel, und daher ideal für medizinische Anwendungen geeignet.8 Zum Beispiel für großflächige Hauttransplantationen bei Unfall- oder Verbrennungsopfern ist Seide ideal geeignet. Als Faden für medizinische Nähte wird Seide ohnehin schon sehr lange verwendet.

Potenzial: Heilung für Blinde und Gelähmte

Mediziner forschen unter Hochdruck daran, durchtrennte Nervenfasern durch Seide zu reparieren. Dabei bildet die Seide ein Gerüst, entlang dessen die körpereigenen Fasern entlang wachsen. Bei Schafen ist dies bereits gelungen, und Ärzte hoffen, künftig bis zu 6cm Nervenzellen damit wiederherstellen zu können. Selbst blinde Menschen, deren Sehnerv durchtrennt wurde, könnten damit eines Tage geheilt werden.9 Auch Implantate sollen künftig aus Seide stammen oder auch komplizierte Brüche fixieren – während der Knochen verheilt, löst sich die Seidenschraube im Körper von selbst auf.10

Die besonderen Eigenschaften von Seide haben auch das Interesse anderer Industrien geweckt, die sich den Wunderstoff zu Nutze machen möchten. So gibt es immer wieder Versuche, schusssichere Westen aus Seide herzustellen. Jedoch ist das Material der Seidenraupe nicht ideal für solche Zwecke geeignet. Vielversprechender ist hier Spinnenseide, also das Material, aus dem Spinnennetze bestehen. Dieses ist nämlich nochmal um einiges stabiler und elastischer als die Raupenseide.

1 http://www.theguardian.com/artanddesign/2012/jan/24/spider-silk-cape-show

2 http://www.bookpump.com/bwp/pdf-b/1124937b.pdf

3 http://www.plasticseurope.org/documents/document/20101006091310-final_plasticsthefacts_28092010_lr.pdf

4 http://www.umweltlexikon-online.de/RUBwerkstoffmaterialsubstanz/Kunststoffe.php

5 http://www.theguardian.com/science/2013/jan/12/fritz-vollrath-spiders-tim-adams

6 http://www.bookpump.com/bwp/pdf-b/1124937b.pdf

7 http://www.theguardian.com/science/2013/jan/12/fritz-vollrath-spiders-tim-adams

8 http://www.deutschlandfunk.de/medizin-mit-spinnenseide-nervenzellen-heilen.676.de.html?dram:article_id=304215

9 http://www.augsburger-allgemeine.de/wissenschaft/Spinnenseide-Neue-Hoffnung-fuer-Blinde-id18145806.html

10 http://www.wissenschaft.de/technik-kommunikation/materialforschung/-/journal_content/56/12054/3077301/Seide-als-Knochenflicker/

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6. Benzin aus dem Wald

create a multiple cash flow, regenerate biodiversity, power combustion engines

Schafft Umsatz auf mehrfache Weise, regeneriert die Artenvielfalt, treibt Verbrennungsmotoren an

Der Markt

Die Produktion von Gummiharzen durch Anzapfen von Nadelbäumen beträgt weltweit etwa 1,5 Millionen Tonnen. Das Harz wird zu Kunstharz (Kolofonium) für die Verwendung in der Papier-, Farb-, Tinten- und Klebstoffindustrie sowie Terpentin, einer hochentzündlichen organischen Chemikalie, weiterverarbeitet.

Die weltweite Produktion von wiederverwertbarem Terpentin erreicht 370.000 Tonnen. Es wird jedoch nur lokal für Lacke und Farben genutzt. Der Weltmarkt für diese Naturprodukte – die in großem Maße durch synthetische Stoffe auf Erdölbasis ersetzt werden – liegt bei unter einer Milliarde Euro.

Die Innovation

Als Soichiro Honda im Jahr 1947 sein Motorrad auf den Markt brachte, hatte es einen Terpentinantrieb. Damals war Benzin schwer zu beschaffen, und da 70 Prozent des japanischen Staatsgebiets Waldgebiet waren – hauptsächlich Nadelwälder – hat Honda das Anzapfen der Bäume sowie die Destillation und den Vertrieb von Terpentin parallel zum Motorradverkauf organisiert. Sein gleichzeitiges Angebot von Fahrzeug und Treibstoff war einzigartig. Jedoch musste man die Pedale sehr kräftig treten, um den Motor zu starten, und wenn er erst einmal lief, produzierte er zunächst eine Rauchwolke, die dem Gefährt schnell den Spitznamen „Schornstein“ einbrachte.

Paolo Lugari und sein Team in Las Gaviotas waren vor einem Jahrzehnt Pioniere auf dem Gebiet der Einführung von Biodiesel aus Palmöl. Las Gaviotas betrieb 2004 die erste Biodieselfabrik in Bogotá/Kolumbien, jedoch stießen sie durch den Einsatz von Methanol und den übermäßigen Ausstoß von Glyzerin als Nebenprodukt an wirtschaftliche Grenzen. Dann jedoch wandten sich die kreativen Köpfe des Teams dem Terpentin zu, einem Nebenprodukt bei der Harzverarbeitung.

Las Gaviotas, im Bezirk Vichada gelegen, importierte Treibstoffe für Traktoren und Motorräder zu hohen Preisen. Experten schätzten die Reinigung des Terpentins für einen sauberen Treibstoff als zu teuer ein. Paolo Lugari und seine Kollegen jedoch stellten sich der Herausforderung und entwarfen eine vierstufige Kaskadentechnik, die alle Verunreinigungen über 10 Mikrometer eliminiert. Wenn Honda so reines Terpentin zur Verfügung gehabt hätte, hätte er die massive Wiederaufforstung der Tropen gefordert und wäre gleichzeitig zum weltweiten Marktführer für Motorräder geworden.

Die Innovation geht noch einen Schritt über die einfache Reinigung von Terpentin mittels Schwerkraft und Zeit hinaus. Der Durchbruch liegt im Aufbau eines Geschäftsmodells, das vier Einkommensquellen in einem wieder aufgeforsteten Wald vereinigt. Eine Savanne wurde wieder zu Waldgebiet wie vor der Ankunft von Viehzüchtern, die Bäume geschlagen und gerodet hatten, um gebietsfremde Arten von Gräsern anzubauen.

Erster Umsatz

Las Gaviotas machte sich einen Namen in der Welt des nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Gewerbes mit der Einführung von solarbetriebenen Boilern. Durch die Installation von 40.000 Solarboilern mit 25 Jahren Garantie hat das Forschungszentrum bewiesen, dass es in Preis und Performance wettbewerbsfähig ist. Die Wiederaufforstung des Waldes kostet etwa 1.100 US-Dollar pro Hektar. Beim Wachsen erhöht der Wald den pH-Wert des Bodens und filtert so das Regenwasser. Der Verkauf des Trinkwassers generiert den ersten Umsatz, der auch der präventiven Gesundheitsversorgung in einer Region zugute kommt, in der ein Großteil der Bevölkerung an Erkrankungen des Verdauungssystems aufgrund von Trinkwassermangel leidet.

