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92 Kathoden auf Holzbasis

Dieser Artikel stellt Kathoden auf Holzbasis für Batterien vor, eine von 100 Innovationen im Rahmen von „The Blue Economy”. Dies ist Teil einer breit angelegten Bewegung für mehr Unternehmertum, Wettbewerb und Arbeitsplätze

Der Markt

Der Weltmarkt für Materialien zur Herstellung von Kathoden wurde für 2011 auf 59.470 Tonnen mit einem Gesamtverkaufswert von 600 Millionen US-Dollar berechnet. Die Nachfrage nach Lithium ist pro Jahr um 30 Prozent gestiegen und es wird erwartet, dass sie im gleichen Maße weiter steigt. In Folge dessen stiegen die Preise für Lithium um das Zehnfache, von einem Dollar pro Kilogramm im Jahr 2005 auf 10.000 Dollar pro Tonne. Da die Anzahl der Elektrofahrzeuge erwarteter Maßen auf 500.000 Stück im Jahr 2015 steigen wird, muss die Stromversorgung aus Batterien ebenfalls bis auf 15 Milliarden kWh/Jahr steigen. So gerät der Rohstoffmarkt massiv unter Druck. Für eine kleine, herkömmliche Lithiumbatterie mit 5 kWh Leistung für einen Kleinwagen werden 300 Gramm Lithium pro Kilowattstunde Speicherkapazität benötigt. Ein Geländewagen der Marke SUV hingegen würde 3 Kilogramm reinen Lithiums pro Batterie benötigen.

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Aufgrund seiner hohen Energiedichte setzt man in aller Welt auf Lithium als Metall für sämtliche mobilen Geräte. Den größten Markt stellen Laptops und die meisten Mobiltelefone, trotz höherer Kosten. Neu ist das Wachstum auf dem Markt für Mobilität und Transport. Lateinamerika kontrolliert etwa 80 Prozent des Weltmarkts für Lithium, vor allem Chile (3 Millionen Tonnen), Argentinien (2 Millionen Tonnen), Bolivien (5,4 Millionen Tonnen) und Brasilien (unter 1 Million Tonnen). China liegt an vierter Stelle mit 1,1 Millionen Tonnen. Wenn auf der ganzen Welt die Antriebsmotoren von Erdöl auf Lithium umgestellt würde, würde Südamerika der neue Nahe Osten und Bolivien mit seinen Uyuni-Salzseen – ein einzigartiges, uraltes Ökosystem – könnte reicher und politisch mächtiger als Saudi-Arabien werden. Die USA, Europa und Japan hingen einmal mehr von auswärtigen Rohstoffquellen ab, während China dank eigener Reserven zumindest den eigenen Bedarf stillen könnte.

Der größte Lithiumhersteller ist SQM in Chile, mit einer jährlichen Produktion von 27.000 Tonnen pro Jahr. Stärkster Konkurrent vor Ort ist SCL (unter der Leitung der deutschen Gruppe Chemetall) mit jährlich 14.000 Tonnen. FMC Lithium in Argentinien steht im Wettbewerb mit Admiralty Resources aus Australien und Sterling Resources aus China. Der größte Teil der geförderten Lithiummenge wird künftig aus Salzseen stammen, die in 3000 Meter Höhe liegen. Dort muss der Bergbau umweltgerecht unter strengen Witterungsbedingungen stattfinden, womit weitere wertvolle Ressourcen riskiert werden. Das völlige Fehlen von Infrastruktur sowie die strengen Regeln für Investitionen in Bolivien und Argentinien schränken die herkömmlichen Investmentprogramme multinationaler Unternehmen ein.

Die Innovation

Von der heutigen Automobilflotte von einer Milliarde Fahrzeugen werden jährlich 60 Millionen ersetzt. Treten an ihre Stelle Hybridautos, Plug-in-Hybrids oder Elektrofahrzeuge mit Batteriebetrieb, dann wird klar, dass die Erdkruste nicht genügend Lithium enthält, um alle Elektromobile mit Lithiumbatterien auszustatten. Schlimmer noch, ein solcher Wandel hätte zur Folge, dass die Lithiumvorkommen schneller erschöpft wären als die Erdölvorkommen durch den derzeitigen Verbrauch. Daher kann der Wechsel von einer nicht nachhaltigen Ressource zu einer anderen keine Lösung für die Suche nach Treibstoff für die Mobilität bieten; auch wäre fraglich, ob die CO2-Bilanz sich angesichts der massiven Bergbau- und Verarbeitungsaktivitäten verbessern würde. Alternative Batterietechnologien wie ZnAir und NaNiCl sind zwar weniger knappe Ressourcen, bieten aber nicht genug Leistung für die Industrie.

Grzegorz Milczarek stammt aus Gostynin bei Warschau. Seine Leidenschaft für Naturwissenschaften, vor allem Chemie, wurde bereits im Grundschulalter geweckt. Er liebte es, mit Bolzengewehren und Knallfröschen zu spielen, und interessierte sich für die Kräfte, die diese Knallgeräusche erzeugten. Sein Interesse für Sprengstoffe brachte ihn bis zum Abschluss des Chemiestudiums am Institut für Chemie und technische Elektrochemie an der Technischen Universität Poznan, wo er 1994 den Mastergrad erlangte. Nach einer intensiven Forschungszeit verteidigte Grzegorz hervorragend seine These über modifizierte Elektroden und erlangte 1999 den Doktortitel. Seine Forschungsarbeit brachte ihn für zwei Jahre nach Japan. Vor wenigen Monaten wurde er zum Vizedekan der Fakultät ernannt, nachdem der zusammen mit Kollegen einen überraschenden Artikel im Science-Magazin veröffentlicht hatte (23.3.2012), in dem er, vereinfacht ausgedrückt, Batterien aus Holz vorstellte.

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Grzegorz und Olle Inganäs, sein Kollege von der Abteilung für Physik, Chemie und Biologie an der Universtät Linköping (Schweden), untersuchten die Nutzungsmöglichkeiten für Schwarzlauge, ein Abfallprodukt aus der Papierverarbeitung. Dieser Chemiemix aus Schwefelstoffen, Lignin und Hemizellulose wird oft zur Dampfgewinnung verbrannt. Doch angesichts der Mengen und der verbleibenden Abfallströme nach der Verbrennung suchte das Team nach höherwertigen Anwendungen über Energie und Wärme hinaus. Grzegorz ließ sich durch die Photosynthese inspirieren und erforschte zusammen mit seinem Team, wie das Lignin in elektrisch leitende Moleküle umgewandelt werden könnte, die wie manche an der Photosynthese beteiligten Moleküle Elektronen transportieren.

Durch Einleiten des Schlamms in ein leitendes Polymer stellten sie eine billige Kathode her, die Strom speichern kann. Es funktionierte erstaunlich gut. Olle und Grzegorz entwickelten daraufhin einen Prototypen, der sich jedoch entlud, wenn die Batterie nicht in Gebrauch war. Dies musste korrigiert werden, und sie fanden einen Weg, dieses Problem zu meistern. Das Team hält sich für imstande, Lignin in eine kostengünstige, erneuerbare Batterie umzuwandeln und so einen zweiten Ertragsstrom für die Papiergewinnung aus Holz zu erschließen: Eine Batterie, die hauptsächlich aus reichlich vorhandenen Holz-Abfallstoffen besteht. Dies klingt nach einem typischen Ansatz im Sinne der Blue Economy.

Der erste Umsatz

Ziel der Erfinder ist, erneuerbaren Strom ohne teure Netze dort zu speichern, wo er produziert wird. Da die Solartechnologie bereits wettbewerbsfähige Kosten erreicht hat (siehe Beispiel 53) gilt es nun, neue Systeme der Stromspeicherung auf Grundlage billiger erneuerbarer Rohstoffe zu entwickeln und so weiteren Bergbau zu vermeiden. Der Schlüssel zum Erfolg war die Entwicklung eines 0,5 µ dünnen Films, den das polnisch-schwedische Team aus einem Gemisch von Ligninderivaten aus Schwarzlauge herstellte. Da Lignin 20-30% der Biomasse eines Baums stellt und bisher bei der Papierherstellung entsorgt werden muss, ist es eine ständig verfügbare Ressource und mindert so den Druck auf die schwindenden Lithiumvorkommen. Olle und Grzegorz ließen daraufhin ihren zwei Quadratzentimeter großen Protoypen patentieren.

