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87 Plastik aus Umweltverschmutzung

Dieser Artikel stellt einen neuen Ansatz für CO2 vor, eine von 100 Innovationen im Rahmen von „The Blue Economy”. Dies ist Teil einer breit angelegten Bewegung für mehr Unternehmertum, Wettbewerb und Arbeitsplätze.

 

Der Markt

Der Kohlenstoffmarkt wird weltweit mit 98 Milliarden Euro für 2011 beziffert, das bedeutet eine Steigerung um vier Prozentpunkte gegenüber 2010. Der EU-Emissionshandel (ETS), der weltgrößte Kohlenstoffmarkt, liegt bei 76 Milliarden Euro. Das gesamte Handelsvolumen an Emissionsberechtigungen (EUA) hat letztes Jahr 6 Milliarden Tonnen erreicht, eine 17-prozentige Steigerung gegenüber 2010. Dabei fielen die Preise auf 6,3 Euro pro Tonne und damit auf die Hälfte des Vorjahrs. Die von der UN ausgegebenen Emissionsreduktionsgutschriften (CER) wurden für letztes Jahr mit 17,8 Milliarden Euro beziffert, 2 Prozent weniger als 12 Monate zuvor. Auch der nordamerikanische Markt fiel von 367 auf 221 Milliarden Euro für 2011.

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Zwar hat Kohlenstoff seinen Preis angesichts des Klimawandels, doch es gibt auch einen Markt für gereinigtes Kohlendioxid (CO2). Der CO2-Markt für die Nutzung in Krankenhäusern erreicht 2017 voraussichtlich einen Wert von 292 Millionen Dollar. Der größte industrielle Verbraucher von CO2 ist die Getränkeindustrie. Das CO2 macht die Getränke saurer, geschmacklich ansprechender und das Kohlenstoffgas dient gleichzeitig der Konservierung. Da die Getränke bei tiefen Temperaturen mehr CO2 binden können als bei höheren, empfehlen die Hersteller, dass ihre Produkte so kalt wie möglich serviert werden sollen, um dem Kunden mehr Geschmack bieten zu können. Eine Firma wie Pepsi hat eine Milliarde Kästen kohlensäurehaltige Cola verkauft und damit schätzungsweise 160 000 Tonnen reines CO2 verbraucht. Weltweit werden weit über eine Million Tonnen CO2 in Getränke gepumpt, die später nach und nach wieder in die Umwelt gelangen. Die Kosten für verflüssigtes reines CO2 erreichen im Fabrikverkauf bis zu 2 Euro pro Kilo.

Die ersten Versuche, den hohen Ausstoß von Emissionen aus der Energieerzeugung und Industrie durch fossile Brennstoffe an diese industriellen Bedürfnisse zu koppeln, wurden von allen Beteiligten mit Begeisterung aufgenommen, bis Probleme in der Qualitätskontrolle die Industrie zwangen, sich wieder zurückzuziehen aus der Wiederverwertung niedrig konzentrierten CO2 aus der Energieerzeugung, industriellen und landwirtschaftlichen Prozessen wie der Gewinnung von Magnesium aus Dolomit oder der Kalkverbrennung zur Herstellung von Zement. Die Aufgabe dieser Möglichkeit der Kanalisierung von einer Million Tonnen CO2 aus der Umwelt in die Industrie öffnete wiederum neue Wachstumsmöglichkeiten für traditionelle Gasfirmen wie Air Liquide, den größten Lieferer auf dem Sektor mit fast 5 Milliarden Euro an Umsätzen.

Die Innovation

Die Nutzung von CO2 als Nebenprodukt industrieller und landwirtschaftlicher Prozesse erfordert neue Erkenntnisse, da die Entdeckung verseuchten Kohlenstoffs in Coca Cola aus Belgien großes Aufsehen hinsichtlich der Qualitätskontrolle der großen Hersteller erregte. Zwar gibt es viele Firmen, die in der Lage sind, die Konzentration und Aufreinigung von lebensmitteltauglichem CO2 zu übernehmen, doch das Lieferkettenmanagement der multinationalen Konzerne zieht es vor, das Gas aus der Wasserstoff- oder Ammoniakproduktion aus Erdgas oder Kohle, mittlerweile auch aus der Fermentation von Zuckerrohr für Ethanol zu gewinnen. Bei der Ethanolherstellung aus Mais werden ebenfalls große Mengen CO2 freigesetzt und zunehmend industriell weiterverwertet, doch leider steht dies im Konflikt mit der Nahrungsmittelproduktion. Daher kann diese Produktionsform nicht als nachhaltig bezeichnet werden, auch wenn die Rohstoffe biologischen Ursprungs sind.