Las Gaviotas deckt den gesamten regionalen Bedarf an gefiltertem Wasser und der Überschuss wird in Bogotá verkauft. Nach sieben bis acht Jahren beginnt der junge Wald, Gummiharz zu produzieren. Da Las Gaviotas erneuerbare Energie am Ort produziert und das Harz lokal verarbeitet, werden Arbeitsplätze geschaffen und der Geldfluss gestärkt. Die Suche nach weiteren Umsatzmöglichkeiten, vor allem nach der Verringerung von Treibstoffimporten führte zur dritten und vierten Einnahmequelle: Terpentin und Kohle.

Die Chance

Wenn Las Gaviotas seine 8.000 Hektar mit etwa 3,6 Millionen Bäumen bepflanzen und unter Volllast produzieren würde, könnten pro Jahr 2,3 Millionen Liter Terpentin als erneuerbarer Biotreibstoff gewonnen werden. Inputs von außen sind nicht nötig. Da Treibstoff in der Region zu einem Literpreis von 3 Euro importiert wird, bedeutet die Verarbeitung von Terpentin zu sauberem erneuerbarem Treibstoff mehr Kapital für die Basis der Bevölkerung. Das Geld, das sonst der lokalen Wirtschaft entzogen würde, zirkuliert nun in der Region, schafft Arbeitsplätze und Einkommen.

Jeder, der in der Nähe von Nadelwäldern ist, kann das Baumharz einfangen. Statt das Harz nur zu Kolofonium zu verarbeiten, sollte eine Bioraffinerie zur vierfachen Generierung von Umsatz aufgebaut werden. Dies ist gewinnträchtig. Als JP Morgan die Zahlen des bereits von Arbeitern von Las Gaviotas aufgeforsteten Waldes studierte, kamen die auf neue Märkte spezialisierten Banker zu dem Ergebnis, dass die Regeneration eines tropischen Regenwaldes in einer Savanne – die einst Waldgebiet war – innerhalb von elf Jahren kostendeckend wirtschaftet, d.h. dass nach wenig mehr als einem Jahrzehnt die Investitionen des ersten Jahres wieder eingenommen sind. So überrascht es nicht, dass der Präsident der JP Morgan sich Zeit nahm, den Präsidenten Kolumbiens zu besuchen, um diese Anlageoption zu unterstützen.

Verschiedene Nadelbaumsorten produzieren unterschiedliche Mengen Terpentin. Besonders beanspruchte Hölzer wie Tropenbäume, die beispielsweise auf dem kargen Boden des Orinocobeckens wachsen, aber auch solche in Hochlandregionen wie Bhutan im Himalaya produzieren mindestens einen halben Liter reinen Terpentintreibstoff pro Jahr. Ausgewachsene Bäume könnten sogar einen Liter pro Jahr liefern. 2.500 Bäume könnten genug Treibstoff generieren, um mit einem energieeffizienten Auto bei einem Treibstoffverbrauch von fünf Litern pro 100 Kilometer 50.000 Kilometer zu fahren. Dies stellt eine attraktive Option für weit abgelegene Gebiete dar, da es nicht darum geht, mit den Diesel- oder Benzinpreisen allgemein zu konkurrieren, sondern ein Geschäftsmodell zu schaffen, in dem Investitionen sich fortwährend rentieren und die Region aufzuwerten. Nicht zuletzt kann das gewonnene Holz zur Stiftproduktion an renommierte Firmen wie Faber-Castell verkauft und so ein fünfter Umsatz erzielt werden.

Landstriche, die kein Einkommen erzielen und kein Trinkwasser besitzen, sind wertlos. Ein Wald, der einzig und allein biologische Vielfalt bietet, ist immer in Gefahr, zerstört zu werden. Dies macht es notwendig, einen Mehrwert zu schaffen, eine Voraussetzung, um nachhaltig neue Arbeitsplätze zu schaffen. Ein neu gepflanzter Wald, der Einkommen schafft sowie immediate Bedürfnisse nach Wasser und Treibstoff befriedigt, ist wertvoll. Das von Las Gaviotas entwickelte Geschäftsmodell schafft mehr soziales Kapital für die örtliche Bevölkerung als die Kapitalerträge durch Ankauf von Microsoft-Aktien über 25 Jahre. Wer ist bereit, dasselbe zu tun?

Fotos:
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5. Glas als Baumaterial

Beispiel 5

Schaumglas: Die grüne Art zu dämmen?

Dieser Artikel stellt den aktuellen Stand der Technologien aus Schaumglas vor. Dies ist eine von vielen Innovationen im Rahmen der Blue Economy und Teil einer breit angelegten Bewegung um Mensch, Wirtschaft und Natur positiv in Einklang zu bringen.

von Markus Haastert, Anne Kathrin Kuhlemann, Malte Plewa

Hintergrund: Was ist Schaumglas?

Das Baugewerbe ist in Industriezweig, in dem der Nachhaltigkeitsgedanke erst relativ spät Fuß fassen konnte. Heutzutage allerdings boomt das Geschäft mit dem umweltfreundlichen Bauen. In den USA wird in 2016 mit einem Gewinn von 245 Milliarden Dollar aus dem green construction business gerechnet. Dementsprechend kommen auch regelmäßig neue Produkte auf den Markt, die versprechen das Baugewerbe noch nachhaltiger und grüner zu machen. Heute schauen wir uns eines dieser Produkte etwas genauer an, nämlich das Schaumglas (Foamglass).

Zur Produktion von Schaumglas wird Glas zu Staub zermahlen, mit Kohlenstoff angereichert und dann auf circa 900 Grad erhitzt, so dass es anfängt zu Schäumen. Der Kohlenstoff reagiert mit Sauerstoff zu Kohlendioxid, welches für die Bläschen verantwortlich ist. Nachdem man es langsam abkühlen lassen hat, erhält man harte Schaumstoffplatten. Anstatt Platten, kann auch Granulat aus Altglas hergestellt werden. Dazu wird das aufgeschäumte Glas sehr schnell heruntergekühlt, so dass es zerbricht.

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Die Produzenten von Schaumglas beziehen sich darauf, dass es zu einem Großteil aus Altglas hergestellt werden kann. Dadurch wird Müll zu etwas wertvollem verwandelt. Glas ist generell ein Stoff, der immer wieder eingeschmolzen und neu geformt werden kann; allerdings mit einem erheblichen Energieaufwand.

Schaumglas hat einige Eigenschaften, die es zu einem beeindruckenden Dämmmaterial machen. Es nimmt kein Wasser auf, so dass es nicht zu Schimmel- oder Pilzbefall kommen kann und es sehr schnell trocknet. Außerdem gibt Schaumglas keine Stoffe an die Umwelt ab oder nimmt welche auf und reagiert nicht mit Chemikalien; es ist somit komplett inert. Durch seine Beständigkeit verliert dieses Material auch nicht an seiner Isolierfähigkeit, im Gegensatz zu anderen Dämmmaterialien. Die in den Zellen eingeschlossenen Luftpartikel sorgen für relativ gute Dämmeigenschaften. Die Hitzebeständigkeit ist beeindruckend, so liegt der Schmelzpunkt bei 650 Grad Celsius. Dadurch müssen auch keine chemischen Brandschutzadditive hinzugefügt werden. In Granulatform ist das Material auch frostbeständig. Auch kontaminiertes Glas, wie z.B. aus Fernsehröhren oder quecksilberhaltigen Lampen, kann zur Schaumglasherstellung verwendet werden. Während des Mahlvorgangs werden Schwermetalle vom Glas abgespalten und an Metallschmelzöfen geliefert1.

