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64. Wasser und Strom

Der Markt

Dem Magazin „Forbes“ zufolge haben die Umsätze in Produktion und Vertrieb von Trinkwasser inzwischen die Billionen-Dollar-Marke überschritten. Dies ist mehr als der Pharma-Sektor und beträgt 40 Prozent der Umsätze durch Ölfirmen. Durch Privatkapital werden bereits 5 Prozent der Wasserressourcen auf der Welt kontrolliert. Die größten drei kommen aus Frankreich (Véolia Environnement, Suez und Dégremont), gefolgt von der deutschen Gruppe RWE (Thames Water) und dem amerikanischen Konglomerat Bechtel (United Utilities). Véolia und Suez bedienen jeweils 200 Millionen Kunden in über 100 Ländern der Welt.

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Weltweit werden über 100 Milliarden Liter Trinkwasser abgefüllt und verkauft, davon 90 Prozent in nicht weiterverwertbaren Plastikbehältern. Coca Cola sagt voraus, dass das Wachstum von behandeltem Leitungswasser – das teurer gehandelt wird als Benzin – in einem Jahrzehnt seine Umsätze an Softdrinks übertreffen wird. Im Jahr 2009 stiegen die weltweiten Einzelverkäufe von abgefülltem Trinkwasser um 25 Prozent im Volumen und 27 Prozent im Wert an. Mindestens ein Viertel des abgefüllten Wassers ist Leitungswasser und meist ist das in teuren Plastikbehältern verpackte Wasser nicht sicherer als das aus dem Wasserhahn. In Russland entwickelte sich das Wasser-Geschäft aus dem Nichts zu einem Milliardengeschäft. Für das nächste Jahrzehnt erwarten die Russen ein Wachstum im zweistelligen Bereich, da der Konsum pro Kopf und Jahr nur bei 15 Litern liegt, gegenüber 40 Litern in Polen und 50 in der Tschechischen Republik. In Brasilien kostet eine Literflasche €0,50, in den Vereinigten Arabischen Emiraten €1,00 und in Französisch Polynesien €1,30.

Trotz der von den Vereinten Nationen verabschiedeten Millenniumsziele in der Entwicklung wird für 2050 erwartet, dass aufgrund der massiven Verstädterung 4 Milliarden Menschen ernsthaft an Wasserknappheit leiden werden. Momentan sind es 400 Millionen. Sogar in Europa gibt es 23 Millionen Bürger, die jedes Jahr mit Problemen in der Wasserversorgung zu kämpfen haben. Aus Mangel an sauberem Trinkwasser sterben pro Jahr 3,4 Millionen Menschen. Um diesen Trend umzukehren planen die Regierungen den Bau von Wasser-Pipelines ähnlich der Ölpipelines. Das wasserreiche Land Kanada zieht in Erwägung, von Manitoba bis Texas und British Columbia bis Kalifornien Leitungen zu legen, die bei Kosten von 20 Millionen Dollar pro Kilometer 5 Milliarden Kubikmeter Wasser pro Jahr durch jede Pipeline leiten. Diese Investments von 50 Milliarden Dollar wären immer noch billiger, als dieselbe Menge Wasser durch Entsalzung in Umkehrosmose zu gewinnen. Solche Mega-Projekte sind in technologischer oder finanzieller Hinsicht keine Herausforderung, sondern eher auf der Ebene politischer Entscheidungen, da möglicherweise Länder wie Kanada, Chile, Norwegen, die Türkei und die USA (Alaska) zur OPEC des Wassers werden.