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Von Anfang an waren sie sich jedoch bewusst, dass die Entwicklung der Kathode nur die halbe Lösung auf dem Weg zu einem völlig neuen Batteriekonzept war. Auch die Anode musste noch entwickelt werden. Ein Team von Doktoranden hat nun Ideen für das gesamte Konzept. Die Vision ist, eine zu hundert Prozent erneuerbare Batterie zu entwickeln. In der Zwischenzeit experimentieren sie mit einem voll recyclingfähigen Polymer, Polypyrrol, einem Erdölderivat, das seit über drei Jahrzehnten in der Industrie bekannt ist.

Die Chance

Grzegorz beschränkt seine Kreativität nicht auf die Welt der Batterien. Ebenso sieht er vielfältige Möglichkeiten für die Nutzung des Abfallstoffs Lignin und zeigt vielfältige Erträge und Vorteile dieses erneuerbaren Materials. Er entwickelte erfolgreich einen chemischen Sensor aus reinem Lignin, den er ebenfalls aus Schwarzlauge extrahierte. Dieser billige und schnelle Sensor misst Glukose im Blut von Diabetespatienten. Ihre kreative Forschung schließt auch neue Einsichten ins Immunsystem von Pflanzen ein, womit sich eine breite Plattform für vielfältigen Nutzungen einer der am reichlichsten vorhandenen Ressourcen auf der Erde eröffnet, die in unserer Industrie ungenutzt bleibt und nicht den Mehrwert, den Nutzen oder die Jobs hervorbringt, den sie schaffen könnte.

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Da nun der erste Teil der Produktentwicklung erfolgreich abgeschlossen ist, ist es Zeit für hellsichtige Unternehmer, die Entwicklung eines völlig erneuerbaren Batteriekonzepts mit voranzutreiben und die Sensoren auf den Markt zu bringen. Die Industrie für Papier und Pulpe könnte sogar erster Nutznießer werden, da der Konsum abnimmt und das Papierrecycling an seine Grenzen stößt.

Bilder: Stock.XCHNG

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88 USB-Strom durch Feuerholz

Dieser Artikel stellt einen neuen Ansatz Stromversorgung über USB vor, eine von 100 Innovationen im Rahmen von „The Blue Economy”. Dies ist Teil einer breit angelegten Bewegung für mehr Unternehmertum, Wettbewerb und Arbeitsplätze.

 

Der Markt

Für 2015 wird geschätzt, dass der Weltmarkt für USB-Treiber (Universal Serial Bus) rein mengenmäßig 10 Milliarden Einheiten erreicht, die etwa 24 Milliarden US-Dollar an Umsätzen generieren. USB ist ein Standard, der den Datenaustausch zwischen Geräten ermöglicht und gleichzeitig Strom aus dem Quellgerät bezieht, ohne selbst eine Energiequelle zu benötigen. Anfangs war eine Batterie mit enthalten, doch diese wurde (glücklicherweise) entfernt. Die Preise liegen bei weniger als einem Dollar für eine Einheit von 512 Mbits, bis hin zu 40 Dollar für 32 GB. An der Spitze steht Kingston’s Data Traveller mit 256 GB, der für knapp 1000 Dollar verkauft wird und Speicherplatz für 50 000 Bilder oder 365 CDs bietet. USBs sind billiger als der schnellere FireWire, da sie keinen Extra-Chip benötigen.

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Der USB ist das Ergebnis einer gemeinsamen Anstrengung von sieben Firmen, die 1994 begonnen wurde. Compaq, DEC, IBM, Intel, Microsoft, NEC und Nortel wollten den Anschluss externer Geräte an Computer vereinfachen. Intel produzierte den ersten USB im Jahr 1995. Die Rechte liegen bei keiner einzelnen Firma. Der neueste superschnelle USB wurde 2010 entwickelt und war imstande, bis zu 5 GB pro Sekunde bei verringertem Stromverbrauch zu übertragen. Die Kombination aus Datenübermittlung und Stromversorgung (5 Volt Gleichstrom) bietet eine Doppelfunktion ähnlich der Blue Economy-Ansätze, die mehr Nachhaltigkeit für die Gesellschaft durch mehrerlei Vorteile erreichen wollen. Angesichts der Möglichkeit, noch mehr Strom zu liefern als es der USB-Standard vorsieht, haben IBM, NCR und FCI/Berg einen veränderten Kontakt entwickelt, der bis zu 6 Ampère bei entweder 5, 12 oder 24 Volt Gleichstrom für eine Vielzahl von angeschlossenen Geräten liefern kann.

Kingston Technology Co. Inc., eine Firma in Privatbesitz mit 6,5 Milliarden Dollar Umsatz, ist der weltgrößte Hersteller für Speichermodule mit einem Marktanteil von 40,3 Prozent – 2007 waren es noch 27,5 Prozent. Der vielleicht größte (und einzige) europäische Konkurrent ist LaCie, der Speicherhersteller unter Leitung von Phillippe Spruch, der bezüglich Arbeitskräften zehnmal kleiner als Kingston ist und bezüglich Umsätzen sogar zwanzigmal kleiner. Wenig überraschend ist die Tatsache, dass China der weltgrößte Hersteller von USBs ist.

Die Innovation

Es entbrannte ein Wettkampf darum, immer mehr Daten in immer kleinere USB-Geräte zu pressen. Gleichzeitig sparte man nicht an Bemühungen, den Energieverbrauch zu senken und die Energieflexibilität der USB-Verbindungen zu steigern. Zusätzlich wird versucht, die Sicherheit der Datenspeicherung zu erhöhen. Eine bedeutende Innovation ist hier die Einführung kabelloser USBs und mobiler USB-Netzteile, wie sie von CurrentWerks angeboten werden. Doch die prinzipielle Herausforderung bleibt, dass sämtlicher Strom weiterhin aus dem Stromnetz mit hoher Spannung (110 oder 220V) und Wechselstrom bezogen werden muss und die Umspannung zusätzlich Kosten verursacht sowie mit einem Verlust von Wärme und Effizienz einhergeht. Firmen wie Power Gorilla bieten Solarlösungen an, doch diese sind generell recht teuer; ein komplettes Set von Solarpaneelen und Akkus kostet mehrere hundert Dollar.

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Jonathan Cedar erlangte 2003 den Bachelor of Arts in Ingenieur- und Umweltwissenschaften am Dartmouth College (Vermont). Danach reiste er um die Welt und leitete Seminare in mechanischen und elektrischen Systemen an Bord eines Forschungsschiffs. Als Schiffsingenieur musste er erfinderisch sein, was die Deckung des Strombedarfs auf hoher See und an Land ohne Verbindung zum Stromnetz betraf. In New York begann er, bei Smart Design für Kunden wie Pyrex, OXO, Staples, Pepsi, Johnson & Johnson und Hewlett Packard zu arbeiten. Jon registrierte Dutzende von Patenten und hat eine Erfolgsquote von 90 Prozent bei der Markteinführung von Ideen. Doch seine Zeit auf hoher See erinnerte ihn daran, wie notwendig es war, immer und überall Energiequellen zu finden.

Jon bemerkte, dass offene Holzfeuer am Strand zwar romantisch sein können, doch ineffizient, weil sie viel potentielle Energie verschwenden und giftigen Rauch durch unvollständige Verbrennung verursachen. Er wusste, dass Öfen, die Luft in das Feuer blasen, die Verbrennung verbessern können. Diese jedoch benötigen Energie zum Betreiben von Ventilatoren, und die meisten Menschen, die mit Holz kochen, haben weder Stromanschluss noch Batterien. Er erinnerte sich an seinen Physikunterricht und baute ein Gerät zur Stromgewinnung, dass einen Teil der Wärmeenergie des Feuers in Elektrizität zum Betrieb eines Ventilators nutzte, der wiederum den Verbrennungsprozess verbesserte. Als er erst einmal bemerkte, wie viel Energie durch Feststoffwärmetauscher verfügbar wird, überarbeitete er die Versorgung mit Wärmeenergie zum Betreiben kleiner elektronischer Geräte wie Mobiltelefone, LED-Lichter, GPS und andere mobile Geräte, die alle durch standardmäßige 5-Volt-USB-Anschlüsse geladen werden.