Trotz dieser beeindruckenden Eigenschaften muss man den Lebenszyklus des Produktes näher betrachten um eine Aussage über sein Potential als neuer grüner Baustoff treffen zu können.

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Innovation: Dämmen und Bauen mit Schaumglas

Glas wird aus Sand, Kalkstein, Dolomit und Feldspat hergestellt; der Herstellungsprozess ist sehr energieintensiv. Die Ausgangsstoffe werden auf bis zu 1600 Grad Celsius erhitzt und so zusammengeschmolzen. Da der Energieverbrauch derart hoch ist, ist es einer Studie des Umweltbundesamtes zufolge unmöglich, Glas jemals nachhaltig zu produzieren2.

Für die Herstellung von einem Kilo Glas werden 14 Mega-Joule Energie benötigt. Pro Prozent Altglasanteil werden circa 0,25 Prozent Energie gespart. Bei einem Altglasanteil von 75 Prozent, wie es bei der Herstellung von Schaumglas angepeilt wird, werden also knapp 19% Energie eingespart. Bei der Dämmung mit Schaumglasplatten werden allerdings auch Aluminiumplatten verwendet. Zur Herstellung von einem Kilo Aluminium werden über 120 Mega-Joule Energie benötigt.3 Der Primärenergieverbrauch von einem Kubikmeter Schaumglas liegt zwischen 750 und 1600 Kwh. Vergleicht man also die Energie, die zur Herstellung der Materialien für die Schaumglasdämmung benötigt wird, mit der Energie, die zur Herstellung anderer Dämmmaterialien, wie zum Beispiel Hanf, verbraucht wird, ist die Bilanz nicht unbedingt rosig.

Auch bei den Dämmeigenschaften bleibt Schaumglas hinter einigen seiner Konkurrenten zurück. Hanf, der zum Dämmen verwendet wird, hat eine mehr als doppelt so hohe Wärmespeicherkapazität (2300 J/KgK) wie Schaumglas (bis zu 1100 J/KgK).

Der Vorteil von Schaumglas ist aber, dass etwas, das früher als Müll betrachtet worden ist, einen Wert bekommt. In Deutschland werden Schätzungen zufolge jährlich ca. zwei Millionen Tonnen Altglas gesammelt.4 Davon werden momentan 85% recycelt.5 In den USA sieht das schon etwas anders aus; dort werden von den 11,6 Millionen Tonnen anfallenden Glasmülls lediglich 28% wiederverwertet.6 Dort ist der Bedarf also enorm. Leider wird gerade in den beiden amerikanischen Schaumglasfabriken kein Recycling-Glas, sondern jungfräuliches Material verwendet.7

Viele Flughäfen weltweit werden übrigens mit Schaumglas gedämmt. So zum Beispiel die Flughäfen von Doha, Dubai, Paris und Düsseldorf. Allerdings ist Schaumglas als reiner Dämmstoff eine sehr teure Anschaffung.

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Potenzial: Nachhaltigkeit und neue Anwendungsbereiche

Das Material wird mittlerweile nicht mehr nur zur Dämmung verwendet, sondern auch als Trägerstoff in der Bauindustrie. Besonders der Schaumglasschotter hat wird immer öfter in Fundamenten verwendet, oder auch im Straßenbau. Eine Studie norwegischer Wissenschaftler hat gezeigt, dass sich Schaumglasschotter sehr gut als Straßenbaumaterial eignet, da es große Lasten abfedern kann und weder von großer Hitze, Feuchtigkeit noch Frost deformiert wird8. Die Studie kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass Schaumglasschotter auch als Material zur Flugpistenkonstruktion geeignet ist. Auch Parkdecks werden aus diesem Material hergestellt.

Es ist mittlerweile also möglich, Beton durch Schaumglas zu ersetzen. Und da liegt das eigentliche grüne Potential dieses Materials. Anstatt Beton, dessen Produktion sehr energieintensiv ist, und der im Gebäudebau meist mit relativ viel Stahl kombiniert werden muss, kann recyceltes Altglas verwendet werden. Setzt man Schaumglas als Wandmaterial ein, spart man sich zudem die Dämmung, die beim Bauen mit Beton noch zusätzlich anfällt. Hierfür wird Schaumglas in Aluminiumblechrahmen vorgefertigt – die Bauzeit vor Ort kann deutlich reduziert werden. Wird also nicht nur der Beton und Stahl, sondern auch die Dämmung durch Schaumglas ersetzt, und zudem eine Verkürzung der Bauzeit erreicht, wird Schaumglas als Baumaterial auch wirtschaftlich hoch interessant – und das muss es auch sein, wenn es Beton & Co. ernsthaft Konkurrenz machen will.

Beton benötigt 3-4 MJ Energie pro kg bei der Herstellung, Stahl ca. 80 MJ – ein 80:20 Mix vorausgesetzt, ist der Energieaufwand etwa gleich hoch wie der von Schaumglas in Aluminiumblechrahmen (beides aus Recycling). Die fertigen Bauteile aus Schaumglas können jedoch besser wiederverwendet werden als Beton, der lediglich als Granulat (Bauschutt) noch Verwendung finden kann. Für die Bauindustrie ist dieses Produkt also voller Einsatzmöglichkeiten. Die Umweltfreundlichkeit ist aber von einigen Bedingungen abhängig. Zuerst einmal ist es essentiell, dass es zum größten Teil aus Altglas besteht. Die Produktion von neuem Glas ist sehr energieintensiv und absolut unnötig, solange nicht 100% des aktuell produzierten Glases wiederverwertet werden.

Weiterhin sollte die Energie, die zur Herstellung verwendet wird, möglichst aus Abwärme von industriellen Prozessen oder durch Deponiegasverwertung gewonnen werden. Wenn es möglich ist, die Wärme, die durch Verrottungsprozesse auf Mülldeponien entsteht in einer benachbarten Schaumglasfabrik zu verwenden, könnten Transportwege gespart und die Energieproduktion gedrosselt werden. Zumindest sollte zur Produktion aber erneuerbare Energie verwendet werden, wie es der größte Hersteller in Europa, Pittsburgh Corning Europe NV, auch tut9.

Auch das CO2, dass auf Mülldeponien entsteht, kann im Produktionsprozess von Schaumglas verwendet werden. So entsteht eine Möglichkeit, den Ausstoß von Klimaschädlichen Gasen zu reduzieren. Außerdem muss sichergestellt werden, dass das Material selbst auch in den Wiederverwertungskreislauf eintritt.

Schaumglas hat den ökologischen Vorteil, dass es keine Stoffe an seine Umwelt abgibt; es ist chemisch komplett inaktiv. Dadurch kann es, sobald es auf einer Müllhalde landet, die Umwelt nicht vergiften. Dies ist gerade bei Dämmmaterialien oft ein großes Problem. Kunststoffe wie XPS (Styropor) werden oft mit Flammschutzmitteln behandelt, sodass sie einen großen Anteil an Giftstoffen beinhalten wenn sie entsorgt werden. Da Schaumglas durch seine Eigenschaften keine weiteren Additive benötigt, entstehen solche Probleme nicht.

