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95 Kaninchen und Benzin

Dieser Artikel stellt Innovationen für Biokraftstoffe vor, eine von 100 Innovationen im Rahmen von „The Blue Economy”. Dies ist Teil einer breit angelegten Bewegung für mehr Unternehmertum, Wettbewerb und Arbeitsplätze.

Der Weltmarkt für Biokraftstoffe

Der Weltmarkt für Biokraftstoffe wurde im Jahr 2011 mit 82,7 Milliarden US-Dollar bewertete und verdoppelt sich erwartungsgemäß bis 2021 auf 185,3 Milliarden Dollar. Bereits 2012 wird die weltweite Erzeugung von Biokraftstoffen 118 Milliarden Liter erreichen; bis 2015 werden es 155 Milliarden Liter sein. Der Markt ging 2006 mit 49 Milliarden Litern an den Start. Bis 2021 wächst die Produktion noch auf 250 Milliarden Liter an. So ergibt sich ein jährliches Wachstum von 15-20% und der Anteil am Treibstoffverbrauch steigt von 3 auf 8,5 Prozent an, was 40 Prozent des globalen Wachstums auf diesem Sektor entspricht. Schätzungen zufolge werden bis 2030 bis zu 30 Prozent der Treibstoffe biologischen Ursprungs sein. Ethanol wird weiter den Sektor beherrschen. 2007 erzeugten 20 Öl-fördernde Länder Treibstoff für über 200 Länder. Für 2020 wird erwartet, dass etwa 200 Nationen irgendein Programm zur Produktion von Biokraftstoff haben werden. Dies könnte als der größte Wandel einer globalen Industrie in lokale Plattformen für den Handel und die Entwicklung gelten.

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Die erste Generation von Biokraftstoff stand in Konkurrenz mit dem Lebensmittelanbau wie Mais, Soja, Zuckerrohr, Raps und Palmöl. Die zweite Generation Biokraftstoff konzentriert sich auf alternative land- und forstwirtschaftliche Quellen. Brasilien hat die größte Vielfalt von erneuerbaren Kraftstoffquellen: heimisches Babassu (eine Palmenart) und Cupuassu (eine Kakaovariante), Soja, Rizinusöl, Palmöl, Baumwolle, Sonnenblume, Kokosnuss, Erdnüsse, Raps, Algen, Zellulose und Zuckerrohr. Mehrere Länder haben die Jatropha curcas aus Lateinamerika eingeführt. Die weiträumigsten Initiativen liegen in Indien (über eine Million Hektar), Mosambique (300 000 Ha), Indonesien (200 000 Ha) und Brasilien (100 000 Ha). Indien hat 60 Millionen Hektar ungenutztes Land reserviert und beabsichtigt, 20 Prozent aller Biokraftstoffe durch Jatropha zu ersetzen. In Kolumbien wurde erstmals Treibstoff aus Pinien (Terpentin) gewonnen, der mittlerweile das Interesse Bhutans geweckt hat. Dieses Land hat per Verfassung 60 Prozent seiner Fläche als Primärwald, hauptsächlich Kiefernwald, unter Schutz gestellt.

Im Jahr 2012 gibt es in mindestens 30 Ländern bereits Mischvorschriften und 29 regionale Regierungen sind ihren Entscheidern auf nationaler Ebene zuvor gekommen und haben lokal Biokraftstoffgemische im Angebot. Im Jahr 2010 stellten die USA, Brasilien und die EU zusammen 85 Prozent der globalen Produktion. Es gibt keine klaren Marktführer, und viele Firmen versuchen sich zu positionieren: die größten Anlagen bauen derzeit Neste (Finnland) in Singapur sowie Tyson-Conoco in den USA, mit einer Produktionskapazität von 250 bzw. 200 Millionen Gallonen. Ein Trend zur Massenproduktion zeichnet sich also ab. Auf der anderen Seite des Spektrums haben Ingenieure wettbewerbsfähige kleine Biodiesel-Anlagen für täglich 2000 Liter Biokraftstoff aus lokal erzeugten Rohstoffen entwickelt, die den ökologischen Fußabdruck durch Einsparungen der Transportkosten drastisch vermindern. Mit dem Bau von 150 Kleinanlagen in zwei Jahren schafft die Firma Extreme Biodiesel (Kalifornien, USA) die Basis für lokale Kooperativen, die den Zusammenschluss von Einzelherstellern fördern und Konzerne unterstützen, die den Wechsel zu erneuerbaren Treibstoffen wagen wollen.