Der erste Umsatz

Jon wurde bewusst, dass drei Milliarden Menschen auf der Welt ihr Essen auf offenem Feuer zubereiten, also 40 Prozent der Weltbevölkerung. Da offene Feuer mehr Holz verbrauchen und das Kochen im Haus giftige Gase verursacht, die die Raumluft beeinträchtigen, entwickelten Jon und sein Team einen Herd, der nur halb so viel Holz benötigt wie ein offenes Feuer und die Rauchemissionen um mehr als 90 Prozent verringert.

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Die erhöhte Effizienz – würden sie überall eingesetzt – könnte die globale Erwärmung um 7 Prozent vermindern, den Kahlschlag durch Sammeln von Feuerholz verringern und Rauchgas vermeiden, das schätzungsweise 1,6 Millionen Todesfälle pro Jahr verursacht. Die Herde wurden in Indien, Ghana, Uganda und Kenia getestet. Unter dem Markennamen HomeStove wird das Produkt ab Mitte 2012 auf den Markt gebracht. Der Erfolg motivierte Jon und sein Team, die Startup-Firma BioLite in New York zu gründen. Der Vorverkauf über das Internet hat bereits begonnen.

Die Chance

In den Entwicklungsländern besteht ein unmittelbarer Bedarf für diese Lösung, doch die Startup-Firma BioLite benötigt den Cashflow, um die Markteinführung der Innovation zu finanzieren. Daher entwickelten Jon und sein Team den CampStove, mit dem Essen auf Wanderungen allein durch die am Weg gesammelten Zweige zubereitet werden kann. So wird kein Petroleum mehr benötigt, und die Bedürfnisse der Outdoor-Sportler werden angesprochen. Der Herd hat die Form einer Literflasche Wasser, ist leicht, schnell aufzubauen und kocht das Essen ebenso schnell. Zusätzlich zu Feuer, Licht und Wärme wird die überschüssige Hitze mittels der selben Technik wie im HomeStove in Strom umgewandelt, mit dem Handys, LED-Lampen, GPS, Computer, Kameras und ähnliche Geräte aufgeladen werden können. Jons interessantes Geschäftsmodell sieht das Angebot dieses Geräts für die „Erste Welt“ parallel zum Modell für die „Dritte Welt“ vor, um die Nachfrage nach dem Feststoffwärmetauscher anzutreiben. Gleichzeitig kann das Luxusprodukt zu einem höheren Preis angeboten und damit eventuell das soziale Produkt subventioniert werden. So wird die Nachfrage ebenfalls gesteigert, damit die Kosten pro Einheit gesenkt und in allen Teilen der Welt saubere und sichere Energie zur Verfügung gestellt, ohne dass erst auf einen Lerneffekt gewartet werden muss. Hier wurde ein Geschäftsmodell entwickelt, das Cashflows so wie in der Blue Economy angedacht integriert.

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Die Vorabverkäufe zu Vorzugspreisen über das Internet tragen zusätzlich dazu bei, einen Standard zu setzen für die Integration von Stromerzeugung überall da, wo Holz oder Holzpellets als Brennstoff entweder aus Notwendigkeit oder für mehr Komfort eingesetzt werden. In jedem offenen Feuer im Norden oder Süden können die Vorzüge der Stromerzeugung über einen Standard-USB zum Einsatz kommen. Wenn also eine Familie sich an der Feuerstelle zusammenfindet, kann der gesamte Strom für die LED-Beleuchtung im Haus erzeugt werden, die Telefone werden geladen und dank voll funktionsfähigem GPS finden alle den Weg nach Hause. In Österreich, Schweden und Norwegen wurde die Technologie des offenen Feuers bereits mit der Wasser- und Luftheizung verbunden; nun kann sie noch auf die Stromerzeugung erweitert werden.

Die selbe Logik könnte auf alle solaren, elektrischen oder gasbetriebenen Wassererhitzer übertragen werden. Das heiße Wasser im Tank oder den Rohren sollte nicht einfach dort verbleiben und warten, bis es mit Kaltwasser vermischt wird, um die ideale Duschtemperatur zu erlangen, sondern besser mit energieeffizienter Beleuchtung verbunden werden und alles aufladen, was es gerade aufzuladen gibt. Dies ermöglicht die Abschaffung von Umspannern und sichert eine vielseitige Energiequelle, die Wohnungen und Gebäude in Nord und Süd unabhängig vom Stromnetz macht und eine stabile Grundversorgung mit Gleichstrom über einfache USB-Standards schafft.

Bilder: Stock.XCHNG

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71. Pumpspeicherkraftwerke

Der Markt für Pumpspeicherung von Wasserkraft

Der Weltmarkt für Pumpspeicherkraftwerke (PSW) hat 2010 knapp über 127 GW erreicht. Wasserkraft einschließlich Pumpspeicherung ist heutzutage die am weitesten verbreitete erneuerbare Technologie zur Stromerzeugung. Wie Dampf in Kohlekraftwerken ist Pumpspeicherkraft ein Nebenprodukt der Wasserkraft. Sie nutzt den billigen Strom zu verbrauchsarmen Zeiten, um Wasser aus einem niedriger gelegenen Reservoir in größere Höhen zu pumpen. Zu Spitzenverbrauchszeiten fließt dieses Wasser durch Turbinen zur Stromproduktion. Wenngleich das Pumpen selbst Energie verbraucht, steigt doch der Umsatz durch Verkauf von Strom zu höheren Preisen in Spitzenzeiten.

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In der EU liegt die Nettokapazität bei fast 40 GW, was einem Drittel der weltweiten Kapazität sowie 5 Prozent der Kapazität zur Grundversorgung in der EU entspricht. Die EU verzeichnet die größte Aktivität im Ausbau dieser Speicherkapazitäten. Japan hat ebenfalls über die letzten Jahre investiert und liegt inzwischen bei 26 GW bzw. einem Viertel der Weltkapazität. Die USA halten 22 GW (etwa ein Fünftel), die 2,5 Prozent der nationalen Grundversorgung (1088 GW) entsprechen. Es wird erwartet, dass der Markt für Pumpspeicherung in den nächsten 4 Jahren um 60 Prozent auf 203 GW im Jahr 2014 wächst. Hierfür werden zusätzlich knapp 60 Milliarden US-Dollar an Kapital investiert.

Die Weltbank sowie die Europäische Investmentbank stellen bereits vorab Fonds für die Erweiterung von Pumpspeicherkraft aus Portugal, der Schweiz, Spanien und dem Vereinigten Königreich für Russland, Indonesien, China und Vietnam auf. Ein interessanter neuer Trend ist die Kooperation zwischen RWE, einem der führenden europäischen Energieversorger, und Deutschlands Kohlenbergwerkbetreiber RAG zur gemeinsamen Entwicklung von integrierten Windkraft- und Pumpspeichersystemen in Tagebaugebieten. Das Konzept verbindet die zeitweise vorhandene Windenergie mit Wasserkraft, die innerhalb einer Minute zur Verfügung stehen kann. Das System wird Windkraft in Momenten hoher Produktivität und niedriger Nachfrage nutzen, um Wasser 50 Meter höher auf die Abraumberge zu pumpen. Es wird voraussichtlich ab 2016 in Betrieb gehen. Mit über 40 000 installierten Anlagen ist Voith Hydro (Deutschland) Marktführer in der Lieferung von Generatoren und Turbinen. Seit letztem Jahr bekommt die Firma jedoch starke Konkurrenz durch Toshiba, Mitsubishi und Sumimoto aus Japan sowie Alstom aus Frankreich.