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Doch auch abseits der Bauindustrie findet Schaumglas mittlerweile Verwendung. Feinkörniger Schotter wird als Substrat für Pflanzen im Gartenbau und bei Dachbegrünung verkauft. Außerdem sind die Eigenschaften des Materials ideal zur Reinigung harter Oberflächen und zum Schleifen. „Schwämme“ aus Schaumglas zum Reinigen von Grills, Pools, Sanitäranlagen oder Küchengeräten sind bereits auf dem Markt. Auch als eine Alternative zu Sandpapier wird es verkauft10. Wirtschaftlich sind diese Produkte leichter zu vermarkten, da nur verhältnismäßig wenig Material benötigt wird – und verschiedene Schaumglasqualitäten, also auch Ausschuss, zum Einsatz kommen. Zahlreiche weitere Anwendungsbereiche werden in nächster Zeit höchstwahrscheinlich folgen, schaut man sich einmal das Tempo an, mit dem das Produkt sich auf dem Markt etabliert hat.

Die Schaumglastechnik kann dazu beitragen, Millionen Tonnen von Müll in ein wertvolles und zudem wirtschaftlich attraktives Produkt zu verwandeln. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass dieser Prozess nachhaltig stattfindet. Als Ersatz für traditionelle Baumaterialien birgt Glasschaum ein großes nachhaltiges Potential, da es Ressourcen spart und stabiler ist, als herkömmliche Materialien – Gesundheitsbedachten bietet es den enormen Vorteil, nahezu vollständig auf chemische Zusätze zu verzichten.


Weitere Informationen zu den 100 Beispielen unter http://www.blueeconomy.de.

Die Veröffentlichung und Verbreitung dieses Artikels, einschließlich aller Übersetzungen, bedarf einer schriftlichen Genehmigung. Bitte wenden Sie sich an [email protected].


1http://www.vegvesen.no/_attachment/110552/binary
/192735?fast_title=Paper%3A+Granulated+Foamed+Glass+for+Civil+Engineering+Applications
2http://www.umweltbundesamt.de/themen/wirtschaft-konsum/industriebranchen/mineralindustrie/glas-mineralfaserindustrie
3http://www.hunold-knoop.de/wissen/wissenwertes/energieverbrauch.html
4http://was-passt-ins-altglas.de/
5http://www.glasaktuell.de/zahlen-fakten/
6http://www.epa.gov/osw/conserve/materials/glass.htm
7http://www.greenbuildingadvisor.com/blogs/dept/energy-solutions/foamglas-my-new-favorite-insulation-material
8http://www.vegvesen.no/_attachment/110553/binary/192736?fast_title=Presentation%3A+Granulated+Foamed+Glass+for+Civil+Engineering+Applications+
9http://bau-umwelt.de/download/C327a7c56X13363a688a0X7207/EPD_PCE_2008111_D.pdf
10https://www.earthstoneinternational.com/

Fotos: SXC, Koljern, Wikipedia
https://www.flickr.com/photos/26137056@N05/3437017958

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4. Strom ohne Batterien

Keine Batterien

Dieser Artikel stellt den aktuellen Stand unterschiedlicher batterieloser Technologien vor. Dies ist eine von vielen Innovationen im Rahmen der Blue Economy und Teil einer breit angelegten Bewegung um Mensch, Wirtschaft und Natur positiv in Einklang zu bringen.

von Markus Haastert, Anne Kathrin Kuhlemann

Hintergrund: Milliarden Batterien vergiften die Müllhalden

Die Erfindung der Batterie war eine Revolution. Sie hat es möglich gemacht, Energie dorthin zu transportieren, wo und wann man sie brauchte. Mittlerweile haben die meisten elektrischen Geräte irgendeine Art von Batterie oder Akku verbaut, sodass sie auch laufen, ohne ans Netz angeschlossen zu sein.

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Doch kurze Akkulaufzeiten und sich schnell entleerende Batterien sind ein Ärgernis, das jeder kennt. Auch umwelttechnisch sind Akkus und Batterien problematisch: für ihre Produktion werden nichterneuerbare Rohstoffe wie seltene Erden benötigt, die nicht unbegrenzt auf der Erde vorkommen. Während ihrer Produktion wird CO2 ausgestoßen, welches zur weltweiten Klimaerwärmung beiträgt. Allein in den USA werden jedes Jahr 3 Milliarden Batterien weggeworfen, in Deutschland sind es 1,5 Milliarden Batterien jährlich. Weltweit werden jährlich 15 Milliarden Batterien hergestellt und verkauf, um den ‚Abfall‘ zu ersetzen. In Batterien sind oft Schwermetalle wie Cadmium, Quecksilber und Blei enthalten, diese sind hochgradig umwelt- und gesundheitsschädlich.

Batterien sind daher im momentan eines der größten Forschungsgebiete. Zum Beispiel werden für Elektroautos sehr teure Batterien benötigt, die trotzdem nur für maximal 500 Kilometer Energie speichern können. Es wird an immer kleineren Batterien mit immer größerer Speicherkapazität geforscht.

Doch die Wissenschaft geht auch noch in eine ganz andere Richtung. Wenn es möglich wäre, Energie nicht mehr zentral zu produzieren und dann zu einem bestimmten Ort transportieren zu müssen, sondern die Energie direkt dort zu produzieren, wo man sie benötigt, würden sehr viele Probleme einfach wegfallen. Leere Akkus und Batteriemüll könnten so der Vergangenheit angehören.

Innovation: Abwärme in Elektrizität verwandeln

Um uns herum wird unfassbar viel Energie als Abwärme abgegeben und nicht genutzt. Die Frage ist nun, wie man diese Wärme einfangen und dann in nutzbare Elektrizität umwandeln kann, um Uhren, Handys oder Laptops zu betreiben – ganz ohne Batterie. Allein der Körper eines Mannes produziert jeden Tag zwischen 100 und 120 Watt. Das wäre genug, um die portablen elektronischen Geräte, die man im Alltag verwendet, mit Energie zu versorgen.

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Die Forschung in diesem Bereich schreitet sehr schnell voran. Thermoelektrische Generatoren sind im Moment die Technologie, die am vielversprechendsten aussieht. Dabei handelt es sich um kleine flexible Scheibchen, die die Wärmeunterschiede zwischen der menschlichen Haut und der Außentemperatur in Elektrizität umwandeln. In die andere Richtung funktioniert diese Technologie schon sehr gut und wird zum Beispiel zur PC-Kühlung verwendet. Elektrizität wird zugefügt, und dadurch werden die Wärmeunterschiede auf den beiden Seiten des Scheibchens größer. Nun muss dieses Prinzip nur umgedreht werden, so dass aus den Wärmeunterschieden Strom erzeugt werden kann. Vor kurzem haben koreanische Wissenschaftler vom Korean Advanced Institute of Science and Technology ein Armband entwickelt, das zehn mal mehr Elektrizität produziert als ähnliche Geräte, da es auf ultraleichtem und sehr flexiblem Glasfasermaterial gedruckt wurde. Es wird solange Energie produziert, wie die Lufttemperatur niedriger ist, als die Körpertemperatur des Trägers. Dieses Gerät wurde für medizinische Zwecke kreiert, wie zum Beispiel als Energiequelle für Herzsensoren. Aber theoretisch kann es auch Handys oder sogar Laptops betreiben. Der Markt für so eine portable Ladestation wäre gigantisch.