Die Innovation

Biokraftstoffe haben eine hohe Energieausbeute und reduzieren dabei den Ausstoß von Kohlendioxid (-78%), Schwefel (-100%), Kohlenmonoxid (-48%), Feinstaub (-47%) und Kohlenwasserstoffen (-85%). Bekannt ist, dass sich Kraftstoffe auf Maisbasis ohne massive Subventionen der US-Regierung auf dem Markt nicht tragen. Die Industrie sucht nach besseren Wegen der Konversion, unter anderem durch die Einführung des Bioraffinerie-Konzepts (Siehe Beispiel 6). Der Ethanolsektor ist sich bewust, dass für jeden Liter Treibstoff 10 Liter flüssige Abfälle entstehen. In Folge dessen erschöpft eine hohe dichte großer Anlagen schnell die Wasservorräte vor Ort. Die neun Kali-basierten Ethanolfabriken in Kolumbien suchen nach alternativen Nutzungsmöglichkeiten für ihr Abwasser. Auf breiter Ebene besteht die Sorge, dass in ländlichen Gemeinden der Anteil an Anbauflächen für Biokraftstoff außer Kontrolle gerät und die Bauern gezwungen werden, große Flächen für Monokulturen ohne Rücksicht auf Energieaufwand, lokalen Lebensmittelbedarf oder gesundheitliche Risiken anzulegen.

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Dr. Sean Simpson blickt auf eine breit angelegte Karriere in der Biologie und Biochemie zurück. Der gebürtige Brite hat an der Teeside University (Vereinigtes Königreich) seinen Bachelor of Science mit Schwerpunkt auf Biotechnologie und seinen Mastergrad an der University of Nottingham (Vereinigtes Königreich) in Pflanzengenetik erlangt. Seine akademische Karriere krönte er mit einem PhD in Pflanzen-Biochemie der University of York. Mittlerweile lebt er in Neuseeland. Zu Beginn seiner beruflichen Karriere arbeitete er in der Entwicklung von Medikamenten bei Hoffmann La Roche in der Schweiz und Sandoz in Österreich, dann untersuchte er Zellstrukturen an der Universität Tsukuba in Japan, bis er schließlich nach Neuseeland übersiedelte und dort beim Konzern Genesis an der Umwandlung von Hartholz in Ethanol zu arbeiten. Er fand eine Mikrobe, die imstande war, Kohlenstoff aus Gasen als Energiequelle zu nutzen und diese Kohlenstoffenergie in Treibstoff umzuwandeln. Diese Forschung mündete in einen Bericht, der bestimmte Bakterien im Verdauungstrakt einer speziellen Kaninchenart vorstellte, die möglicherweise Abfallstoffe in Treibstoffe umwandeln könnten. Kaninchen haben eine besondere Art der Verdauung: Zunächst kauen sie 300-Mal und verarbeiten dann, nachdem die ersten Nährstoffe extrahiert wurden, im Plumpdarm, in dem durch Enzyme und Bakterien die Überreste der Nahrung für die erneute Verdauung vorbereitet werden. Dieser unglaubliche und einzigartige Mix aus Mikroorganismen im Plumpdarm inspirierte den Forscher für sein nächstes Unterfangen, aus Abfällen Treibstoff zu gewinnen.

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Dr. Simpson war klar, dass die erste sowie die zweite Generation Biokraftstoffe direkt oder indirekt (über die Anbauflächen) mit der Nahrungsmittelproduktion konkurrieren. Zwar ist die zweite Generation breiter gefächert und weiter entwickelt als die einfache Nutzung von Lebensmitteln für Menschen als Kraftstoffquelle, doch es handelt sich weiterhin um die Nutzung von Landflächen, die alternativ auch Hanf oder Nesseln hervorbringen könnten. Dr. Simpson entwarf eine neuartige Fermentation, die Kohlenmonoxid-haltige Gase einfängt und den Kohlenstoff in Treibstoff und weiter Chemikalien umwandelt. Sein Denken folgt der Idee der Bioraffinerien und er erforscht das Potential der Umwandlung von Abfallströmen aus Industrien und Landwirtschaft, die gegenwärtig Luft, Wasser und Boden belasten und so das Klima gefährden. So bietet er eine völlig neue Vision, wie die Gewinnung von Kohlenstoff zur Grundlage einer Strategie für erneuerbare Treibstoffe werden könnte. Seine ursprünglichen Rechnungen zeigen auf, dass diese Technologie mit einem möglichen Ertrag von über 400 Milliarden Litern pro Jahr das Potenzial hat, die Zukunft der Kraftstoffproduktion mitzubestimmen und neue Rohstoffe für die chemische Industrie bereitzustellen.