Die Innovation

Da erneuerbare Energie nicht ununterbrochen zur Verfügung steht, werden Speicherreserven benötigt. Traditionell werden hierfür Batterien genutzt, doch diese Lösung auf chemischem Wege ist nur im kleinen Maßstab möglich. Natrium-Schwefel-Akkumulatoren erreichen nur eine Kapazität von 200 MW. Druckluftspeicherkraftwerke als Alternative haben es schwer, sich auf dem Markt zu positionieren; weltweit sind nur zwei Anlagen in Betrieb. Ein in einem Vakuum mit extrem geringer Reibung betriebenes Schwungrad speichert Energie aus Stoffzusammensetzungen zur Lieferung von Zentripetal-kräften. Komprimierter oder verflüssigter Wasserstoff wird gespeichert, um später wieder in Energie und/oder Wärme zurückverwandelt zu werden. Somit ist die Pumpspeicherung zurzeit zwar das gebräuchlichste System, ihre Nachteile jedoch der negative Umwelteinfluss und die Genehmigungsverfahren, die im Durchschnitt zehn Jahre dauern.

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James Fiske, Spezialist in Magnetschwebetechnik, hat 1978 sein Studium im Elektroingenieurwesen und Informatik am Massachusetts Institute of Technology abgeschlossen. Er arbeitete für Hughes Aircraft an Signalverarbeitungssystemen und war maßgeblich am Bau eines Mini-Supercomputers sowie der Entwicklung von wegbereitender computergestützter Software für das Ingenieurwesen beteiligt. Er besitzt sechs Patente. Als er an der Entwicklung einer neuartigen Transportart für Frachten auf Basis der Magnetschwebetechnik arbeitete, wurde er auf die Nutzung der Schwerkraft als netzgestütztes Stromspeichersystem aufmerksam. Er betrachtete die Pumpspeichertechnik und beschloss, diese bewährte Technologie auf einen neuen Weg zu bringen, nämlich abwärts. Er bemerkte, dass die beiden großen Reservoirs und die Umweltschädigung überwunden werden könnten, indem unterirdisch ein Schwerkraftmodul installiert wird. Dieses modulare System hinterlässt nur einen kleinen ökologischen Fußabdruck und kann fast überall eingesetzt werden, wo Energiespeicherung benötigt wird. James gründete Gravity Power als Spinoff der LaunchPoint Technologies, für die er als Vizepräsident im Prozessingenieurwesen arbeitet.

Der erste Umsatz

James bemerkte, dass wir uns nicht nur auf das Einfangen der Sonnen-, Wind- und Wellenkraft konzentrieren sollten, sondern die Möglichkeit haben, sie über viele Stunden nach Sonnenuntergang oder Abflauen des Windes zu speichern. Er errechnete die gesamten Kapitalkosten pro KW und stellte fest, dass Batterien zwischen 1750 und 3640 Dollar pro KW liegen, während PSH höchstens 1500 Dollar erreicht – also vergleichbar ist mit den billigsten Batterien, jedoch mehr als doppelt so viele Stunden lang Strom speichern kann (10 Stunden). Aus breit angelegten computergestützten Modellen und Simulationen schloss James, dass eine Anlage zur Speicherung von 2 GW weniger als 2 Hektar Fläche benötigt. Da die Technologie auf einem tiefen Schacht basiert, der mit Wasser gefüllt und durch Beton gestützt wird, ist sie auch erdbebensicher.

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Das Schwerkraftmodul ist eine vertikale Säule, die einige hundert Meter tief in die Erde gebohrt und mit Wasser gefüllt wird. Ein riesiger Kolben aus Beton- und Eisenerzscheiben für hohe Dichte und niedrige Kosten drückt auf die Wassersäule, die durch gleitende Dichtungen gesichert werden, um Energie zu speichern. Zur Entladung der Energie über ein Rücklaufrohr werden sie abgesenkt. Solange Energie im Überfluss vorhanden ist, wird Wasser hinabgepumpt; Gewicht und Wassersäule werden angehoben. Bei Bedarf drückt das Gewicht das Wasser durch eine Turbine, die Strom produziert. In einem einzigen Schacht könnten mehr als 50 MW Energie über vier Stunden gespeichert werden, entsprechend sind dies 200 MWh gespeicherter Strom. Gravity Power kooperiert mit Robbins Co., dem Erfinder des Erdbohrers, um ihre Technologie so anzupassen, dass sie innerhalb von 24 Stunden 100 Meter tief graben kann. Durch Geschwindigkeit, niedrige Kosten und Bau aus vorhandenen und billigen Materialien können die zu erwartenden Investitionskosten um mindestens die Hälfte gesenkt werden, und die Zeit zwischen Beschluss und Inbetriebnahme liegt bei wenigen Jahren anstatt einem Jahrzehnt. Die erste Anlage ging 2011 in Texas in Betrieb.

Die Chance

Die Einführung erneuerbarer Energien macht Energiespeicherung im Maßstab zur Anlage notwendig, also in riesigen Dimensionen. Daher liegt eine der Chancen in der Nutzung bereits vorhandener Schächte, die in den letzten Jahrhunderten bereits zu Tausenden von Bergwerksbetrieben in aller Welt gegraben wurden.

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Das Projekt MineWater in Heerlen (Niederlande) nutzt bereits die Temperaturdifferenz tiefer Förderschächte zur Kühlung und Heizung von Wohngebieten. Jetzt würde man aber nicht nur die Wärme nutzen, wie es sich im holländischen Fall bereits bewährt hat, sondern das Vorhandensein von Wasser. Es werden die idealen Schächte gesucht, Dichtungen gebaut und das reichlich vorhandene Wasser in den verlassenen Minen genutzt, das in PSWs sonst häufig herausgepumpt werden muss. In einem Land wie Südafrika rund um Johannesburg, in dem Millionen Liter Wasser aus Bergwerken gepumpt und hierfür 25 Prozent des Gesamtverbrauchs an Energie benötigt werden, könnte die bahnbrechende Technik von James und seinem Team dauerhaft Strom liefern. Erst jetzt entdecken die Betreiber der bis zu 4000 Meter tiefen Minen dieses enorme Potenzial.

Bilder: StockXCHNG

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58. Schwimmender Strom

Der Markt

Der Weltmarkt für Notstromgeneratoren lag 2010 bei etwa 11,5 Milliarden US-Dollar. 2009 waren weltweit rund 9,3 Millionen Reservesysteme zur Energielieferung installiert. Bis 2013 wird diese Zahl erwartungsgemäß auf 13 Millionen steigen. Zwar wurde der Sektor von der Rezession 2008 stark betroffen, doch die Tatsache, dass in 80 Ländern der Welt langfristig der Strom knapp wird, sichert die Nachfrage nach Reservesystemen im Energiesektor, sobald die Wirtschaft sich erholt. Die Krise durch die Kernschmelze in drei Reaktoren von Fukushima (Japan) hat dieses Land, das bislang als am besten vorhersehbar galt, auf Platz eins der Liste der Käufer von Notstromanlagen katapultiert, die momentan durch kleine gasbetriebene Generatoren 1,5 GW Strom zusätzlich produzieren.