Schon im Jahr 1998 brachte die japanisch Firma Seiko die erste Uhr heraus, die durch die Transformation von menschlicher Wärme zu Elektrizität funktioniert. Allerdings wurden davon nur 500 Stück produziert. Der hohe Verkaufspreis von über 2000 Euro führte zu einer sehr zurückhaltenden Nachfrage. Es gibt natürlich auch Uhren, die die kinetische Energie ernten, die entsteht, wenn sich der Arm des Trägers bewegt. So benötigen sie keine Batterie und müssen nicht aufgezogen werden.

Potenzial: Batterielose Herzschrittmacher?

Eine ganz ähnliche Technologie könnte abseits von der Energieversorgung für Telefone und Computer auch in der Medizin Verwendung finden. Vor kurzem hat ein Wissenschaftler aus der Schweiz einen Herzschrittmacher gebaut, der ähnlich funktioniert wie ein Uhrwerk – aber ohne eine Batterie. Die nötige Energie, die zum Betreiben des Herzschrittmachers benötigt wird kommt direkt aus dem Herzen – durch seine regelmäßigen Schläge. Diese kinetische Energie kann aufgefangen und geerntet werden und genügt, um das Gerät zu betreiben. Erste erfolgreiche Versuche an Schweinen haben bewiesen, dass die Technologie durchaus realistisch in der Umsetzung ist.

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Ein batterieloser Schrittmacher würde den Patienten zahlreiche Operationen ersparen, die nötig sind, um die Batterie des Schrittmachers zu wechseln. Da solche Operationen immer ein Risiko sind, könnten dadurch Leben gerettet werden und natürlich auch Kosten gespart werden. Über 75.000 Herzschrittmacher werden allein in Deutschland jedes Jahr implantiert. Nach einigen Jahren muss bei jedem dieser Geräte die Batterie gewechselt werden. Durch Herzschrittmacher ohne Batterie könnten also zahlreiche Operationen vermieden werden. Gerade für ältere Menschen stellt jede Operation ein großes Risiko dar. Und jungen Menschen mit Schrittmacher könnten zahlreiche Operationen im Verlauf ihres Lebens erspart bleiben.

Wenn es heute schon möglich ist aus Körperwärme genug Energie zu produzieren um ein Smartphone aufzuladen, dann tun sich ganz neue Potentiale für diese Technik auf. Um uns herum wird sehr viel Energie einfach als Abwärme in die Umwelt gepumpt. In Fabriken, Elektrizitätswerken, Müllhalden oder Transportmitteln wie Auto oder Flugzeugen werden jeden Tag riesige Mengen an Wärme verschwendet, die man zu Elektrizität konvertieren könnte, die dann direkt vor Ort verwendet, oder ins Stromnetz eingespeist werden könnte. Für neue Innovationen ist also noch viel Raum.

 

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Quellen:

http://everyday-green.com/html/battery_statistics.html

Schaeffer, John (2015): The Real Goods Solar Living Sourcebook, 14. Aufl., New Society Publishers, Gabriola Island

http://www.k2battery.com/technology-clean.html

http://www.forbes.com/2010/06/07/nanotech-body-heat-technology-breakthroughs-devices.html

http://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/produktverantwortung-in-der-abfallwirtschaft/batterien

 

Bilder:
https://www.flickr.com/photos/moria/393087509

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3. Kaffee: Von Fasern zu Proteinen

Proteins from Organic Waste

This article presents the state of the art in mushroom innovations. This is one of many innovations that shape the Blue Economy and part of a broad movement to positively balance humankind, economy and nature.
By Markus Haastert and Anne-Kathrin Kuhlemann

Background: Feeding 10 billion people

IThe current research into human population has come up with some disturbing results. As it stands, by the year 2050 the world’s current population of 6.9 billion people could very well rise to staggering 9.6 billion. Taking into consideration that livestock farming currently takes up about 30% of land that is not completely covered in ice and that it is responsible for 18% of today’s global warming effect, it is not at all reassuring to know that if we follow the data, the livestock production will undoubtedly double by the year 2050 if we do not make some drastic changes in our eating habits.
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The most notable reason for the increase in cattle farming is the nutritional value it has to human lifestyle, mainly the amount of protein it provides to us. The amount of protein we currently consume daily per person is 75.3 grams on average worldwide, 24.3 grams of which is pure animal protein. If we look at this situation from the biological point of view, it is not necessary for a human being to have the plant protein circulated trough animals before it is ingested. Plants like soybeans include all the necessary amino-acids for a human to function healthily. And to top it all off, the amount of water that is required to get 1kg of grain-fed beef is 100,000 liters; compared to that, soybeans ‚only‘ require 2,000 liters per 1kg.
With the arrival of modern technologies, many alternatives to meat were found for our protein fueled diets. One of the most notable substitutes is Mycoprotein, which is the protein contained in mushrooms. Mushrooms have been known to contain much larger amounts of protein compared to plants, up to 23 grams of protein per 100 grams of mushrooms. And these are all ‘complete proteins’ meaning they contain all the amino-acids that the human body needs to operate normally.
Lately a new way of cultivating mushrooms has appeared. As it stands, the dried up shells and pulp from coffee has proven to be an exceptional base for growing mushrooms as it increases their growth speed almost threefold. The other important benefit is that the artificial logs made this way are caffeine rich. The latest research has shown the caffeine from coffee beans to be a natural insecticide, reducing the growth of mushroom related pests by approximately 50%, and that dried tea leaves which contain up to three times more caffeine provide two to three times better effect.

Innovation(s): from food to packaging to soil remediation

This form of mushroom cultivation was practiced in developing countries for many years, but pioneered in the Western world by two Berkley University students in 2009. Nikhil Arora and Alejandro Velez were the first to create a brand out of coffee-grown mushrooms and with it they have started a small revolution in both the mushroom growing industry as well as waste disposal management. Following their lead, roughly a dozen companies have entered the market in Europe since 2010. Chido’s mushrooms in Germany and GRO-Holland in the Netherlands have established themselves with two different business models: GRO processes the coffee grounds from a single chain of coffee shops and then returns most of the fresh mushrooms produced on these to be sold in that same chain – thus reducing two of the major cost drivers in decentral mushroom production: logistics and sales. Chido’s mushrooms on the other hand focuses on producing a home growing kit from coffee waste, allowing customers to grow their product fresh right inside their own home.