Geoffrey Coates wurde in Evansville, Indiana geboren. Seinen Abschluss in Chemie erlangte er am Wabash College (Indiana) und 1994 schloss er das Studium der anorganischen Chemie an der Stanford University in Kalifornien ab. Seit 1997 ist Geoff Mitglied der Cornell University Faculty. Als Leiter des Bereichs der Synthese von Polymeren mit Schwerpunkt auf katalytischen Umwandlungen machte er akademische Karriere. Er beobachtete, das der für etwa 30 000 chemische Verbindungen genutzte Kohlenstoff weltweit von etwa 300 chemischen Zwischenprodukten herrührte. Letztlich kamen all diese Zwischenmoleküle aus fossilen Brennstoffen. Geoff war interessiert daran, neue Wege zu finden, wie erneuerbare biologische Ressourcen in Polymere umgewandelt werden könnten. Er fand heraus, dass der Schlüssel zum Erfolg nicht in der Verfügbarkeit der Rohstoffe bestand, sondern eher in der Erkennung von Katalysatoren, die die erforderliche Reaktivität zur Polymerisierung von CO2 erbrachten.

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Kohlendioxid ist ein ideales Ausgangsmaterial; es ist reichlich vorhanden, billig, wenig giftig und nicht brennbar. Geoff beobachtete, dass die Natur CO2 zur Produktion von jährlich über 200 Milliarden Tonnen Glukose durch Photosynthese nutzt, doch bis vor kurzem hatten die Chemiker wenig Erfolg bei der Entwicklung eines Prozesses, der diesen attraktiven Rohstoff ausnutzt. Geoff und sein Team entwickelten Katalysatoren auf Zink- und Kobaltbasis, die CO2 unter milden Bedingungen in einen Ausgangsstoff für chemische Produkte umwandeln. Es bleibt noch die Herausforderung, sowohl die zink- als auch die kobaltbasierten Katalysatoren zurückzugewinnen, um einen echten Kreislauf zu schaffen, der unseren bereits exzessiven Bedarf nach Bergbau nicht noch weiter in die Höhe treibt.

Geoff baute ein starkes Forschungsteam an der University of Cornell auf. Doch die Bandbreite und Tiefe dieser Katalysatoren sowie die Notwendigkeit, diesen innovativen Ansatz für Polymere aus Treibhausgasen marktfähig zu machen, erforderte besondere Aufmerksamkeit. Er gründete daher Novomer (Neue Polymere) auf Grundlage einer exklusiven Lizenz auf die Patente für Katalysatoren aus Cornell und brachte Investitionen in Höhe von 6,6 Millionen US-Dollar auf, unter anderem von der holländischen Chemiegruppe DSM. Dies war ein idealer Partner auf der Suche nach Innovationen, da dessen Management beschlossen hatte, bis 2015 50 Prozent seiner Gesamtverkäufe aus Ökoprodukten zu erzielen. Physics Ventures, die Tochterstiftung von Unilever, brachte ein ebenso großes Investitionsvolumen auf.

Der erste Umsatz

Das Team von Novomer hat erfolgreich die Katalysationstechnologie von der Labor- auf die Vorführungsebene geführt und entwickelt nun Methoden zur Produktion von Chargen sowie kontinuierlicher Massenproduktion. Das Portfolio an Geschäftschancen ist so breit, dass die Produktentwickler die CO2-basierten Polymere in einer großen Bandbreite von Anwendungen testen, darunter Thermoplastik, Bindemittel, Elektronik, Überzüge, Netzmittel und Schäume.

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Die Möglichkeit, Flaschen aus Blasformen zu ersetzen, weckte nicht nur die Aufmerksamkeit von DSM, sondern auch von Unilever, einem der weltgrößten Verbraucher von Plastik. Die von Unilever durchgeführten Tests sowie dessen erklärtes Interesse an dieser neuen Weise, Umweltverschmutzung in Plastik umzuwandeln, konnte Novomer nutzen, um von der Energiebehörde der USA eine Förderung in Höhe von 18,4 Millionen US-Dollar zu erhalten, um die Markteinführung weiter voranzutreiben. Die Testproduktion von extrudiertem Dünnfilm bot weitere Motivation, um auch Verpackungen aus Umweltverschmutzung herzustellen. Geoff und sein Team bekamen bereits den nötigen finanziellen Spielraum, um die Produkte und Produktionsprozesse weiterzuentwickeln.