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Die immer ältere Infrastruktur und die Zunahme von Katastrophen, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind, steigern ebenfalls die Nachfrage. Jede Region der Welt, die regelmäßig von Taifunen, Hurrikans, Erdbeben und Tsunamis heimgesucht werden, trifft Vorsorgemaßnahmen. Sogar in den Vereinigten Staaten, die bekannt sind für stabile und billige Energieversorgung, stiegen die Verkäufe von Notstromsystemen 2010 auf 1,2 Milliarden. Die mobile Telekommunikation war es jedoch, die im letzten Jahrzehnt den Markt bis auf nie zuvor dagewesene Verkaufszahlen getrieben hat. Jeder Sendeturm benötigt eine Notstromversorgung. Noch 2005 wurden 81 Prozent dieser Sicherungsanlagen mit Diesel betrieben, doch die Emissionskontrollen zwingen zum Umstieg auf Gas und Brennstoffzellen. Der Marktanteil der gasbetriebenen Anlagen stieg in fünf Jahren von null auf 12 Prozent. Es wird erwartet, dass die jüngsten Entwicklungen in Japan den Anteil dieses Typs von Generatoren bis auf über 20 Prozent steigern werden

 

Die Innovation

In Notfällen werden schnell Ausnahmen von Standardregelungen zum Umweltschutz genehmigt. Noch schlimmer ist, dass erneuerbare Energien selten in Betracht gezogen werden, da Solarpaneele und Windräder viel Zeit bei der Auslieferung, Installation und Inbetriebnahme benötigen und weniger robust sind. Ein weiterer Stolperstein ist, dass die meisten erneuerbaren Energiequellen sich nicht für die Grundstromversorgung eignen, die gleichbleibend viel Strom liefern muss. Überdies sind sie bedeutend teurer. Daher wird die örtliche Stromversorgung meist durch Kerosin oder komprimiertes Erdgas abgesichert, die beliebtesten Quellen für kleine, tragbare Generatoren. All diese Generatoren verursachen Lärm, doch sie sind zumindest leicht verfügbar in Planung und Genehmigung. Daher beschränkten sich Innovationen auf diesem Gebiet bisher auf Lärmminderung und Effizienz im Treibstoffverbrauch.

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Morten Sondergaard hat über die Jahre Erfahrungen als Unternehmensgründer in der Telekommunikation und im Internet gesammelt. Als in Zentraljapan nach den Kernschmelzen in den Reaktoren von Fukushima der Strom knapp wurde und zeitweise ausfiel, überlegte er, wie in einer Metropole wie Tokio die Stromversorgung gesichert werden könnte. Die Installation einer Serie kleiner Generatoren würde das riesige Loch nur stellenweise stopfen können. Er erinnerte sich, dass es für Bohrinseln Versorgungsschiffe gibt, die die Grundstromversorgung für die Arbeiten auf hoher See liefern. Solange das Stromnetz vor Ort intakt ist – wie im Falle von Tokio und der Region Tohoku – ist es möglich, Strom durch ein Energieschiff durch vorhandene Turbinen und weitere Generatoren, die ebenfalls bereits auf dem Schiff sind, zu generieren. Diese Versorgungsschiffe produzieren Energie im Megawattbereich bei größter Flexibilität und sogar Mobilität, was für die Industrie unerhört ist. Im Falle Tokios kann das Schiff im Stadtzentrum festgemacht werden. Falls jedoch die Genehmigung hierfür Schwierigkeiten verursacht, könnte das Versorgungsschiff auch in internationalen Gewässern ankern und durch ein Kabel mit der Küste verbunden werden, wo der Strom über einen normalen Transformator direkt ins Netz gespeist wird.

Der erste Umsatz

Herr Sondergaard hat daraufhin ein aus Dubai stammendes Energieschiff ausgerüstet, indem er zwei Generatoren von Siemens auf Deck installiert hatte und das Schiff umrüstete, um für acht Generatoren Platz zu schaffen, die zusammen fast 200 MW Strom pro Stunde herstellen konnten. Dann schaffte er die Umrüstung auf Biodiesel und erfand somit das erste Versorgungsschiff der Welt auf Basis von Biodiesel, das Strom in Katastrophengebieten generieren konnte oder auch als Ergänzung in Spitzenzeiten genutzt werden könnte, zum Beispiel im heißen und feuchten japanischen Sommer, nachdem die Atomkatastrophe die örtliche Stromversorgung ins Chaos gestürzt hat.

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Das Energieschiff ist nicht einzigartig. Es gibt schätzungsweise 160 gleichartige schwimmende Kraftwerke. Doch nie zuvor wurden sie als Notfallmaßnahme genutzt. Morten schlägt vor, mehrere Schiffe auszurüsten und in Bereitschaft zu halten, so dass im Falle von Katastrophen wie Kernschmelzen, die das Leben in großen Küstenstadtgebieten gefährden, diese starken Generatoren die dringend benötigten großen Strommengen liefern können. Normalerweise liegen diese Schiffe in der Nähe von Bohrinseln in der Nordsee, dem Golf von Mexiko, im Nahen Osten, vor der Küste Brasiliens und vor Westafrika zwischen Angola und Ghana. Somit finden sie sich in aller Welt, und es ist nicht nur möglich, dass sie schnell dort ankommen, wo sie gebraucht werden, sondern auch, ihren Laderaum auf dem Weg mit Biotreibstoffen zu füllen. Ein Schiff kann bis zu 80 000 Tonnen Biotreibstoff laden und somit unabhängig und ununterbrochen 3 Monate lang fast 200 MW Strom pro Stunde produzieren. Diese strategische Lösung nützt nicht nur in Notfällen, sondern könnte auch zusätzlichen Strom für Großevents wie die Olympischen Spiele oder die Fußball-WM liefern.

Die Chance

Die Nutzung bereits vorhandener Schiffe zur schnellen Lieferung erneuerbarer Energie ist eine Chance im Sinne der Blue Economy. Zwar bleibt die Frage nach der Nutzung von Biodiesel ungelöst, der nicht mit der Sicherung der Ernährung konkurrieren sollte, doch die Möglichkeit, Reservestrom durch mehrfach erneuerbare Energie zu liefern, könnte hier mehr Vorteile bringen. Unter den Kernfaktoren für die Überlegung sind Schnelligkeit und Kosten. Da das Schiff in wenigen Wochen vor Ort in Betrieb gehen kann, ist kurzfristig eine große Menge Energie ohne Bedarf an weiteren Investitionen in die Infrastruktur verfügbar. Der zweite Vorteil besteht darin, dass das Energieschiff die Elektrizität zum gleichen Preis wie Netzstrom an den Endverbraucher liefern kann, obwohl sich für den Zwischenhändler die Margen verringern. Doch im Notfall ist es nur verständlich, dass die Energiekonzerne den riesigen Preisaufschlag um ein Fünf- bis Zehnfaches, den sie normalerweise über die Produktionskosten hinaus verlangen, nicht mehr erhalten. Warum sollte ein Elektrizitätswerk Gewinn aus einer Katastrophe schlagen – die zudem durch ihre Unfähigkeit, einen Auftrag zu erfüllen, verursacht wird?

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Im Falle Japans kostete die Kilowattstunde etwa 25 Yen, doch inzwischen stiegen die Preise um 25% und spiegeln so die höheren Kosten von Investitionen und Treibstoffen. Schwimmende Elektrizität kann zu den selben Preisen geliefert werden. Dies bedeutet für den japanischen Fall einen riesigen Werbevorteil und öffnet entsprechend qualifizierten Lieferern Tür und Tor. Wer interessiert ist, einen Sommer ohne Stromausfälle zu garantieren, kann deren Bedarf im Internet bestellen. Die schlimme Erfahrung der Bürger Tokios, die mit Schlafsäcken zur Arbeit fahren mussten, weil aufgrund der Stromausfälle nicht sicher war, ob und mit welchen Verkehrsmitteln sie heimfahren konnten, lässt darauf schließen, dass die Japaner lieber Sicherheit haben. Die schwimmende Elektrizität könnte dann bald zur Macht des Volkes werden und das Monopol der Großkonzerne brechen. Dies bietet die Möglichkeit, Sozialkapital aufzubauen, ein Schlüsselkonzept in der Blue Economy.

Bilder: StockXCHNG

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42. Strom aus dem Wasserhahn

Der Markt

Der Weltmarkt für Sanitär- und Kücheneinrichtungen wird für 2010 auf 15 Milliarden US-Dollar geschätzt. Diese durchdefinierte Produktlinie von Armaturen für Küche und Bad, Duschköpfen, Wasserhähnen, Mischbatterien und Schläuchen ist zu einem stark wachsenden Markt geworden. Die mechanischen Geräte finden sich in jeder Wohnung auf der Welt mit fließend Wasser. Da es in Asien immer mehr Verbraucher der Mittelklasse gibt und in Europa der Wohnkomfort weiter gesteigert wird, spiegelt dieses Marktsegment frühzeitig wirtschaftliches Wachstum. Das Wachstum in China hat starken Einfluss auf diesen Markt innerhalb der Wohn- und Geschäftsimmobilien.

