StonePaper – Das umweltfreundliche Papier der Zukunft?

Von Herstellern wird Steinpapier/StonePaper als besonders nachhaltig gepriesen. Doch würde man Papier dadurch ersetzen, würde die weltweite Plastikproduktion um bis zu zwei Dritteln erhöht!

Seit einigen Jahren vermarkten große Schreibwarenfirmen wie Oxford oder Moleskine die Idee, klassisches Papier durch sogenanntes Steinpapier zu ersetzen. Im Gegensatz zu gewöhnlichem Paper besteht Steinpapier nicht aus Holz, sondern aus pulverisiertem Kalkstein und Kunststoff. Die Firmen rücken bei der Vermarktung die Umweltfreundlichkeit und Ressourceneffizienz dieses neuen Produktes in den Vordergrund. Da weder Holz noch Wasser zur Herstellung benötigt werden, wird dieses „Papier der Zukunft“ als „super-ökologisch“ angepriesen.

Doch was steckt wirklich hinter Steinpapier? Da momentan ungefähr ein Fünftel aller gefällten Bäume zur Papierherstellung verwendet werden, könnte eine solche Innovation tatsächlich ein großes Potential zur Reduzierung der weltweiten Abholzung bergen.

Steinpapier besteht zu 60-80% aus Kalziumkarbonat, also pulverisiertem Kalkstein oder Marmor. Dieser Rohstoff wird schon seit langem in der Papierherstellung verwendet, zum Beispiel als Ummantelung von normalem Papier um es weißer und glatter zu machen. Kalziumkarbonat fällt als Nebenprodukt in Kalksteinbrüchen an und wird normalerweise als Abfallprodukt behandelt. Als Bindemittel wird Polyethylen-Harz verwendet; ein weitverbreiteter Kunststoff, der auch in Plastiktüten und Milchverpackungen zur Anwendung kommt.

Tatsächlich wird bei der Produktion von Steinpapier nur halb so viel Energie benötigt wie bei der Herstellung von gewöhnlichem Papier. Weiterhin werden weder Bleichmittel noch Säuren verwendet. Diese ökologischen Vorteile haben dem Produkt in den letzten Jahren einige Aufmerksamkeit beschert. Auch das Produkt an sich hat einige beachtliche Eigenschaften. So ist es reiß- und wasserfest, ohne dass ein Ölfilm aufgetragen werden muss wie bei herkömmlichem Papier.

Allerdings bringt Steinpapier auch einige Nachteile mit sich, die die Ökobilanz kritischer aussehen lassen, als sie auf den ersten Blick erscheint. So zersetzt sich der Steinbestandteil des Papiers nach 14 bis 18 Monaten wenn es konstant dem Sonnenlicht ausgesetzt ist. Übrig bleiben dann Plastikpartikel, die nicht in den Wiederverwertungskreislauf eingespeist werden und auch nicht kompostierbar sind. Das Recyclingpotential von Steinpapier ist im Allgemeinen ein umstrittenes Thema. Während die Produzenten reklamieren, dass Steinpapier in zahlreichen Bereichen, zum Beispiel im Bausektor, wiederverwertet werden kann, gibt es auch kritische Stimmen, die betonen, dass die Plastik- und Steinpartikel während des Recyclings ausgewaschen werden und ins Abwasser gelangen. Eine zusätzliche Plastikbelastung der Flüsse und Meere ist sicher das Letzte, was aus Umweltsicht wünschenswert wäre. Solange das Steinpapier nicht dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt wird, ist es überhaupt nicht zersetzbar.

Ein aufschlussreiches Gedankenspiel: weltweit wurden im Jahr 2011 etwa 403 Mio. Tonnen Papier produziert und verbraucht – Tendenz steigend. Würde man dieses Papier gänzlich durch Steinpapier ersetzen, und den günstigen Fall von 20% PE-Anteil annehmen, wären das 81 Mio. Tonnen Plastik – dabei werden bislang jährlich ’nur‘ 250 Mio. Tonnen Kunststoffe aus Erdöl hergestellt. Man müsste also weltweit zwischen einem und zwei Drittel mehr Plastik herstellen als bisher, um Papier durch Steinpapier zu ersetzen. Nehmen wir an, man würde versuchen, dieses PE durch Bioplastik auszutauschen. Dann müsste die heutige Bioplastikproduktion um einen Faktor 14 gesteigert werden – also um 1.400 Prozent! Bioplastik wird zu 80% auf Stärkebasis produziert – schaut man sich an, wie allein beim Stärkelieferanten Mais aufgrund der hohen Nachfrage für Biogasanlagen in vielen Teilen der Welt die Pachtpreise für Agrarflächen in die Höhe getrieben wurden, erscheint dies kein Effekt, der noch verstärkt werden sollte.

Im Endeffekt wird bei der Herstellung von Steinpapier anstatt einem nachwachsenden Rohstoff nicht-zersetzbares Plastik verwendet. Da dieses Produkt bisher nur wenig verbreitet ist, gibt es auch keine verlässlichen Angaben darüber, inwieweit es wiederverwertet wird – zumal der Aufbau geschlossener Recyclingketten für ein einziges Produkt nahezu unmöglich sein dürfte.

Aus Sicht der Blue Economy müssen Produkte kompromisslos nachhaltig sein und systemische Kollateralschäden (ob für Umwelt, Wirtschaft oder Menschen) so weit wie möglich ausschließen. Das heißt in diesem Fall, eine mögliche Belastung von Gewässern mit PE-Partikeln hinzunehmen ist schlicht nicht akzeptabel. Dass eine Entsorgung durch Verbrennung ohne größere Umweltbelastungen möglich ist, ist der Blue Economy nicht gut genug. ‚Blaue‘ Produkte haben schließlich eine lange Haltbarkeit und lassen sich am Ende ihrer Lebensdauer in anderer Form weiter verwerten – also wie in einem Ökosystem kaskadieren.

Blue Economy versucht, Wertschöpfungsketten zu schaffen, bei denen der Kuchen größer wird, also auch mehr Arbeitsplätze entstehen. Wenn die reguläre Papierproduktion durch Steinpapier ersetzt würde, werden lediglich Arbeitsplätze der einen Fabrik durch solche der anderen ersetzt. Angenommen nicht erdölbasiertes Plastik sondern Bioplastik ‚aus der Region‘ käme zum Einsatz, so würden die Stärkepflanzen unweigerlich in Konkurrenz zu der Produktion von Lebensmitteln treten – und das, obwohl die weltweit verfügbaren landwirtschaftlichen Flächen ohnehin abnehmen.

Also was dann, wenn nicht Steinpapier – wo doch die Ökobilanz von holzbasiertem Papier auch nicht berauschend ist? Die aus Sicht der Blue Economy wünschenswerte Lösung wären echte Bioraffinerien, um biologische Abfallstoffe vollständig systemisch, nachhaltig, sozialverträglich und wirtschaftlich nutzen zu können. Doch trotz zahlreicher vielversprechender Ansätze ist eine industrielle Anwendung hier noch nicht erprobt. Solange Bioraffinerien noch im Pilotstatus ihre Prozesse verbessern, bleibt die Empfehlung, auf ungebleichtes Recyclingpapier zurückzugreifen.

Autoren: Markus Haastert, Anne-Kathrin Kuhlemann
© 2014 Blue Economy Solutions GmbH

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