Die Innovation

Die Nachfrage nach Wasser – der Grundbedingung für Leben – bietet Anreiz für große Ideen und strategische Entscheidungen. Wasserfirmen kaufen weite entlegene Landstriche und komplette Flusssysteme zur künftigen Entwicklung in Lateinamerika auf. Andere investieren in ein neues Geschäft mit Wassertankschiffen zur weltweiten Lieferung und sichern sich langfristige Verträge. Eine weitere Strategie der Wasser-Investments ist, Wasserrechte von Bauern für Zugänge zu Brunnen zu kaufen oder Verträge mit Städten und Gemeinden zur Wassergewinnung abzuschließen. General Electric hat sein weltweites Zentrum für Wasserforschung in Singapur aufgebaut, einem Stadtstaat, der ohne die Wasserver- und entsorgung von Malaysia nicht lange überleben könnte. GE setzt die Vorgaben für Energiekosten pro Kubikmeter Wasser auf 2,4 kWh durch Umkehrosmose. Um die oben genannten Megaprojekte im Wettbewerb zu überbieten, müssten die Energiekosten für Umkehrosmose unter eine kWh sinken. Ohne eine Kombination aus vielerlei Innovationen wie der Wirbeltechnologie (Beispiel 1) ist dies nicht zu erreichen. Doch alle in Betracht gezogenen Lösungen hängen stark von reichlich verfügbarer Energie ab, mit der es mit Sicherheit bald ein Ende hat. Leider sind große Anlagen zur Umkehrosmose nicht nur teuer: Pro jeweils zwei Liter produzierten Trinkwassers fällt ein Liter Lake an, ein salziger Schleim, der tote Räume im Meer schafft und daher als umweltschädlich gilt.

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Marc Parent hat als Techniker bei der Wartung von Klimaanlagen auf einer Hummerfarm auf den französischen Antillen gearbeitet. Die akute Knappheit an Trinkwasser und die unzuverlässigen Dienstleistungen der Regierung veranlassten ihn zu versuchen, Kondensationswasser aus den Klimaanlagen aufzufangen. Gleichzeitig musste er eine Lösung für die ständigen Stromausfälle finden. Seine Kenntnisse der Anwendung physikalischer Grundlagen mündeten in die Entwicklung einer Windturbine, die Strom produziert, um Luft einzusaugen, sie im Innern zu kühlen und Wasser zu kondensieren. Er dachte sich eine Anlage aus, die all dies einschließt. Er beschloss, in seine Heimat in den Französischen Alpen zurückzukehren und war überzeugt: Wenn die Anlage in der trockenen Höhenluft funktioniert, würde sie überall funktionieren. 2008 gründete er Eole Water (Frankreich), 2010 erhielt er Zuschüsse von der Gemeinde und bewies, dass er einen Kubikmeter Wasser pro Tag produzieren konnte. Seine nächste, 50 Meter hohe, Wassermühle wird imstande sein, pro Tag 5000 Liter Wasser aus der Luft zu ziehen. Marc erhielt zwei Patente und machte sich daran, sein neues Geschäft zu entwickeln.

Der erste Umsatz

Das erste Wassergewinnungssystem (Water Maker System, WMS), das gleichzeitig Wasser und Strom liefert, wurde 2011 an die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate verkauft. Der Wind produziert 30 kW und die Wasserkosten fallen erwartungsgemäß auf €0,05 pro Liter. Die Investitionskosten werden voraussichtlich in den ersten Jahren von €500 000 auf €300 000 fallen. Dieses System setzt höhere Eingangsinvestitionen für eine geringere tägliche Produktion an. Jedoch ist es unabhängig von externer Stromversorgung und der damit verbundenen Infrastruktur. Es ist vollständig autark. Das System WMS 1000 verursacht nur geringe Wartungskosten im Vergleich zu allen anderen Wassergewinnungsanlagen. Es stößt keine Treibhausgase aus und hat eine Betriebsdauer von 15 bis 30 Jahren. Die gesamte Anlage wird aus 100 Prozent recycelbaren Komponenten gebaut.

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Ein wichtiger Teil der Funktionalität ist, dass WMS ohne Regulierung mit der gewonnenen Energie arbeitet und so den Strom direkt zur Wassergewinnung und Einspeisung ins örtliche Netz bereitstellt. Als Innovator ging Marc Parent, inzwischen Mittvierziger, keine Risiken mit seinen Lieferern ein und suchte die besten verfügbaren Bauteile für seine Systeme aus, von Siemens für Elektrobauteile über Leroy Somer für Stromversorgungssysteme bis hin zu Arcelor Mittal für alle rostfreien Metallteile. Er wurde zum System-Integrierer und fügte die Teile zu einem funktionierenden Ganzen zusammen.