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Weltweiter Marktführer ist die Grohe AG, ein deutscher Hersteller, der etwa 10% der Verkäufe auf der Welt kontrolliert. Die Beteiligungsfirma beschäftigt etwa 5000 Menschen in Fabriken auf drei Kontinenten. Diese Gruppe von Verbrauchsgütern benötigt für die Geräte fast eine halbe Million Kilogramm von verarbeitetem Kupfer und Messing (einer Mischung aus Kupfer, Zink sowie mitunter Nickel und Mangan), mit steigender Tendenz. Dies bedeutet einen Anteil von 11% des Weltmarkts und übertrifft die Nachfrage nach diesen nicht eisenhaltigen Metallen durch die Maschinenindustrie. Die Preise für die Rohstoffe, hauptsächlich Kupfer und Messing, haben sich in den letzten Jahren verdreifacht, was den Sektor zu Materialeffizienz und Ersatzmaterialien zwang, um im Preis wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies führte zu einem verstärkten Einsatz von Kunststoffen.

Während der Anstieg der Nachfrage nach Kupfer und Messing den Preis in die Höhe treibt, spielen diese Metalle eine zentrale Rolle bei der Eindämmung von Biofilm. Krankheitserreger wie MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) und Clostridium difficile, die durch Hautkontakt verbreitet werden können, sterben nach wenigen Stunden auf Kupfer- bzw. Messingoberflächen ab. Rostfreier Stahl oder Plastik können diesen Vorteil des Kontrollmechanismus nicht bieten. Daher liegt es auf der Hand, dass für Qualitäts- und Performance-bewusste Sanitär- und Kücheneinrichtungen weiterhin diese Schlüsselmaterialien eingesetzt werden. Glücklicherweise wird Messing großenteils recycelt und die meisten westlichen Hersteller nutzen fast 100 Prozent Altmetall.

Die Innovation

Die Fusion von Küchen- und Badinstallationen mit Elektronik ist einer der neuen Trends auf diesem Sektor. Infrarot-Sensoren, die ohne Berührung den Wasserfluss aktivieren und stoppen, haben alle erdenklichen Vorteile auf dem Gebiet der Hygiene und vermindern das Risiko der Ausbreitung schädlicher Bakterien, während sie gleichzeitig den Wasserverbrauch optimieren. Der Nachteil ist, dass ein traditionelles mechanisches Produkt mit einer Lebensdauer von über 40 Jahren nun öfter ersetzt werden muss und die Wartung teurer ist. Außerdem erhöht der zunehmende Einbau dieser Geräte in privaten und öffentlichen Gebäuden weiter den Stromverbrauch, wenn auch der individuelle Verbrauch pro Kontaktpunkt minimal scheint.

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Die Professoren Daniel Kwok und Larry Kostiuk an der Universität von Alberta in Edmonton (Kanada) haben beobachtet, wie manche Atome in festen Stoffen frei werden, wenn sie in Kontakt mit einer fließenden Flüssigkeit kommen. Dies setzt negative Elektronen frei und schafft positive Ionen. Einige verlassen den Feststoff, der nun geladen ist, und fließen mit der Flüssigkeit. Wenn der Feststoff nicht leitet, bleibt die Ladung an Ort und Stelle. Dies zieht gegensätzlich geladene Ionen an und stößt gleich geladene ab. So entsteht eine dünne geladene Schicht im Innern der Rohre. Die Professoren führten ihre Untersuchungen fort, indem sie Wasser durch winzige Kanäle von der Größe „elektrischer Doppelschichten“ leiteten, die nur einige Nanometer bis Mikrometer stark sind. Der Fluss führt zu Ladungen an beiden Seiten des Kanals und schafft so einige Volt Stromspannung zwischen den Enden.

Wenn auch die elektrische Energie, die durch einen einzigen Kanal generiert wird, extrem gering ist, können Millionen parallel laufender Kanäle genutzt werden, um den Output der Energie bis auf nutzbare Mengen zu erhöhen. Ebenso wie ein Wal tausend Liter Blut mit jedem Herzschlag pumpen kann, indem er in seinen Zellen 70 Millivolt elektrischen Strom generiert, könnten diese Erkenntnisse eines Tages größere Geräte mit Strom versorgen. Die Anwendung dieses Konzeptes zur Stromgewinnung in mikroelektronischen Geräten bietet die Möglichkeit, allen Strom für die Bedienung von Sanitär- und Kücheninstallationen direkt durch das durch Mikrokanäle fließende Wasser zu gewinnen.

Der erste Umsatz

Das Industrial Technology Research Center (ITRI) mit Sitz in Taiwan hat die Möglichkeiten erforscht, wie der Wasserfluss durch Rohre zur Energiegewinnung in kommerziellen Produkten genutzt werden kann. Ingenieure des ITRI haben kürzlich Prototypen von Bad- und Küchenwasserhähnen mit integrierten LEDs vorgeführt, die anzeigen, ob das Wasser kalt, lauwarm, heiß oder zu heiß für den Gebrauch ist.

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Der Strom für diese Temperatursensoren und LEDs wird durch den Fluss des Wassers generiert. Diese Lichtindikatoren bieten eine wichtige zusätzliche Sicherheitskomponente für die bereits vorhandene Mikroelektronik in Wasserhähnen und Installationen. So werden mehrere Vorteile aus einer verfügbaren Energiequelle (Wasserfluss) über die Rückgewinnung von Energie durch Generation von Elektrizität bis hin zu Fortschritten für Gesundheit und Sicherheit geschaffen. Dies ist charakteristisch für die Blue Economy.

Die Chance

ITRI hat eine Serie von weiteren praktischen Umsetzungen entwickelt, die kurz vor der Kommerzialisierung stehen. Wasserschläuche der Feuerwehr wurden mit den selben energieliefernden Turbinen sowie einer starken 50-Watt-LED ausgestattet, die den Wasserstrahl in der Luft beleuchten und so den Feuerwehrleuten ermöglichen, ihn direkt in die Flammen zu lenken. Ebenfalls im Rahmen der Feuersicherheit statteten die Ingenieure die Sprinkleranlagen in Gebäuden, die sich bei Feueralarm aktivieren, mit demselben Gerät aus. So kann das gesamte System neu überarbeitet und eine der größten Herausforderungen des Sicherheitsmanagements überwunden werden. Bei Aktivierung der Sprühanlage wird der Fluchtweg mit Hilfe der durch den Wasserfluss gewonnenen Energie hell beleuchtet. Da die Energie für die Geräte durch das Wasser selbst generiert wird und die Lampen hocheffiziente LEDs sind, kann dieses System ein Teil der Verkabelung einsparen und ebenso zusätzliche Stromkreise mit separater Stromversorgung einschließlich wasserdichter Batterien überflüssig machen.

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Zusätzlich zu diesen Anwendungen in größeren Geräten, die die Performance der Bauindustrie verbessern, ohne die elektrischen Ressourcen weiter zu belasten, könnten diese Geräte eines Tages auch MEMS (Mikroelektro-mechanischen Systemen) Strom liefern. Diese kleinen elektrischen Geräte werden in Tintenstrahldruckern, Airbags, Drucksensoren und optischen Schaltanlagen genutzt. Indem die innovativen Erkenntnisse der Professoren Kwok und Kostiuk ihren Weg vom Labor zur Industrie finden und ITRI die kommerziellen Strategien in Richtung der Kleingeräte ausbaut, wird diese neuartige Energiequelle, die auf den Kräften von Gravitation und Druck basiert sicherstellen, dass künftige Innovationen lokal mit Strom versorgt werden können. Es scheint, dass sich hier eine breite Plattform für das Unternehmertum findet.

