Glas
Schaumglas: Die grüne Art zu dämmen?
von Markus Haastert, Anne Kathrin Kuhlemann, Malte Plewa
Hintergrund: Was ist Schaumglas?
Das Baugewerbe ist in Industriezweig, in dem der Nachhaltigkeitsgedanke erst relativ spät Fuß fassen konnte. Heutzutage allerdings boomt das Geschäft mit dem umweltfreundlichen Bauen. In den USA wird in 2016 mit einem Gewinn von 245 Milliarden Dollar aus dem green construction business gerechnet. Dementsprechend kommen auch regelmäßig neue Produkte auf den Markt, die versprechen das Baugewerbe noch nachhaltiger und grüner zu machen. Heute schauen wir uns eines dieser Produkte etwas genauer an, nämlich das Schaumglas (Foamglass).
Zur Produktion von Schaumglas wird Glas zu Staub zermahlen, mit Kohlenstoff angereichert und dann auf circa 900 Grad erhitzt, so dass es anfängt zu Schäumen. Der Kohlenstoff reagiert mit Sauerstoff zu Kohlendioxid, welches für die Bläschen verantwortlich ist. Nachdem man es langsam abkühlen lassen hat, erhält man harte Schaumstoffplatten. Anstatt Platten, kann auch Granulat aus Altglas hergestellt werden. Dazu wird das aufgeschäumte Glas sehr schnell heruntergekühlt, so dass es zerbricht.
Die Produzenten von Schaumglas beziehen sich darauf, dass es zu einem Großteil aus Altglas hergestellt werden kann. Dadurch wird Müll zu etwas wertvollem verwandelt. Glas ist generell ein Stoff, der immer wieder eingeschmolzen und neu geformt werden kann; allerdings mit einem erheblichen Energieaufwand.
Schaumglas hat einige Eigenschaften, die es zu einem beeindruckenden Dämmmaterial machen. Es nimmt kein Wasser auf, so dass es nicht zu Schimmel- oder Pilzbefall kommen kann und es sehr schnell trocknet. Außerdem gibt Schaumglas keine Stoffe an die Umwelt ab oder nimmt welche auf und reagiert nicht mit Chemikalien; es ist somit komplett inert. Durch seine Beständigkeit verliert dieses Material auch nicht an seiner Isolierfähigkeit, im Gegensatz zu anderen Dämmmaterialien. Die in den Zellen eingeschlossenen Luftpartikel sorgen für relativ gute Dämmeigenschaften. Die Hitzebeständigkeit ist beeindruckend, so liegt der Schmelzpunkt bei 650 Grad Celsius. Dadurch müssen auch keine chemischen Brandschutzadditive hinzugefügt werden. In Granulatform ist das Material auch frostbeständig. Auch kontaminiertes Glas, wie z.B. aus Fernsehröhren oder quecksilberhaltigen Lampen, kann zur Schaumglasherstellung verwendet werden. Während des Mahlvorgangs werden Schwermetalle vom Glas abgespalten und an Metallschmelzöfen geliefert1.
Trotz dieser beeindruckenden Eigenschaften muss man den Lebenszyklus des Produktes näher betrachten um eine Aussage über sein Potential als neuer grüner Baustoff treffen zu können.
Innovation: Dämmen und Bauen mit Schaumglas
Glas wird aus Sand, Kalkstein, Dolomit und Feldspat hergestellt; der Herstellungsprozess ist sehr energieintensiv. Die Ausgangsstoffe werden auf bis zu 1600 Grad Celsius erhitzt und so zusammengeschmolzen. Da der Energieverbrauch derart hoch ist, ist es einer Studie des Umweltbundesamtes zufolge unmöglich, Glas jemals nachhaltig zu produzieren2.