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Since then, many more companies have emerged: Fungi Futures, a company based in Devon, created the GroCycle Urban Mushroom Farm in an abandoned building right in the heart of the city. This helps provide the city’s restaurants with fresh product as well as spread the word about this new, environmentally friendly technique. Fungi Futures also offers a Kit for home production of mushrooms. British Espresso Mushroom Company also produce kits for home production, similar to RecoFunghi and Funghi Espresso from Italy, EK-Miro in Poland, RotterZwam from the Netherlands, Prêt à pousser and Boîte à Champignons from France, Perma Fungi in Belgium, Gumelo in Portugal or resetea and Seta’s pocket gourmet based in Spain – and others yet to come. In the past four years, almost every country in Europe has received a representative in the coffee-grown mushroom market, many of them receiving awards for their ecological business endeavours.
The best part is that the nutritional value of mushrooms is only a tiny part of what they can be used for. In 2007 a company named Ecovative presented an alternative to plastic made (grown) entirely from the mycelium of fungi. If production can become cheaper, this material might very well replace plastic and Styrofoam in the future, since it offers all of their benefits without the catastrophic impact on the environment.
Furthermore, fungi are one of nature’s most efficient ways to cleanse the soil. For this reason scientists like Mohamed Hijri of the University of Montreal’s Institut de Recherche en Biologie Végétale (IRBV) have been using fungi to purify the soil contaminated by heavy-metals, which would take thousands of years to become habitable again if left on its own.

Potential: fuel, cancer cure – and food security for all

In the future humanity should look to prevent the pollution caused by oil industry rather than trying to fix the damage after it was caused. For this reason people like Adrian Tsang, Professor of Biology at Concordia University, are looking for alternative ways to create biofuel. Since corn is mainly used for producing biofuel, many people find it controversial considering the food crisis plaguing some parts of the world. Prof. Tsang’s research is looking to replicate the chemicals used by fungi for decomposing plant material, allowing him to create biofuel from potentially wasted biological material, and reducing the disruption of the natural CO2 cycle.

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The pharmaceutical industry has started taking interest in the benefits that mushrooms offer. It was discovered that fungi hold a strong antiviral potential. Since viruses can not be treated like bacteria wit antibiotics, many strains of mushrooms have shown a very useful ability to slow down viral enzymes and absorption of viruses into the cells of mammals. And with researchers like Paul Stamets, one of the most notable names in Mycology circles, constantly discovering new species and new information on the fungus genome, like for example the use of mushrooms for HIV and cancer treatment, the possibilities just keep piling up.

Many different industries have started taking interest in the possible uses of mushrooms. Everyone from pharmaceutical companies to waste disposal experts is finding the use of mushrooms in their fields. Construction companies can look forward to the development of the new fungal-based materials that may very well replace everything from plastic to materials used for house insulation. And environmentalists can hope to see the methods for reducing oil-company damage to the environment and maybe even completely preventing it, in the near future.

With all this being said, the most basic needs should come first. If mushroom cultivation is brought to peasants and smallholders around the world, a steady supply of mushrooms would become possible. This would first and foremost increase food security, since even crop failures can be used as substrate to grow healthy, protein rich food. A vision several NGOs have begun turning into reality.

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Sources:

  1. http://www.news.cornell.edu/stories/1997/08/us-could-feed-800-million-people-grain-livestock-eat

  2. http://www.new-harvest.org/wp-content/uploads/2013/04/AAB-food-security-conf_Tuomisto-2010.doc-Compatibility-Mode.pdf

  3. http://www.powerofmushrooms.com.au/health-nutrition/health-nutrition/protein-carbohydrates/

  4. http://wholefoodcatalog.info/nutrient/protein/mushrooms/

  5. http://web.as.uky.edu/Biology/faculty/cooper/NSTA-2012-workshops/HeartRate%20NSTA%20Workshop/caffiene%20in%20Manduca.pdf

  6. http://grocycle.com/about-us/

  7. https://www.backtotheroots.com/about-us

  8. http://www.telegraph.co.uk/foodanddrink/10333559/Word-of-mouth-The-Espresso-Mushroom-Company.html

  9. http://www.fastcoexist.com/1679569/petroleum-eating-mushrooms-to-decontaminate-our-most-polluted-sites

  10. http://www.genomequebec.com/18-en/environment-capsule-fossil-fuel-shortage-do-mushrooms-hold-the-key-.html

  11. http://cleantechnica.com/2008/10/09/mushroom-enzyme-could-make-clean-fuel-cells/

  12. http://gizmodo.com/the-futuristic-material-that-will-replace-plastic-is-511544462

  13. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1193547/

  14. http://www.fungi.com/about-paul-stamets.html

  15. http://www.recofunghi.com/

  16. http://www.gro-holland.com/

  17. http://www.rotterzwam.nl/

  18. http://www.chidos.org

  19. http://www.boczniaki.intarnow.pl/?page_id=228

  20. http://www.setaspocket.com/

  21. http://resetea.es/

  22. http://www.greenandgourmet.com/

  23. http://www.gumelo.com/

  24. http://www.permafungi.be/index.php?lang=en

  25. https://pretapousser.fr/

  26. http://www.laboiteachampignons.com/

  27. http://www.funghiespresso.com/

  28. http://espressomushroom.co.uk/

  29. http://grocycle.com/urban-mushroom-farm/

  30. http://www.pilzeaufkaffee.de

Bilder:
https://www.flickr.com/photos/usdagov/11180541284
https://www.flickr.com/photos/unitedsoybean/10058871053
https://www.flickr.com/photos/robadob/523390303
https://www.flickr.com/photos/sidelong/1119505806

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2. Maden - Krankenschwestern der Natur

Maggots for Wound Healing

This article presents the state of the art in maggot wound healing. This is one of many innovations that shape the Blue Economy and part of a broad movement to positively balance humankind, economy and nature.
By Markus Haastert and Anne-Kathrin Kuhlemann

Background: The history of maggots

We begin our story in Porto Novo, the capital of Benin. There, Pater Godfrey Nzamujo founded the Songhai center in 1986. The Nigeria born priest opened the center as a food production site, in which he attempted to put all generated waste back into the system to generate new value from it. Plant biomass became substrate for mushrooms, sewage became biogas, remains from food processing became food for animals and slaughterhouse waste was used to breed maggots.

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The priest even constructed a “fly-hotel” in order to produce millions of maggots. These can then be used as a protein-rich food for fish and chickens. In that way, waste is used to generate value.1 It would also be possible to produce maggots on the incredible amount of slaughterhouse waste which is generated annually. Estimations of the European Commission indicate that each year more than 16 million tons of non-edible animal side-products are produced in the European Union alone.

But maggots offer the potential for much more and have historically been used extensively in wound healing. Indeed, there have been relatively early observations that wounds which were colonized by maggots heal surprisingly well. In the 1930s, maggot-therapy was the state of the art in wound healing medicine. With the development of antibiotics, this method was however forgotten. In the 1990s however, when the first problems with bacterial resistances against antibiotics emerged, maggot-therapy found defenders once more. Also the Aborigines and other indigenous peoples are known to have used maggots to treat infected wounds.

Innovation: Maggots for modern wound healing

There are many people in Europe who suffer from diseases which could be treated with maggots, the larvae of Lucilia Sericata – the common bluebottle or meat fly. According to doctors, more than three million people in Germany alone suffer from chronic wounds, with associated treatment costs of over five billion Euros.1 These people could be helped with a targeted maggot-therapy. Maggots have characteristics which help in the wound healing process. First, they clean the wound from infected tissue. And secondly, their excretions support the development of new tissue after the dead parts have been removed. Roughly 1,000 clinics in Europe and 300 in the US now regularly use maggots in their treatment of chronic wounds.2

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The formerly widely spread believe that maggots only feed on dead tissue has been refuted.3 Thus, a continuous supervision by medicinal personnel is necessary when applying a maggot-therapy.
Side-effects of the therapy are practically non-existent when applied correctly. Mostly, patients have an itching feeling, if they feel anything at all. In case of an overdose, which means the use of too many maggots, healthy tissue can be affected which can lead to additional pain.4 In this case, the treatment has to be canceled straight away.