Die Chance

Eine Windturbine, die Wasser und Strom herstellt und für den Betrieb bei minimaler Wartung in entlegenen Gebieten entwickelt wird, setzt eine Serie von Entwicklungsmerkmalen wie selbstreinigende Systeme, Fernsteuerung und hohe Korrosionsfestigkeit in Küstengebieten voraus. Die gesamte Anlage mit Turm, Turbine, Wassergenerator und Stromversorgung passt in zwei 40-Fuß-Container und ist in wenigen Tagen vor Ort aufgebaut. Somit begrenzt sich das Marktpotenzial nicht auf Inseln und Wüsten, sondern kann auch schnell in Katastrophengebieten zum Einsatz kommen. Hauptvorteil ist nicht nur die Unabhängigkeit; ihre Vielseitigkeit schafft vielerlei Vorteile in der Befriedigung der Grundbedürfnisse mit lokal verfügbaren Ressourcen. Dies ist eins der Kernprinzipien der Blue Economy.

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WMS ist nicht dafür vorgesehen, schnell zum Mainstream zu werden, doch es zeigt, dass eine Mischung aus Know-how und der Fähigkeit, mehrere Aspekte der Grundversorgung gleichzeitig zu berücksichtigen, ein wettbewerbsfähiger Geschäftsansatz ist. Dies ebnet den Weg für weitere Unternehmensgründer, die sich anschließen, entweder als Lizenznehmer zum Marketing und Produktion, oder zum Betrieb dieser WMS als individuellen Profitquellen, da die Kosten pro Liter Wasser weit unter den Verkaufspreisen für abgefülltes Wasser liegen. Somit kann schadstofffreies Wasser gewährleistet werden, dass mit Geschmack oder Mineralien versetzt und vor Ort gewinnbringend vertrieben werden kann. Dies ist ein wichtiger Punkt, da unser Leitungswasser zunehmend Reste von Medikamenten enthält, die nicht einmal durch Umkehrosmose vollständig entfernt werden können. Die Technologie, die Marc Parent entwickelt hat, wird Teil eines grundlegenden Portfolios sein, das die Spielregeln des Markts verändert.

Bilder: StockXCHNG

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56. Saubere Luft

Der Markt

Der Weltmarkt für Filter und Filtriersysteme erreichte 2010 etwa 45 Milliarden US-Dollar. Das größte Marktsegment bilden die Filter in der Autoindustrie. Die dort eingesetzten Filter, die schwebende Festpartikel aus der Luft und dem Wasser entfernen, werden mit 25 Milliarden Dollar für das selbe Jahr bewertet. Das am schnellsten wachsende Segment sind Flüssig-Filtereinsätze mit 13,6 Milliarden Dollar. Unter anderem gibt es Märkte für flüssige Makrofilter (1,3 Milliarden Dollar), gewebebasierte Filter (2,3 Milliarden Dollar) und Querstrom-Membranen, die in der Umkehrosmose genutzt werden (1,9 Milliarden Dollar). Mit 14 Prozent wächst der chinesische Markt im Verbrauch von Filtern am schnellsten. Zwar ist China noch Nettoimporteur für Filtertechnik, doch dies wird sich erwartungsgemäß bald umkehren. Die gegenwärtigen Wachstumsraten auf dem Markt lassen darauf schließen, dass China ab 2015 der zweitgrößte Verbraucher von Filtern nach Japan wird.