Für die Herstellung von einem Kilo Glas werden 14 Mega-Joule Energie benötigt. Pro Prozent Altglasanteil werden circa 0,25 Prozent Energie gespart. Bei einem Altglasanteil von 75 Prozent, wie es bei der Herstellung von Schaumglas angepeilt wird, werden also knapp 19% Energie eingespart. Bei der Dämmung mit Schaumglasplatten werden allerdings auch Aluminiumplatten verwendet. Zur Herstellung von einem Kilo Aluminium werden über 120 Mega-Joule Energie benötigt.3 Der Primärenergieverbrauch von einem Kubikmeter Schaumglas liegt zwischen 750 und 1600 Kwh. Vergleicht man also die Energie, die zur Herstellung der Materialien für die Schaumglasdämmung benötigt wird, mit der Energie, die zur Herstellung anderer Dämmmaterialien, wie zum Beispiel Hanf, verbraucht wird, ist die Bilanz nicht unbedingt rosig.
Auch bei den Dämmeigenschaften bleibt Schaumglas hinter einigen seiner Konkurrenten zurück. Hanf, der zum Dämmen verwendet wird, hat eine mehr als doppelt so hohe Wärmespeicherkapazität (2300 J/KgK) wie Schaumglas (bis zu 1100 J/KgK).
Der Vorteil von Schaumglas ist aber, dass etwas, das früher als Müll betrachtet worden ist, einen Wert bekommt. In Deutschland werden Schätzungen zufolge jährlich ca. zwei Millionen Tonnen Altglas gesammelt.4 Davon werden momentan 85% recycelt.5 In den USA sieht das schon etwas anders aus; dort werden von den 11,6 Millionen Tonnen anfallenden Glasmülls lediglich 28% wiederverwertet.6 Dort ist der Bedarf also enorm. Leider wird gerade in den beiden amerikanischen Schaumglasfabriken kein Recycling-Glas, sondern jungfräuliches Material verwendet.7
Viele Flughäfen weltweit werden übrigens mit Schaumglas gedämmt. So zum Beispiel die Flughäfen von Doha, Dubai, Paris und Düsseldorf. Allerdings ist Schaumglas als reiner Dämmstoff eine sehr teure Anschaffung.
Potenzial: Nachhaltigkeit und neue Anwendungsbereiche
Das Material wird mittlerweile nicht mehr nur zur Dämmung verwendet, sondern auch als Trägerstoff in der Bauindustrie. Besonders der Schaumglasschotter hat wird immer öfter in Fundamenten verwendet, oder auch im Straßenbau. Eine Studie norwegischer Wissenschaftler hat gezeigt, dass sich Schaumglasschotter sehr gut als Straßenbaumaterial eignet, da es große Lasten abfedern kann und weder von großer Hitze, Feuchtigkeit noch Frost deformiert wird8. Die Studie kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass Schaumglasschotter auch als Material zur Flugpistenkonstruktion geeignet ist. Auch Parkdecks werden aus diesem Material hergestellt.
Es ist mittlerweile also möglich, Beton durch Schaumglas zu ersetzen. Und da liegt das eigentliche grüne Potential dieses Materials. Anstatt Beton, dessen Produktion sehr energieintensiv ist, und der im Gebäudebau meist mit relativ viel Stahl kombiniert werden muss, kann recyceltes Altglas verwendet werden. Setzt man Schaumglas als Wandmaterial ein, spart man sich zudem die Dämmung, die beim Bauen mit Beton noch zusätzlich anfällt. Hierfür wird Schaumglas in Aluminiumblechrahmen vorgefertigt – die Bauzeit vor Ort kann deutlich reduziert werden. Wird also nicht nur der Beton und Stahl, sondern auch die Dämmung durch Schaumglas ersetzt, und zudem eine Verkürzung der Bauzeit erreicht, wird Schaumglas als Baumaterial auch wirtschaftlich hoch interessant – und das muss es auch sein, wenn es Beton & Co. ernsthaft Konkurrenz machen will.