Der erste Umsatz

Eine Analyse der Stahlindustrie hat gezeigt, dass aus den Emissionen der Produktion von jährlich 1,4 Milliarden Tonnen Stahl durch diesen neuartigen komprimierten Fermentationsprozess 115 Milliarden Liter Ethanol gewonnen werden könnten. Dr. Simpson wurde daraufhin zum Mitgründer von LanzaTech in Neuseeland dank der Unterstützung durch einige private Investoren. Im Jahr 2008 wurde eine Pilot-Anlage an die BlueScope-Stahlfabrik in Neuseeland angeschlossen, die erfolgreich Kohlenmonoxid und weitere Gase in zunächst 208 000 Liter Ethanol umwandelte. Diese erste Erfahrung motivierte die in China ansässige Firma Baosteel, eine Vorführanlage zu bauen, die die Produktion auf jährlich 380 000 Liter Ethanol steigerte. Die Anlage ist seit Herbst 2011 in Betrieb. Die verfügbaren Daten waren überzeugend genug, um den Betrieb dieser kleinen Anlage auszuweiten auf eine kommerzielle Produktion, die Abgase aus der Stahlindustrie in bis zu 250 Millionen Liter pro Jahr umwandeln kann. Die privaten Investoren wurden mittlerweile durch institutionelle und industrielle Partner aus Malaysia, Indien, China und den USA abgelöst. LanzaTech hat inzwischen Niederlassungen in den USA und China.

Die Chance

Zwar ist Europa bisher zweifellos Marktführer für Biokraftstoffe, doch LanzaTech hat bereits seine Kooperationsprogramme auf Indien (Indian Oil, Jindal Steel and Power), Malaysia (Petronas) und Japan (Mitsui & Co.) erweitert. Der erfolgreiche Betrieb der Vorführanlagen sowie die daraus folgenden Finanzierungen brachten LanzaTech den Titel „Firma des Jahres im Asien-Pazifik-Raum“ ein und Dr. Simspon wurde als „Nachwuchs-Biotechnologe des Jahres“ geehrt. Die möglichen Weiterentwicklungen beschränken sich nicht nur auf Abgase aus Stahlfabriken; LanzaTech ist ebenso bereit, die Abfallströme aus der Herstellung von Petrolkoks sowie aus der Landwirtschaft weiterzuverwerten. Allein die in den USA anfallenden 1,3 Milliarden Tonnen Biomasse könnten durch einen Ertrag von jährlich 720 Milliarden Litern den Mais als Biokraftstoff ein für allemal verdrängen, und das ohne den Bezug von Subventionen in Milliardenhöhe, die der Mais-Ethanol momentan verschlingt.

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Dr. Simpson beschränkt sein Portfolio von Chancen nicht, und es scheint, für das Team von LanzaTech ist das erst der Anfang (so enden alle Fabeln von Gunter Pauli). Er hat die Möglichkeit der kontinuierlichen Nutzung von CO2 in einem Fermentationsprozess bewiesen, in dem Acetat gewonnen wird. Außerdem sind da die großen Mengen von Feststoffabfällen aus der Land- und Forstwirtschaft, städtische Abfälle (siehe Beispiel 51) und sogar die Abfälle aus der Kohleverarbeitung, die gleich wie die Emissionen der Stahlindustrie weiterverarbeitet werden können. Die Prozesse zur Umwandlung gemäß den Konzepten von Dr. Simpson schließen die Rückgewinnung von Abwasser ein, während alle Nebenprodukte zu Rohstoffen für die Chemieindustrie werden, ebenso wie in den Raffinerien Nebenprodukte aus Erdöl gewonnen werden. Ein Prozess, in dem Emissionen und Feststoffabfälle inspiriert durch natürliche Prozesse der biologischen Fermentation in Kraftstoff und Rohstoff umgewandelt werden, ohne dass Subventionen benötigt oder die Lebensmittelproduktion verdrängt werden, ist ein konkretes Beispiel für die Blue Economy. Zwar können kleine oder einzelne Investoren solche Anlagen nicht mittragen, doch sicher ist, dass jedes Land, in dem Kohleabbau und Landwirtschaft betrieben sowie Stahl hergestellt wird, diese Technologie einführen könnte, die schon bald durch Bakterien eine Plattform für den Wettbewerb auf dem Markt der Biokraftstoffe bilden wird.