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Im Jahr 2010 erreichte der eng umgrenzte Markt für Raumluftfilter 6,6 Milliarden Dollar. Es gibt eine breite Palette von Techniken zur Entfernung fester Partikel wie Staub, Pollen, Schimmel, Bakterien und sogar Fäkalien von Hausstaubmilben aus der Raumluft. Die Reinigung der Luft dient zur Vermeidung der Ausbreitung von Verschmutzungen in der Luft, die sonst zum „Sick-Building-Syndrom“ führen könnten. Die Raumluft wird dabei durch einfache physikalische und mechanische Barrieren, UV-Strahlen, Sterilisierung durch Ozon, Aktivkohle oder Elektrostatik verbessert. Der größte Teil dieser Systeme ist in Geschäfts- und Bürogebäuden installiert, dicht gefolgt von Industrieanlagen. Die Nachfrage nach hocheffizienten Filtern konzentriert sich auf den Elektroniksektor. Auch Hersteller von Solarzellen zeigen steigendes Interesse an Filtern. Der Markt für Wohngebäude ist noch klein; mit einer Wachstumsrate von 5,2 Prozent liegt er jedoch schon weit über der Rate des Weltwirtschaftswachstums. Das Interesse an gesunder Raumluft wächst vor allem in städtischen Ballungszentren mit hoher Luftverschmutzung und steigert so die Nachfrage.

Die Innovation

Der Einsatz von Filtern erzeugt einen Gegendruck. Da Filter entwickelt werden, die immer kleinere Partikel entfernen, fällt der Druck des Luftzugs immer weiter. Je effizienter der Filter, desto mehr Energie wird benötigt, um die Luftzirkulation aufrecht zu erhalten. Dies bedeutet wiederum, dass die energieeffizientesten Filtriersysteme die Luft am schlechtesten filtern. Daher konzentriert sich die Suche nach Innovationen auf Filtertechniken, die mehr Partikel bei weniger Energiezufuhr entfernen. Dies führt zu innovativen Ansätzen wie dem Einsatz von TiO2 (Titandioxid), Nanopartikeln und Ozon. Zwar kann der Ersatz von Mechanik durch chemische Prozesse die Verschmutzung der Luft herabsetzen, doch gleichzeitig entstehen gefährliche Nebenprodukte. Die Ersetzung von Physik durch Chemie ist ein innovativer Ansatz, der am besten vermieden werden sollte.

56. Saubere Luft 56. Saubere Luft Ideas

Professor Lars Thofelt hat beobachtet, dass schwebende Partikel in der Erdatmosphäre in den Regenwäldern zu Boden fallen. Er dachte darüber nach, wie Pflanzen, Erde und Wasser in einem Ökosystem zusammenwirken, in dem Feststoffe mit den Luftströmen durch Pflanzen getragen werden, an den Blättern hängen bleiben und schließlich mit dem Regen auf den Boden fallen, wo alles verrottet und wiederum den Boden erneuert. Er bemerkte, dass in Gebäuden meist eine warme und trockene Raumluft vorherrscht, und erdachte eine Methode zur Raumluftbefeuchtung. Dies vermindert die Reizung der Schleimhäute und reinigt gleichzeitig die Luft. Ebenso fiel ihm auf, dass kleine Partikel an größeren hängen bleiben. Diese werden gewöhnlich in den Luftfiltern gefangen, doch sobald die größeren Partikel austrocknen, fliegen die kleineren wieder frei umher. Das natürliche Filtrationssystem des menschlichen Körpers ist nicht imstande, sie abzuwehren.

Professor Thofelt entwickelte daher in den frühen 1990er-Jahren einen Miniatur-Regenwald mit bis zu 150 Pflanzen. Er fand heraus, wie ein gesunder Regenwald eine Balance aus Wachstum und Zerfall herstellt. Er arbeitete mit Anders Nyquist zusammen, dem Architekten, der den natürlichen Luftstrom durch einen tropischen Garten innerhalb eines Gebäudes entwickelte, in dem die meisten größeren Partikel vor der Austrocknung zusammen mit den kleineren gebunden werden. Der innovative Architekt, der bereits eine einzigartige Serie Öko-Gebäude entwickelt hat, erreicht diesen natürlichen Luftstrom durch ein Zusammenspiel von Licht und Luftdruck. Pflanzen waren zwar schon immer in Gebäuden beliebt, doch normalerweise wurden sie nur als Kostenfaktor angesehen. Sobald die Pflanzen jedoch als Filtersystem im Gebäude eingesetzt werden, bietet diese grüne Zone mehrerlei Nutzen und spart somit Kosten. Dies ist ein typisches Merkmal für die Blue Economy.