To avoid having to put maggots directly into open wounds, British Professor Stephen Britland and his team developed a way to extract enzymes from the maggots to create a cream which can be applied on wounds.1 However, creams made from maggot-enzymes are still prohibited in Europe, as the technology is not yet advanced enough. In 2008, the first antibiotic on maggot-basis was developed. As about 20 maggots were needed to produce one drop of the antibiotic, the efficiency was still low.2

At the moment, maggots are mostly put in teabag-like sachets, which are then put on the wound to stay there for a few days. After removal, the animals are often more than two hundred times as big as before.3 According to studies, the sachets however reduce the efficiency of the therapy significantly.4 Pills on maggot-basis are not an option, as the proteins will be digested before they can successfully begin the treatment – and since blood does not always circulate in the wounded area, which is part of the healing problem.5

Maggots also have the potential to fight the threateningly fast increase in resistances against antibiotics. In worst-case scenarios, which US scientists have calculated, annual costs of up to 55 billion US$ could develop as a result of such resistances, 20 billion for medicinal costs and 35 billion for lost productivity.6 Through the reduced application of antibiotics, maggot-therapy has the potential to slow down this process. Reliable numbers to what extent antibiotics can be replaced by the use of maggots are however not yet available.

The momentarily most popular opinion among doctors is that maggot-therapy is an excellent way to clean wounds. It is however not proven that wounds indeed heal more quickly than with conventional medicine. Usually, this therapy is used as the ultima ratio, when conventional methods have failed and surgeries are unsuccessful. Especially patients with chronically infected wounds have often benefited from maggot-therapy. Also patients with rheumatism and diabetes can benefit from it.

Potential: Saving lives and boosting the economy

Research on the medicinal use of maggots has just begun. As the focus for many years lay on fighting maggots as a vector of diseases, this field of medicine still has to catch up. At the moment, the potential of maggots to cure diseases such as a malaria or cancer is being evaluated. More research is essential to discover the full potential of maggots.1

Of special interest in this context is the possibility to implement this therapy in developing countries with insufficient medical services. Maggots could be bred decentrally in villages and would be available quickly in case of accidents. This could save numerous human lives. Infected wounds which lead to a sepsis are still a common cause of death, both in developed and developing countries.2

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Even better, if a simple technology could be found to extract the healing enzymes of the maggots, it would be possible to produce dearly needed medicine. A concentrated, locally produced cream from maggots, which were bred on waste and themselves serve as food for animals, could not only save human lives but also boost local economies.

Quellen:

1http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/btpr.587/abstract

2http://www.news-medical.net/news/2008/08/05/10/German.aspx

3https://www.youtube.com/watch?v=WTAkZmriZy8

4http://archderm.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=1150957

5http://bazonline.ch/wissen/medizin-und-psychologie/Maden-und-Kaefer-koennen-Wunden-besser-heilen-als-Antibiotika/story/11158589

6http://www.heise.de/tp/news/Die-Kosten-der-Antibiotika-Resistenz-2027519.html

1http://bazonline.ch/wissen/medizin-und-psychologie/Maden-und-Kaefer-koennen-Wunden-besser-heilen-als-Antibiotika/story/11158589

2http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa022139

Bilder: StockXCHNG
https://www.flickr.com/photos/romanboed/14159869063

1. Wirbel: Die Macht der Schwerkraft

Dieser Artikel stellt den aktuellen Stand der Technologien aus Wasserwirbeln vor. Dies ist eine von vielen Innovationen im Rahmen der Blue Economy und Teil einer breit angelegten Bewegung um Mensch, Wirtschaft und Natur positiv in Einklang zu bringen.

von Markus Haastert, Anne Kathrin Kuhlemann, Malte Plewa

Hintergrund: Was sind Wasserwirbel und wie funktionieren sie?

Die meisten Flüsse (zumindest die außerhalb von Industriegebieten) sind doch erstaunlich sauber, ohne dass irgendjemand sie durch eine Filter laufen lässt. Sogar innerhalb von Großstädten wie Berlin ist es möglich, wenn auch nicht unbedingt empfehlenswert, in Flüssen zu baden. Wie kann das eigentlich sein?

Das Wasser reinigt sich selbst, und zwar unter Einsatz von Strömungen und Wirbeln. Wenn Wasser zum Beispiel in den Abfluss läuft, kann man gut beobachten, wie solche Wirbel entstehen. Mit ihrer Hilfe schaffen es übrigens auch Fische mitten in einem schnell fließenden Fluss an einem Ort zu bleiben. Wasser fließt in ihr Maul und tritt wirbelförmig aus den Kiemen wieder aus, was ihnen die nötige Stabilität verschafft.

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Wirbel reinigen Wasser, da ihre Drehgeschwindigkeit am unteren Ende höher ist als oben. Dadurch werden Partikel heruntergezogen und können durch ein Vakuum am Ende des Wirbels herausgesaugt werden. Außerdem wird das Wasser in einen chaotischen Zustand versetzt. Die ständige Strudelbewegung presst Luft aus dem Wasser und wieder hinein, so dass Mikroorganismen absterben oder stimuliert werden.

Vor einigen Jahren sind einige Wissenschaftler auf die Idee gekommen, solche Wirbel nachzubilden um das natürliche Potential des Wasser auszunutzen.

Basierend auf den Ideen von Viktor Schauberger, der die Meinung vertrat, dass die Natur eigentlich alle Lösungen für von Menschen gemachte Probleme bereithält, und Formeln aufgestellt hat, mit denen man das auch berechnen kann, hat eine Gruppe schwedischer Wissenschaftler um Curt Hallberg eine Art wirbelförmiges Rohr entwickelt, dass die natürliche Bewegung von Wasser imitieren soll.

Nicht zu verwechseln ist diese Technologie mit esoterisch beworbenen Geräten, die im Internet versprechen das Wasser zu „harmonisieren“, „energetisieren“ oder es in einen „jungfräulichen Zustand“ zurückzubringen. Einige aktuelle Beispiele verdeutlichen, was für ein Potential die physikalische Nutzung von Wasserwirbeln tatsächlich hat.

Innovation: von Schlittschuhbahnen zur Energieversorgung

Wasserwirbel haben erstaunliche Eigenschaften – sie können, je nach Methode, dem Wasser Sauerstoff entweder entziehen oder hinzufügen und Partikel aus dem Wasser herausfiltern.