Bilder: StockXCHNG

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41. Strom aus dem Meer

Der Markt

Über die nächsten zwei Jahrzehnte werden schätzungsweise 190 Milliarden US-Dollar in Technologien für neue Energieträger investiert, die auf Gezeiten, Strömungen und Wellen basieren. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass Gezeitenkraft 200 Terawatt pro Jahr generieren könnte und Wellenkraft sogar 8000 Terawatt. Insgesamt könnten so schätzungsweise 80 000 Terawatt Strom gewonnen werden. Innerhalb eines Jahrzehnts könnten die Vereinigten Staaten 10 Gigawatt aus Wellenkraft und drei Gigawatt aus Gezeitenkraft produzieren. Das zu gewinnende Potential in den USA könnte 6 Prozent von deren Strombedarf decken. Die meisten Technologien zur Gewinnung von Energie aus Ozeanen werden jedoch in Europa entwickelt und von Politiken zum Emissionsrechtehandel unterstützt, die alle erneuerbaren Energien zu einem aufstrebenden Sektor machen.

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Die Regionen mit dem größten Potential für Wellenkraft sind unter anderem Alaska, die Nordsee, Nordost-Kanada, das östliche Kap von Südafrika, Südbrasilien und Argentinien, Japan, Indonesien und Südaustralien. Die Regionen mit einem großen Potential für die Nutzung von Gezeitenkraft schließen die Beringstraße, den Nordosten Brasiliens, die Großen Seen von Nordamerika, die Nordkaps von Norwegen bis Russland, die Koreanische Halbinsel bis zum Chinesischen Meer, Nordwestaustralien und Neuseeland ein. Das einzige Land das erfolgreich ein Gezeitenkraftwerk betreibt, ist Frankreich. Die La Rance-Anlage in der Bretagne generiert pro Jahr 240 MW Strom seit ihrer Erbauung im Jahr 1966. Das Vereinigte Königreich ist Pionier auf dem Gebiet der Wellenenergie mit dem European Marine Energy Center (EMEC). Die USA starteten auf Hawai’i eine weitere Form der Energiegewinnung aus dem Meer: die Nutzung von Temperaturunterschieden, auch bekannt unter dem Namen Ocean Thermal Energy Conversion (OTEC).

Eine breite Palette von Firmen hat sich der Entwicklung und dem Bau von Anlagen gewidmet, die die großen Herausforderungen auf dem Gebiet von Umwelt und Klima bei der Energiegewinnung angehen. Ocean Power Delivery (Schottland) hat sich mit Vattenfall (Schweden), Enersis (Portugal) und E.On (Deutschland) zusammengeschlossen. Theoretisch könnten die verschiedenen Anlagen 40 MW Strom pro Küstenkilometer bei leichtem Wellengang (1 Meter) gewinnen und 1000 MW pro Kilometer, wenn die Wellen 5 Meter hoch sind.

Die Innovation

Wasser ist eine Flüssigkeit, daher enthalten Wellen und Strömungen ungefähr 1000 Mal mehr kinetische Energie als Wind. Dies ermöglicht es, in kleineren Anlagen mehr Strom zu produzieren. Zusätzlich gibt es rund um die Uhr Wellen. Die Innovationen auf dem Gebiet der Mechanik und Wartungen einerseits und die Verminderung von negativen Umwelteinflüssen andererseits stellen für Ingenieure eine Herausforderung dar, da Wellen und Strömungen große Kräfte bei niedriger Geschwindigkeit haben. Die Gewinnung von Elektrizität erfordert hohe Geschwindigkeiten. Ein weiterer erschwerender Faktor für die Ingenieure sind die rauen Wetterbedingungen. Jedes schwimmende oder unter Wasser angebrachte und mit Kabeln und Ketten am Meeresgrund befestigte Gerät muss den Kräften der Stürme und sogar Tsunamis standhalten.

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Tim Finnigan, ein außerplanmäßiger Professor an der Universität von Sydney mit einem Titel in Umwelt-Strömungsdynamik, hat beobachtet, wie sich Riesentang im Rhythmus von Strömungen und Wellen fortbewegt. Er erkannte, dass Riesentang (Laminaria spp) um einen halben Meter pro Tag auf eine Länge von bis zu 80 Metern wächst. Noch besser: der Tang bewegt sich mit der Strömung, die reichhaltige Nährstoffe bietet. Bei Stürmen oder Tsunamis bleiben diese riesigen Unterwasserwälder einfach flach am Meeresboden liegen. Prof. Finnigan untersuchte die Fließdynamik der Bewegungen des Tangs und wandelte diese in mathematische Modelle um, die als Muster für einen Stromgenerator dienten. Sein Ansatz überwindet die Herausforderungen hinsichtlich sowohl Geschwindigkeit als auch Verankerung. Seine Entwicklung basiert auf der Geometrie von bewährten Systemen der Natur. Dies ist eins der Kernprinzipien der Blue Economy.

Überdies schwimmen seine patentierten bioWave-Generatoren im Ökosystem des Ozeans wie Tang. Seine Apparaturen besitzen keine beweglichen Teile wie Schrauben oder Wasserräder; ebenso wenig schaffen sie Hindernisse, die den Fluss von Nährstoffen hemmen und verschlammen, und stellen daher keine bekannte Gefahr für das Leben im Meer dar. Das wichtigste Detail ist vielleicht, dass bioWave sich im Fluss der Strömungen und Wellen bewegt. Anstatt die Mechanik gegen übermäßige Kräfte durch unvermeidbare Stürme zu befestigen, konnte Prof. Finnigan das beste Sicherungssystem übernehmen: Wenn ein Tsunami im Gebiet entsteht, bleibt bioWave wie der Farn flach am Grund liegen. Obwohl Wellen und Meeresströmungen als Energiequelle lange Zeit als unwirtschaftlich aufgrund der widrigen Witterungsumstände galten, hat Prof. Finnigan Feldforschungen angesetzt und von der Intelligenz der größten Algenarten im Ozean gelernt.

Der erste Umsatz

Prof. Finnigan gründete daraufhin in Sydney die Firma BioPower und ergänzte seine Einsichten über die Bewegungen von Farnen durch Beobachtungen des geometrischen Modells, wie Haie, Thunfische und Makrelen sich fortbewegen. Dies ergab eine Palette von Patenten, die unter dem Namen BioWave und BioStream patentiert wurden. Es werden bereits Projekte in Australien, Spanien und den USA entwickelt, die diesen Ansatz der Energiegewinnung aus Wellen und Strömungen zu einem marktwirtschaftlich höchst bedeutsamen Durchbruch machen. Da es sich um ein Modulsystem handelt, ermöglicht es Einheiten von 250, 500 und 1000 MW, die wie ein Park unsichtbar in Küstennähe installiert werden, ohne das Leben im unterseeischen Ökosystem durch übermäßige Verankerungen zu belasten.

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Die Chance

Die Marktentwicklung hat gerade erst begonnen. Das Interesse an Investitionen in Hochseeanlagen ist groß und im Vergleich zur Komplexität von Windparks bietet BioPower Einfachheit und Sicherheit. Die naheliegendste kommerzielle Umsetzung liegt darin, kleine Inselgemeinden energietechnisch autark zu machen, indem bioWave-Installationen im Meer vor dem zu versorgenden Ort stationiert werden. Die Energiequelle ist so sicher wie die Umlaufbahn des Mondes und die Schwerkraft und kann daher auch zur Grundstromversorgung dienen. Die Energieversorgung durch bioWave und bioStream ist so gewiss, dass ein Park aus einem Dutzend Anlagen 10 000 Bewohner unabhängig vom Stromnetz macht, und sie bräuchten nicht einmal mehr Lichtschalter. Die Versorgung mit Energie könnte sich so von Knappheit zum Überfluss entwickeln und dabei umweltschädliche Dieselgeneratoren ersetzen durch einen unsichtbaren, geruchlosen und kontinuierlichen Fluss.

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Bilder: StockXCHNG

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40. Elektrizität durch Osmose

Der Markt

Die Internationale Energieagentur hat errechnet, dass weltweit bis zum Jahr 2030 Investitionen in die Energieversorgung in Höhe von 10 Billionen US-Dollar nötig sind. Die chinesische Regierung hat bereits 1,3 Billionen Dollar an Investitionen für zusätzliche Energieversorgung eingeplant. Die weltweit 10 Billionen machen über den gesamten Zeitraum ein Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts aus. Jedoch bedeutet dies einen Anteil von fünf Prozent des BIP für Investitionen in Russland und über vier Prozent des afrikanischen BIP, hingegen nur ein halbes Prozent für OECD-Mitgliedsstaaten.