Bilder: Stock.XCHNG
https://www.flickr.com/photos/jcapaldi/7823435568

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65. Wasserstoff

Der Markt für Kohlenstoff

Der Weltmarkt für Kohlenstoff wird auf 52 Milliarden US-Dollar geschätzt. Kohlenstoff ist das am vierthäufigsten vorkommende Element im Universum. Sein Verbrauch hat sich stufenweise entwickelt, von Rußschwärze als Farbpigment und für Reifen (US $ 1000/t) über Aktivkohle für Wasserfilter (US $ 2000/t), Kohlefaser für haltbare Textilien und Autoteile als Ersatz für Stahl (US $ 25000/t) bis hin zu Kohlenstoff-Nanoröhren für die Halbleiterindustrie und Medizin (über US $ 150 000/t), um nur einige zu nennen. In Zukunft wird zu Graphen verarbeiteter Kohlenstoff, ein wabenförmiges, atomdünnes, Drahtnetzen ähnliches Material, das als Kernkomponente in Solarzellen, Elektroden und Transistoren eingesetzt werden kann, die Nachfrage weltweit noch erhöhen. Der Kostenpreis für einen Quadratzentimeter Graphen liegt noch bei über einer Million Dollar, doch bis 2050 könnte Graphen eins der am weitesten verbreiteten und materialeffizientesten Industriematerialien sein, hergestellt aus leicht verfügbarem Kohlenstoff in der Atmosphäre, der bekanntlich im Übermaß vorhanden ist und den Klimawandel verursacht.

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Der Weltmarkt für Ruß wurde für 2010 auf 12 Milliarden Dollar geschätzt. Vor allem durch die Expansion im Automobilverkauf wachsen die chinesischen und indischen Märkte schnell, um jährlich 8 bis 10 Prozent. Meist wird Ruß in Reifen verwendet, um sie stabiler zu machen und die Wärme abzuleiten, wodurch das Gummi haltbarer wird. Ebenso wird Rußschwärze als Pigment für Kopiergeräte und Drucker verkauft, als Neutralisierer von UV-Strahlen in Plastik, z.B. in Schwarzwasserrohren, und im High-End-Bereich wird es zur Absorption von Radarwellen genutzt. Ein weiterer möglicher Massenmarkt für Kohlenstoff ist die Vermischung und Ersatz von Mineraldüngern mit Ruß ($500/t), da die Anbauflächen durch die Agroindustrie Kohlenstoff verlieren.

Der Weltmarkt jedoch zeichnet sich durch ein Überangebot aus, unter anderem aufgrund der Expansion von Cabot in China, Indonesien, Brasilien und Argentinien. Der mengenmäßig größte Anbieter ist die indische Gruppe Aditya Birla, die (Deutschland) durch den Erwerb von Columbian Chemicals, einem US-Hersteller mit einer kombinierten Produktionskapazität von 2 Millionen Tonnen und 2 Milliarden Dollar Umsatz, Cabot (USA) und Evonik überholt hat. Evonik plant den Verkauf seiner Rußabteilung, um sich auf spezialisierte Chemikalien zu konzentrieren.

The Innovation

In der Luft schwebende Rußpartikel sind zum Umweltproblem geworden. Der Rußausstoß ist ein Schadstoff, der besonders in und um Städte vorkommt. Goodyear hat den Ruß erfolgreich durch ein auf Stärke basierendes Polymer ersetzt, das durch Novamont (siehe Beispiel 20) geliefert wird. Doch dies hat sich nicht als Mainstream durchgesetzt. Die Quelle für Ruß liefern normalerweise verkohlte Knochen, getrocknete Weinstöcke und Ölruß. Die moderne Verarbeitung hat sich zur massiven Industrieherstellung aus den schwersten Ölbestandteilen der Raffinerie entwickelt. Doch die größte bisher gebaute Anlage war nur drei Jahre in Montreal, Kanada in Betrieb und nutzte Erdgas und Öl als Rohstoff. Wasserstoff war Hauptprodukt und Ruß nur ein Nebenprodukt. Leider war der Betrieb aufgrund der hohen Rohstoffkosten (Öl oder Erdgas) nicht wettbewerbsfähig.