Der erste Umsatz

Prof. Thofelt gründete die Firma Levande Filter AB in Sundsvall (Schweden) und baute einige Testmodelle, um zu beweisen, dass ein Mikro-Regenwald nicht nur schön aussieht, sondern durch die Schaffung einer gesunden Raumatmosphäre zum Wohlbefinden beiträgt und auch das Risiko von Infektionen und Allergien mindert. Der Bedarf an Chemikalien wird ersetzt durch ein Zusammenspiel der Gesetze der Physik mit der vorhersagbaren Funktionalität von Ökosystemen. Eins der ersten Projekte war 1998 die Laggarberg-Schule in Timrå (Schweden), etwa 400 Kilometer nördlich von Stockholm. Ein zweites Beispiel ist der Midlanda-Flughafen (Sundsvall) mit einer Mischung von Pflanzen, Büschen und kleinen Bäumen unter dem Dach. Durch Nutzung der Tatsache, dass warme Luft immer aufsteigt und vernebeltes Wasser Staub bindet, ist die Luft dort sauber.

56. Saubere Luft 56. Saubere Luft Ideas

Die ersten experimentellen Projekte wurden ein voller Erfolg und bildeten den Nachweis, dass dieser Prozess nicht nur effektiv und schön anzusehen ist, sondern auch die Energiekosten beträchtlich senkt. Durch unabhängige Studien wurde belegt, dass der CO2-Gehalt mit einem Maximalwert von 735 ppm durch den Lebendfilter auf 300-350 ppm gesenkt wurde, was dem Mengenverhältnis in guter Außenluft entspricht. Die Pflanzen entzogen pro Stunde 9,42 Gramm CO2. Ein vielleicht noch besseres Resultat ist der Abbau von 7,5 µg Formaldehyd pro Stunde!

Die Chance

Die Erfolgsgeschichte stammt aus Nordeuropa, einer Region, in der die Luftqualität von Innenräumen sehr wichtig ist und Energieeinsparungen an oberster Stelle im alltäglichen Leben stehen. Das Team von Levande Filter AB fuhr daher fort mit der Entwicklung von standardisierten Zellen mit automatischer Bewässerung und voreingestellter Beleuchtung. Das Ford-Autohaus in Umeå beschloss, einige dieser Zellen in der Werkstatt zu installieren. So konnten Toluol und Kohlenwasserstoffe auf natürliche Weise gefiltert werden. Auf Grundlage dieser soliden Resultate expandierte die Firma in Finnland, den Niederlanden und Nordamerika.

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Die Präsenz von Pflanzen ist auf öffentlichen Flächen vielleicht normal, doch das Wachstum von Nestfarn, Weinstöcken, Elefantenfuß, Schefflera und sogar Pfeffersträuchern und Bananenstauden sind für jeden eine reichhaltige Lernerfahrung, vor allem, wenn diese Art von Filtern in Schulen installiert wird. Dort lernen die Kinder nicht nur aus nächster Nähe, wie ein Regenwald aufgebaut ist und warum er so wichtig für die Gesundheit ist, sondern sie erfahren auch mehr über die Artenvielfalt, als ihnen der Biologieunterricht je vermitteln könnte. Das Zusammenspiel von Licht, Feuchtigkeit, Wirtschaft, Innovationen, Ökosystemen und Gesundheit wird so zur Weltanschauung. So kann Blue Economy die Gesundheit in den Mittelpunkt stellen und dabei erschwinglich bleiben – und obendrein sieht es auch noch schön aus.