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Die Hälfte aller Investitionen für zusätzliche Elektrizität in den 27 Mitgliedsstaaten der EU gehen in erneuerbare Energien. Trotzdem bleibt die Herausforderung, dass Wind- und Solarenergie, die zwei „grünen“ Hauptenergielieferanten, nicht gleichbleibend Strom liefern und zusätzliche Investitionen in der Grundversorgung nötig sind. Wenn in Europa der Wind nicht bläst und die Sonne von Wolken verdeckt ist, bedeutet dies für 2030, dass pro Tag nicht 138 bzw. 30 GW Strom geliefert werden, sondern der Ertrag um bis zu 20 GW fallen kann. Daher muss für jede weitere erneuerbare Energiequelle eine weitere Investition von 0,9 Einheiten in die Grundversorgung getätigt werden. Alternativ kann auch in die Speicherung von Strom investiert werden, doch dies ist eher noch teurer.

Die Grundstromversorgung arbeitet an 365 Tagen im Jahr ohne Unterbrechung. Für diese stabile Versorgung werden Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke als Energiequelle bevorzugt, in die pro KW 1000 US-Dollar investiert werden, für Kohlekraftwerke 3000 Dollar/KW und für Atomkraftwerke 5000 Dollar/KW. Während Wasserkraft und Geothermie ebenfalls für die Grundversorgung in Frage kommen, hängt ihre Einsatzfähigkeit von den örtlichen Gegebenheiten ab. Die Investition in die Grundversorgung ist von der Finanzierungsart abhängig. Die Banken finanzieren am ehesten Grundversorgungssysteme für langfristige Verkaufsverträge, da diese ein geringes Risiko darstellen. Immer noch schließt die Investition von einer Milliarde Dollar in die Grundversorgung 65 Prozent an Baukosten und 35 Prozent an Gebühren und Abgaben ein. Wenn die Finanzierung auf Kapitalinvestitionen beruhte, könnten die Erträge um mindestens ein Drittel gesteigert werden.

Die Innovation

Da der größte Teil der Grundversorgung durch Kohle- oder Atomkraft gestellt wird, sucht man nach erneuerbaren Energien, die nicht nur zeitweise, sondern auch als Grundversorger Strom liefern können. Konzentrierte Solarenergie ist eine besonders vielversprechende Energietechnologie. Hiermit kann Energie in Dampfdruckbehältern, Salzschmelzen oder gereinigtem Graphit gesammelt und gespeichert werden. Windenergie ist mit einer Vielzahl von Speichersystemen kombiniert worden, so z.B. Pumpspeichern, Batterien, wiederaufladbaren Treibstoffzellen, Schwungrädern und Magneten. Am vielversprechendsten jedoch scheinen Druckluftspeichertanks, die Luft in unterirdischen Erdhöhlen speichern. Die Herausforderung bleibt, dass diese Speicheranlagen weitere Investitionen erfordern und höhere Wartungskosten verursachen, die die Kosten pro Kilowattstunde weiter nach oben treiben.

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Stein Erik Skilhagen, Vizepräsident für osmotische Kraft beim norwegischen Energieversorger Statkraft hat die Kräfte eines Mammutbaums beobachtet, der Wasser bis auf die Höhe von 100 Metern aufsaugen kann. Der Baum nutzt den Unterschied in der Konzentration und zieht so die Feuchtigkeit bis ganz hinauf. Wenn Süßwasser aus den Bergen in Salzwasser fließt, wird eine Menge Energie durch die Änderung des Salzgehalts freigesetzt. Er beobachtete, dass der Strom der Flüsse ins Meer nie endet dank des natürlichen Kreislaufs von Verdunstung, Kondensation und Niederschlag. Daher kann die Energie, die durch den Unterschied zwischen höherem Salzgehalt und damit höherem Druck und niedrigerem Salzgehalt und Druck freiwird, das ganze Jahr über ohne Unterbrechung funktionieren. Dies ist eine ideale erneuerbare Energie-Grundversorgungsquelle. Die einfache Ausnutzung der Unterschiede durch Druck impliziert, dass die Energiequelle auf den Gesetzen der Physik beruht: dies ist die Art von Innovationen im Sinne der Blue Economy.

Diese Energiequelle ist auch bekannt als Osmoseenergie oder Salzgradientenenergie und nutzt den Unterschied des Salzgehalts zwischen Fluss- oder Regenwasser und Salzwasser. Die Technik der Generierung von Elektrizität aus dem Gradienten wurde in den Niederlanden durch Revers-Elektrodialyse getestet und in Norwegen durch druckverzögerte Osmose (pressure retarded osmosis, PRO) in die Praxis umgesetzt. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Membran, die die zwei Wasserarten voneinander trennt. Während Süßwasser zum Salzwasser gelangt, erzeugt es einen Druckunterschied. Dieser Druck wird genutzt, um eine Turbine anzutreiben. Genau wie bei der Umkehrosmose erzeugt die PRO ein Nebenprodukt. Jedoch handelt es sich hier nicht um hochkonzentrierte Salzlake wie bei der Umkehrosmose, sondern um Brackwasser, das in der Algenproduktion genutzt werden könnte und so die Ansiedlung von Kraftwerken und Algenfarmen am selben Ort möglich macht. Dieses Clustering wirtschaftlicher Aktivitäten ermöglicht die Schaffung mehrerer Cashflows, ein weiteres Charakteristikum von Innovationen, die in The Blue Economy vorgestellt werden.

Der erste Umsatz

Statkraft entschloss sich, 8 Millionen US-Dollar in eine Vorführanlage zu investieren. Ein Quadratmeter Membranen generiert gegenwärtig 3 Watt Elektrizität. Man erwartet, dass die Einführung einer neuartigen Membran die Ausbeute auf 5 Watt erhöht. Experten schätzen, dass dies das erforderliche Minimum ist, um die PRO-Technologie wettbewerbsfähig zu machen. Die Kosten der Operation müssen die Filtrierung einschließen. Die Entwicklung von Biofilm auf der Membran setzt schnell ihre Effizienz herab. Hier könnte die bewährte Wirbeltechnologie aus Schweden zum Einsatz kommen, die bereits in Spanien getestet wurde und eine kostengünstige Lösung zur weiteren Senkung von Investitions- und Wartungskosten bietet.

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Die Chance

Die Anwendung von Osmose zur Stromgewinnung beschränkt sich auf Orte, an denen es genügend Süß- und Salzwasser gibt. Dies bedeutet, dass jede Flussmündung ins Meer Potential besitzt. Experten haben bereits berechnet, dass das Potential für Osmose-Energie in Europa das Dreifache des Potentials von Wind- und Sonnenenergie zusammen beträgt. Die Tatsache, dass sie rund um die Uhr und an sieben Tagen der Woche funktionieren kann, macht sie so wettbewerbsfähig wie die Schwerkraft. Der kanadische Energiekonzern HydroQuebec hat kalkuliert, das der Sankt-Lorenz-Strom ein Potential von 12 Gigawatt besitzt. Regenreiche Länder sowie solche mit langen Küsten können alle von diesem Potential profitieren. Das Tokyo Institute of Technology und die Kyowakiden Industrial Co. aus Nagasaki haben mit Osmose-Tests in Fukuoka begonnen.

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Stein Erik Skilhagen glaubt, dass sobald einige Osmoseanlagen ans Netz gegangen sind, die größten Membranhersteller der Welt ihre Kenntnisse über Reversosmosemembranen zur Produktion von Trinkwasser aus Salzwasser auf Osmose anwenden werden. Während Europa, Nordamerika und Japan bereits Anlagen planen, liegt die eigentliche Zukunft für sie in großen Flussdeltas, wo Energie knapp ist und dringend neue Grundstromversorgung benötigt wird: am Gelben und Jangtse-Fluss, am Mekong, Ganges, Perlstrom, Brahmaputra, Nil, Gambiafluss, Okovango, Niger, Volta, Sambesi, Orinoco, Amazonas, Paraná, Lena und Jenissej.

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