Beton benötigt 3-4 MJ Energie pro kg bei der Herstellung, Stahl ca. 80 MJ – ein 80:20 Mix vorausgesetzt, ist der Energieaufwand etwa gleich hoch wie der von Schaumglas in Aluminiumblechrahmen (beides aus Recycling). Die fertigen Bauteile aus Schaumglas können jedoch besser wiederverwendet werden als Beton, der lediglich als Granulat (Bauschutt) noch Verwendung finden kann. Für die Bauindustrie ist dieses Produkt also voller Einsatzmöglichkeiten. Die Umweltfreundlichkeit ist aber von einigen Bedingungen abhängig. Zuerst einmal ist es essentiell, dass es zum größten Teil aus Altglas besteht. Die Produktion von neuem Glas ist sehr energieintensiv und absolut unnötig, solange nicht 100% des aktuell produzierten Glases wiederverwertet werden.
Weiterhin sollte die Energie, die zur Herstellung verwendet wird, möglichst aus Abwärme von industriellen Prozessen oder durch Deponiegasverwertung gewonnen werden. Wenn es möglich ist, die Wärme, die durch Verrottungsprozesse auf Mülldeponien entsteht in einer benachbarten Schaumglasfabrik zu verwenden, könnten Transportwege gespart und die Energieproduktion gedrosselt werden. Zumindest sollte zur Produktion aber erneuerbare Energie verwendet werden, wie es der größte Hersteller in Europa, Pittsburgh Corning Europe NV, auch tut9.
Auch das CO2, dass auf Mülldeponien entsteht, kann im Produktionsprozess von Schaumglas verwendet werden. So entsteht eine Möglichkeit, den Ausstoß von Klimaschädlichen Gasen zu reduzieren. Außerdem muss sichergestellt werden, dass das Material selbst auch in den Wiederverwertungskreislauf eintritt.
Schaumglas hat den ökologischen Vorteil, dass es keine Stoffe an seine Umwelt abgibt; es ist chemisch komplett inaktiv. Dadurch kann es, sobald es auf einer Müllhalde landet, die Umwelt nicht vergiften. Dies ist gerade bei Dämmmaterialien oft ein großes Problem. Kunststoffe wie XPS (Styropor) werden oft mit Flammschutzmitteln behandelt, sodass sie einen großen Anteil an Giftstoffen beinhalten wenn sie entsorgt werden. Da Schaumglas durch seine Eigenschaften keine weiteren Additive benötigt, entstehen solche Probleme nicht.
Doch auch abseits der Bauindustrie findet Schaumglas mittlerweile Verwendung. Feinkörniger Schotter wird als Substrat für Pflanzen im Gartenbau und bei Dachbegrünung verkauft. Außerdem sind die Eigenschaften des Materials ideal zur Reinigung harter Oberflächen und zum Schleifen. „Schwämme“ aus Schaumglas zum Reinigen von Grills, Pools, Sanitäranlagen oder Küchengeräten sind bereits auf dem Markt. Auch als eine Alternative zu Sandpapier wird es verkauft10. Wirtschaftlich sind diese Produkte leichter zu vermarkten, da nur verhältnismäßig wenig Material benötigt wird – und verschiedene Schaumglasqualitäten, also auch Ausschuss, zum Einsatz kommen. Zahlreiche weitere Anwendungsbereiche werden in nächster Zeit höchstwahrscheinlich folgen, schaut man sich einmal das Tempo an, mit dem das Produkt sich auf dem Markt etabliert hat.
Die Schaumglastechnik kann dazu beitragen, Millionen Tonnen von Müll in ein wertvolles und zudem wirtschaftlich attraktives Produkt zu verwandeln. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass dieser Prozess nachhaltig stattfindet. Als Ersatz für traditionelle Baumaterialien birgt Glasschaum ein großes nachhaltiges Potential, da es Ressourcen spart und stabiler ist, als herkömmliche Materialien – Gesundheitsbedachten bietet es den enormen Vorteil, nahezu vollständig auf chemische Zusätze zu verzichten.
Note:
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Fotos: SXC, Koljern, Wikipedia
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