Bilder: StockXCHNG

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39. Wasser aus der Luft

Der Markt

Der Weltmarkt für die Trinkwasserproduktion wurde 2007 auf 400 Milliarden US-Dollar geschätzt und steigt erwartungsgemäß bis auf 533 Milliarden Dollar im Jahr 2013. Weiterhin wird vorhergesagt, dass der Weltmarkt für ultraviolette Desinfektion und Ozonisierung von Trinkwasser im gleichen Zeitraum um 4,6 auf 10 Milliarden US-Dollar steigen wird. Jedoch beschränken sich die Kosten für die Gesellschaft nicht auf die Produktion und Aufbereitung von Trinkwasser; es wird auch die Infrastruktur für die Wassersammlung und –verteilung benötigt. In den Vereinigten Staaten sind 700 000 Meilen (1,12 Millionen km) Wasserleitungen verlegt, die vierfache Länge aller nationaler Highways. Die Kosten für Ausweitung und Verbesserungen werden auf 250 Milliarden für das nächste Jahrzehnt geschätzt. Die USA sind nicht allein; die chinesische Regierung hat ein Budget von 128 Milliarden Dollar für die Wasserverteilung angekündigt, vor allem für städtische Gebiete.

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Der weltweite Verbrauch von Trinkwasser ist im letzten Jahrhundert um ein Sechsfaches gestiegen. Die Wasserproduktion konnte mit dieser Entwicklung kaum mithalten, was zur beunruhigenden Statistik geführt hat, dass 1,2 Milliarden Menschen auf der Welt keinen Zugang zu Trinkwasser haben und 2,4 Milliarden keine geeigneten sanitären Anlagen. Weiterhin ist die Wasserversorgung beeinträchtigt durch die Tatsache, dass Wasser und Boden zunehmend verschmutzt sind. Unsere Produktionssysteme, vor allem die der Landwirtschaft, verbrauchen große Mengen an Wasser. Für einen Hamburger sind 2400 Liter Wasser nötig (ein Kilo Rindfleisch benötigt 15 Kubikmeter Wasser), ein Paar Schuhe verbraucht 8000 Liter Wasser und ein T-Shirt aus Baumwolle „schluckt“ 4000 Liter Wasser.

Zwar sind 70 Prozent der Erde mit Wasser bedeckt, doch nur 2,5% hiervon sind Süßwasser, hauptsächlich allerdings in Gletschern und Polkappen. Eine der am wenigsten genutzten Ressourcen sind die 12 900 Kubikkilometer Wasser, die als Dampf in der Atmosphäre schweben. Ein Kubikkilometer Wolken kann bis zu 3000 Kubikmeter Wasser enthalten. Diese weit verbreitete Wasserquelle, die über 70 Prozent der Landmasse verfügbar ist, stellt eine der einzigartigen Möglichkeiten dar, mit dem rasant wachsenden Bedarf Schritt zu halten.

Die Innovation

Der Kreislauf von Verdunstung, Kondensation und Niederschlag ist als Wasserkreislauf bekannt. Dieses natürliche System ist hinreichend beschrieben und erforscht worden. Mehrere Erfinder haben sich darauf konzentriert, über die Kontrolle des Taupunktes Dampf einzufangen. Gegenwärtig nutzen Wasser-aus-Luft-Apparaturen Kühltechniken, um Dampf aus der Luft zu kondensieren. Dieses System funktioniert bei normalen Außentemperaturen zwischen 21 und 32 Grad und einer Luftfeuchtigkeit zwischen 40 und 100 Prozent. Die Technologie wurde von den Atmospheric Water Technologies (USA) für die Katgara-Gruppe in Indien lizenziert, die weltweit das erste System aufgebaut haben, das eine durchgängige Versorgung mit Trinkwasser für 350 Dorfbewohner in Jalimundi, einer kleinen Siedlung nahe Rajahmundry (im Osten von Godavari) sichert. Die größte Herausforderung liegt jedoch in den Energiekosten für die Kühlung. Die meisten Orte ohne Wasserversorgung haben auch keinen Strom, und der große Bedarf an Strom macht dieses System für die Speisung mit Solarenergie ungeeignet.