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Per Espen Stoknes hat innovative Wege zur Produktion von Wasserstoff untersucht und zahlreiche Optionen ausgewertet. Er traf sich mit dem britischen Erfinder Phil Risby, der wiederum zahlreiche Anwendungen für Plasmatechnologien einschließlich der Spaltung von Methan untersucht hatte. Per Espen war begeistert vom Konzept der Null-Emissionen in der Mobilität, das machbar scheint, wenn Wasserstoff die Energie liefert. Im Jahr 2008 gründeten sie GasPlas AS, ein britisch-norwegisches Unternehmen, und begannen zu untersuchen, wie man durch saubere Energiequellen den Kohlenstoffausstoß senken könnte. Motiviert durch Daimlers Entscheidung, Wasserstoffautos in Norwegen zu testen, machten sie sich daran, eine wirklich erneuerbare Möglichkeit auf Basis von Biogas zu entwickeln. Die Umwandlung von organischem Material aus Lebensmittelabfällen, Tierexkrementen und sogar Haushaltsabwasser in Biogas wurde erfolgreich durch Scandinavian Biogas (siehe Beispiel 51) weiterentwickelt. Somit ist reichlich CO2 und Methan verfügbar. Das Forschungsteam von GasPlas AS entwickelte einen neuartigen Reaktor, der Methan durch Kaltplasma in Wasserstoff und Kohlenstoff aufspaltet. Mit gewöhnlichen, billigen Mikrowellenteilen bauten sie einen Plasmareaktor und ließen sich die wichtigen Bauteile patentieren.

Die Innovation von GasPlas nutzt kurze elektromagnetische Wellen (zwischen Infrarot- und Radiowellen), um Methan ins Plasmastadium zu konvertieren. Die traditionelle Physik lehrt den Umgang mit den drei Zuständen fest, flüssig und gasförmig. Die Mikrowellen bringen Methan in den vierten Zustand, den Plasmazustand, in dem im ionisierten Gas für Bruchteile von Sekunden die Verbindung zwischen Wasserstoff- und Kohlenstoffteilchen unterbrochen wird und diese Elemente sich wieder zu festem Kohlenstoff und gasförmigem Wasserstoff verbinden. Da die Mikrowellen die Elektronen, nicht aber das Atom treffen, kann die Temperatur auf 200 bis 400 Grad gesenkt werden, daher das Konzept des Kaltplasmas, während heißes Plasma eine zehnmal höhere Temperatur benötigt. Dies macht den Prozess bei niedrigem Energieverbrauch und mit preisgünstigen Materialien möglich.

The First Cash Flow

Per Espen, inzwischen Leiter von GasPlas, wurde schnell bewusst, dass er eine Plattformtechnologie mit dem Potenzial besaß, das Geschäftsmodell zu verändern, nicht nur in der Wasserstoffproduktion, sondern auch in der Herstellung von Kohlenstoff, und dass dies noch viele weitere Gewerbe betreffen könnte. Da Methan aus Müllhalden und Tierhaltungsbetrieben 12 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verursacht, schlägt das Team von GasPlas vor, Kaltplasma zu nutzen, um diesen weit verbreiteten Kohlenwasserstoff in eine Energie mit negativer Kohlenstoffbilanz und Dünger aufzuspalten.

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Während Plasma bereits vorher zur Produktion von Wasserstoff genutzt wurde, haben Phil Risby und das Forschungsteam von GasPlas eine Methode gefunden, wie der neue Reaktor sowohl dauerhaft als auch auf Nachfrage (nicht nur chargenweise), unter Normaldruck (nicht nahezu im Vakuum) und in industriellen Maßstäben (nicht nur für kleine Mengen im High-End-Bereich) produzieren kann. Außerdem kann der Reaktor in größerem Maßstab gebaut werden und die Möglichkeit, Reaktoren zu bauen, die dauerhaft vor Ort produzieren, bietet neue Perspektiven für lokal wettbewerbsfähiges Gewerbe. Das erste Reaktorenmodell, das diesen Herbst ausgeliefert wird, kann täglich bis zu 100 kg Wasserstoff (H2) und 300 kg Kohlenstoff liefern.