Die ersten Wirbelmaschinen der schwedischen Firma Watreco wurden im Jahr 2004 manuell hergestellt. Sie wurden allerdings nicht zur Wasserreinigung verwendet, sondern in einem komplett anderem Bereich eingesetzt – auf Eislaufbahnen. Da die Wirbel, ähnlich wie sie Schmutz aus dem Wasser pumpen, auch Luftbläschen entfernen können, konnte kristallklares Eis mit höherer Dichte hergestellt werden. Für gewöhnlich ist in Wasser gelöste Luft enthalten, in Mikrometer kleinen Bläschen. Luft ist eine natürliche Dämmung. Wirbel entfernen diese Luft, so dass das Wasser schneller gefriert. Durch das schnellere Gefrieren wird weniger Kühlenergie benötigt. Luftfreies Eis ist dazu auch noch viel stabiler.1 Indem man unter das Eis Werbung packt, die nun von alle gesehen werden kann, konnte mit dieser Erfindung sehr viel schneller Geld verdient werden als durch die reine Energieeinsparung. (Video hier abrufbar)

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Doch nicht nur in Eishockeystadien weltweit wurde das Potential von Wirbeln erkannt. Auch beim Bauen von Gebäuden finden Wirbel immer mehr Anklang. Ähnlich wie beim Eis, werden Wirbel auch zum Mischen von Zement verwendet. So wird die Anzahl an Luftbläschen verringert und damit die Härte und Stabilität des Zements erhöht.2 Zahlreiche Firmen auf der ganzen Welt vermarkten diese Technologie bereits.

Eine weitere unwahrscheinliche Einsatzmöglichkeit für die Allround-Talente sind Golfplätze. Heutzutage benötigt ein einziger Golfplatz bis zu vier Millionen Liter Wasser pro Tag. Um Wasser zu sparen werden oft Chemikalien beigemengt, welche die Oberflächenspannung senken – das Wasser dringt schneller in das Grün ein und verdunstet nicht. Durch die Wirbelmaschine werden keine Chemikalien mehr benötigt um 20 bis 30 Prozent Wasser zu sparen. Hier ersetzen Wirbel tatsächlich Chemikalien.

Wirbel können auch Algen aus stehenden Gewässern – seien es Tümpel, Pools oder Schwimmbäder – entfernen, welche bisher meist mit Chemikalien wie Chlor behandelt werden.

Und sogar zur Energiegewinnung können Wirbel genutzt werden. In mehreren Ländern, darunter die Schweiz, Österreich und Deutschland, gibt es seit kurzer Zeit Wasserwirbelkraftwerke, die nahezu CO2-neutrale Energie erzeugen. Das geht eigentlich ganz einfach: Flusswasser fließt in einen Betonbottich, in dem am anderen Ende durch die Wasserkraft ein Wirbel erzeugt wird – durch die Bewegung wird Strom erzeugt. Die Technologie ist einfach, klimaschonend und umweltfreundlich.3 Ein Modellprojekt aus der Schweiz zeigt, wie gleichzeitig saubere Energie gewonnen und Lebensraum für aquatische Organismen geschaffen werden kann. Durch die sich langsam drehenden Wirbel können Fische und andere Flussbewohner früher unbewohnbare Stromschnellen unbeschadet passieren. Die Biodiversität rund um die im Jahr 2009 in Betrieb genommene Anlage hat seit der Installation kontinuierlich zugenommen. (Video hier abrufbar)

Bei der Energiegewinnung durch Erdwärme wiederum werden Wirbel eingesetzt, um Eisenpartikel aus dem Wasser zu filtern, mit denen das Wasser bei dem Energiegewinnungsprozess angereichert wird.

Potenzial: die Zukunft des Trinkwassers?

Innerhalb von weniger als zehn Jahren wurde aus einer Nischentechnologie für Eishockeystadien eine moderne Art der Energiegewinnung.

Eine interessante Frage ist nun, ob man mit Hilfe solcher Wirbel auch Wasser reinigen könnte, um die Verfügbarkeit sauberen Trinkwassers zu erhöhen. Momentan wird daran geforscht, ob künstlich erzeugte Wirbel bei der Klärung von Abwasser nützlich sein könnten.

Dem Abwasser wird Luft hinzugefügt um den Mikroorganismen den benötigten Sauerstoff zu liefern, den diese brauchen, um organisches Material zu zersetzen. Der Sauerstoff führt außerdem zu einer Durchmischung, so dass die Mikroorganismen mit dem organischen Material in Kontakt kommen. 30 bis 75 Prozent der Energiekosten einer Kläranlage fallen aufgrund der künstlichen Sauerstoffzufuhr an. Erste Experimente haben gezeigt, dass durch den gezielten Einsatz von Wirbeltechnologie dem Abwasser Sauerstoff zugeführt werden kann. Dies birgt das Potential, den Energievierbauch von Kläranlagen drastisch zu senken.

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Eine der am schnellsten wachsenden Nischen beim Bestreben, das Trinkwasserangebot auszuweiten, ist die Umwandlung von Salz- und Abwasser in Trinkwasser durch Umkehrosmose. Das Investitionsvolumen wird in den nächsten fünf Jahren mehr als 18 Milliarden US$ betragen.4 Die bisher größte Fabrik Europas, die mehr als einer Milliarde Dollar gekostet hat, steht in Barcelona. Die Anlage ist in der Lage täglich 200,000m³ Meerwasser in Trinkwasser umzuwandeln. Auch hier kommen Wirbel zum Einsatz und zwar um das Problem von Biofilm zu lösen. Biofilm wächst auf Filtern, was deren Effizienz verringert. Dies führt zur Schließung von Umkehrosmoseanlagen alle 14 Tage um chemisch den Biofilm zu entfernen. Das erhöht die Kosten und reduziert die Effizienz. Wirbel ziehen die Luft aus dem Wasser und nehmen Bakterien so ihre Lebensgrundlage.

Trinkwasseraufbereitung ist ein weltweit ein gigantisches Geschäft. Der globale Wasserverbrauch steigt mehr als doppelt so schnell an wie die Weltbevölkerung wächst. Es wird geschätzt, dass sich der Weltwasserverbrauch etwa alle 20 Jahre verdoppelt.5 Zwischen 2010 und 2015 werden die globalen Investitionen in die Wasserversorgung und Abwasserbehandlung 145 Milliarden US$ betragen.6

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Es wird noch weiter daran geforscht werden müssen, ob Wasserwirbel vollständig Chemikalien in der Trinkwasserproduktion ersetzen können. Vereinzelt sind sie schon in Aufbereitungsprozessen im Einsatz. Wenn es gelingt, eine Wasseraufbereitungstechnologie zu entwickeln, die ohne Chemie und komplizierte Filter auskommt, könnten vor allem in Gegenden mit unzureichender Wasserversorgung der Ausbruch von Krankheiten wie Cholera und Typhus verhindert werden.

 


1Pythgoras Kepler System 2012.http://www.pks.or.at/anwendungen_schn.html
2Vortex Hydra 2013. http://www.vortexhydra.com/en/news/newsletter-27—the-vortex-concrete- mixing-system_50c13.html
3Daum 2013. http://www.zeit.de/2013/15/wasserwirbelkraftwerke
4BCC Research 2012. http://de.slideshare.net/bccresearch/global-markets-for-reverse-osmosis-ro-membranes-and-components-to-reach-81-billion-by-2018
5Best Water Technology 2014. http://www.bwt-group.com/de/wassertechnologie/das-element-h2o/Seiten/Wasser-der-Weltmarkt.aspx
6World Health Organization 2012. http://www.who.int/water_sanitation_health/publications/2012/globalcosts.pdf

Bilder:
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