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Curt Hallberg, der Marinesoldat, der später Wasseringenieur wurde und die WATRECO in Malmö (Schweden) gegründet hat, erkannte zusammen mit seinen Kollegen, dass eine der Hauptanwendungen der Wirbeltechnologie (Siehe Beispiel 1) die Produktion sauberen Wassers ist. Während er bereits an Filtersystemen arbeitete, die Verunreinigungen aus dem Wasser lösen und anschließend durch eine Düse absaugen und sauberes Wasser liefern, war er sich schon bewusst, dass die Herausforderung nicht nur in der Reinigung, sondern vor allem in der Produktion von Wasser liegt. Wasser-aus-Luft-Systeme hängen von der Temperatursenkung als Mittel der Taupunktkontrolle ab. Er sah eine Möglichkeit, das andere physikalische Schlüsselprinzip zu nutzen: die Erhöhung des Drucks. Wenn Luft in ein Rohr eingesaugt wird und einen Wirbel bildet, steigt der Druck. Durch die Wirbelbewegung wird Wasser aus der Luft „gedrückt“. Um feuchte Luft in den Verwirbler einzusaugen, benötigt man nur einen Bruchteil der Energie, die die Kühlaggregate verbrauchen.

Erster Umsatz

Curt hat bereits erfolgreich bewiesen, dass er kraft der Wirbelbewegung Luft aus Wasser entfernen sowie Luft in Wasser bis hin zur kritischen Sättigung hineindrücken kann. Seine Erkenntnisse haben bereits eine Palette von einem Dutzend möglicher Anwendungen geschaffen, von denen drei bereits vermarktet werden. Dies sind Eisherstellung, Entzunderung und Verbesserung von Bewässerung. Nun nutzt er die selbe Logik, doch anstatt den Luftgehalt des Wassers zu ändern, ändert er den Wassergehalt der Luft. Im Großen und Ganzen werden die selben Prinzipien genutzt und anstatt Wasser mit hohem Energieaufwand zu gewinnen, benötigt er sehr wenig Energie für die Wasserproduktion. Es wird geschätzt, dass der Motor eines Staubsaugers ausreicht, die Wassergewinnungsanlage anzutreiben, und dieser mit einigen kleinen Solarzellen ausgestattet werden kann. Dies wäre bei Kühlungssystemen nicht möglich.

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Die Chance

Die Logik, die Curt angewendet hat, unterscheidet sich kaum von den bahnbrechenden Ideen, die James Dyson umgesetzt hat, als er die Leistung von Staubsaugern erhöht hat. Dyson erreichte eine um 45 Prozent verbesserte Saugkraft, indem er kleinere Wirbelkammern und Rohre mit kleinerem Durchmesser eingesetzt hat, die somit größere Zentrifugalkräfte entwickeln. Der Verteilventilator erhöht den Luftzug um ein 16-faches. Die Kombination bereits bestehender Technologien aus Schweden und dem Vereinigten Königreich bringen eine kostengünstige und dauerhafte Lösung für die Wasserproduktion aus der Luft hervor, und dies beim Einsatz eines Bruchteils der Energie, die für den Marktstandard nötig gewesen wäre.

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Diese Innovation könnte eine weit verteilte Wasserproduktion in ähnlicher Weise wie die dezentrale Energiegewinnung ermöglichen. Da zudem Wasserknappheit und eine unzureichende Stromversorgung fast immer gleichzeitig vorliegen, könnte die Lösung eines Problems zur Lösung des anderen führen: Lösungen, die aufeinander aufbauen und gebündelt werden können zu Innovationen, die lokal vorhandene Ressourcen nutzen. Luftfeuchtigkeit als Trinkwasserquelle wurde bisher als lokale Ressource nicht in Betracht gezogen. Daher kann diese Technologie als Beispiel für die Blue Economy gelten.

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