The Opportunity

Wenn fünf Dieselbusse 20 Jahre lang mit aus Biogas hergestelltem Wasserstoff betrieben werden, dann würden sie nicht 5000 Tonnen CO2 ausstoßen, sondern 6100 Tonnen Treibhausgas binden. Somit steht die Wasserstoffenergie in einem völlig neuen Kontext. Der Betrieb einer kleinen Produktionseinheit in Verbindung mit einer stabilen Quelle für Biogas könnte jährlich 200 kg Wasserstoff und somit einen Gewinn von rund 650 000 Euro generieren. Der Kohlenstoff kann als Extragewinn von etwa 10 Prozent verkauft werden. Bei Speicherung in Baumaterialien oder in Böden könnten diese Busse tatsächlich kohlenstoffnegativ betrieben werden, d.h. gewinnbringend CO2 aus der Atmosphäre ziehen. Je mehr Busse und Autos mit Wasserstoff fahren, desto weniger CO2 bleibt in der Luft.

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Zwar sieht Per Espen viele Anwendungsmöglichkeiten über den Transport hinaus, etwa die Verarbeitung von Abfällen aus der Landwirtschaft sowie die Herstellung von essentiellen Chemikalien wie Methanol und Ethylen, doch seine Vision ist es, ein integriertes lokales System zu schaffen. Zur Überwindung des Engpasses in Produktion und Verbrauch sowie Verfügbarkeit von Wasserstoff, dessen Speicherung teuer ist, stellt er sich einen Speicher vor, der Wasserstoff als Brennstoffquelle auf Nachfrage liefert. Anstatt also zentral Wasserstoff zu produzieren und ihn dann weltweit zu verschiffen, könnte man jede Biogasanlage, sogar die kleinformatigen, zur Gewinnquelle machen, die höhere Einnahmen durch Abfallverwertung erwirtschaftet und dabei gewinnbringend CO2 bindet.

Einer der Vorzüge dieser Plattformtechnologie ist, dass der Ansatz für Wasserstoff ebenfalls zur Synthese von Stickstoff aus der Luft dienen und somit der Agroindustrie Stickstoff liefern kann. Der selbe Typ von Plasmareaktoren könnte weiterentwickelt werden, um flüssigen Treibstoff aus gasförmigen Rohstoffen herzustellen. Die bahnbrechende Anwendung der Kaltplasma-Technologie bietet eine Möglichkeit, Kosten in Gewinn umzuwandeln, eins der Kernkonzepte der Blue Economy. Dies senkt die mit den Abfällen verbundenen Kosten, die normalerweise durch Steuern gedeckt werden, und bieten somit eine Möglichkeit zur Abgabensenkung. Dies ist ein höchst vielversprechendes Geschäftsklima zur Motivation des Unternehmertums: Geschäftsmodelle, die in Krisenzeiten eine Steuersenkung ermöglichen.

Bilder: StockXCHNG

Achim Steiner, UNEP Executive Director

Achim Steiner, Exekutivdirektor des UNEP

Die hier enthaltenen Ideen zeigen die verlockendsten Perspektiven auf…
Achim Steiner, Exekutivdirektor des UNEP Achim Steiner, Exekutivdirektor des UNEP We Blue

Die hier enthaltenen Ideen zeigen die verlockendsten Perspektiven auf, die sich uns für die Gestaltung einer CO2-armen, ressourceneffizienten und in hohem Maße wettbewerbsfähigen Wirtschaft im 21. Jahrhundert bieten. Die Nachahmung der effizienten, Abfall vermeidenden Wirkungsweise natürlicher Ökosysteme birgt einige der besten Möglichkeiten zur Schaffung von Arbeitsplätzen.

The Blue Economy zeigt, dass es möglich ist, sich die Gesetze der Physik, Chemie und Biologie zunutze zu machen, erneuerbare Ressourcen einzusetzen und nachhaltig zu wirtschaften – ganz nach dem Vorbild natürlicher Ökosysteme. Wir befinden uns nicht mehr im Reich der Science Fiction: hier und jetzt findet diese Entwicklung statt.

Unsere Welt wurde von Nahrungs-, Brennstoff-, Umwelt-, Finanz- und Wirtschaftskrisen erschüttert. Die Zerstörung von Ökosystemen und der Verlust der Artenvielfalt haben zu der drohenden Klimakrise und einer sich abzeichnenden Ressourcenkrise geführt. Eine Blue Economy, die diese Herausforderungen systemisch lösen kann und und die zahlreichen Chancen, die sich bieten, ergreifen und umsetzen kann, ist in der heutigen Zeit von essenzieller Wichtigkeit.