Die Chance

Unilever sieht große Vorteile in der Produktion von kostengünstiger Verpackung ohne Subventionen, Kohlenstoffsteuern oder Strafabgaben, nicht weil die Firma dagegen wäre, sondern weil die Zukunft dieser politischen Entscheidungen unsicher ist und ein Unternehmen daher nicht auf Innovationen als strategischer Option bauen kann, solange deren endgültiges Schicksal durch Politik und internationale Abkommen bestimmt wird.

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Novomer besitzt eine Plattformtechnologie, die über Verpackungen hinaus geht. Sie könnte Hunderte von Produkten von Windeln bis hin zu Wandfarben betreffen. Jetzt sehen wir die Chancen, Technologiecluster durch diese innovative Plattform auf der Basis neuer Erkenntnisse über Katalysatoren zu bilden. Wettbewerb auf dem Markt ohne Subventionen, Umwandlung von Abfällen in Ressourcen und vielleicht sogar Zahlungseingänge durch CO2-Abbau sind typische Merkmale, die den Ansatz der Blue Economy untermauern.

Bilder: Stock.XCHNG

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52. Abfälle

Der Markt

Gegenwärtig fallen jährlich über 10 Milliarden Tonnen feste Abfallstoffe in Städten überall auf der Welt an. Nicht einmal die Hälfte davon wird gesammelt und ordnungsgemäß entsorgt. Die Erträge für die Verwertung fester Abfallstoffe in Städten werden zurzeit auf weltweit über 300 Milliarden US-Dollar geschätzt und steigen weiter steil an. Die EU produzierte 2010 eine Gesamtmenge von 3 Milliarden Tonnen Festmüll, das sind 6 Tonnen pro Person und Jahr. Trotz aller Kampagnen zur Abfallreduktion, Weiterverwertung und Recycling wird erwartet, dass die Gesamtmenge um weitere 45 Prozent auf 4,4 Milliarden Tonnen bis 2020 steigen wird. Die globale Verteilung zeigt, dass Nordamerika mit kaum 5 Prozent der Weltbevölkerung 30 Prozent allen Mülls produziert, während Afrika am anderen Ende der Extreme mit 13 Prozent der Weltbevölkerung nur für 3 Prozent Festmüll verantwortlich sind. Doch auch diese wenigen Prozente bilden ein großes Risiko für die Gesundheit von Millionen sowie die Umwelt.

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Der deutsche Markt der Feststoffverwertung hat 2010 35 Milliarden Euro Umsätze gemacht. Remondis, der Marktführer im Land mit 20 000 Mitarbeitern und 5,4 Milliarden Euro an Verkäufen im letzten Jahr, hat über die Zeit 400 örtliche Abfallentsorgungsfirmen aufgekauft. Neben den 10 größten Konzernen bleiben noch 5000 kleine Betriebe in Deutschland. Waste Management Inc. ist die größte Firma weltweit mit 13,1 Milliarden Dollar Umsätzen und über 50 000 Angestellten. Abtransport und Verklappung auf Müllhalden nehmen weltweit deutlich ab. Die Anzahl von Deponien in den Vereinigten Staaten sank von 8000 für 1988 auf gegenwärtig etwa 1500. Der Trend zur Verbrennung wird angeführt von Japan, das 1800 der weltweit 2500 Anlagen betreibt; 290 neue Anlagen außerhalb von Japan sind noch in Planung. Das Geschäft der Energiegewinnung aus Abfällen wächst von einem kleinen Anfangswert von 3,7 Milliarden Euro 2010 auf voraussichtlich 13,6 Milliarden Euro bis 2016. In China sind mehr Anlagen dieser Art in Bau als anderswo auf der Welt.

Es scheint, dass die einzige Möglichkeit der Verwertung die Verbrennung ist, die in 93,2 Prozent der Fälle praktiziert wird, während auf die biologische Verarbeitung (siehe Beispiel 51) lediglich 6,8 Prozent entfallen. Die Kompostierung ist sehr populär im kleinen Maßstab und wird von Millionen städischen Haushalten praktiziert, hat jedoch kaum Einfluss auf den Gesamtmarkt, obwohl sie umgerechnet auf die Tonne die billigste Möglichkeit darstellt. Die Verbrennung ist mit durchschnittlich 125 Dollar pro Tonne die teuerste Option, überdies müssen die Betreiber die giftige Asche weiter auf die Mülldeponie bringen. Obwohl die Zusammensetzung der Abfälle von Stadt zu Stadt verschieden ist, zeigen Fallbeispiele, dass 95 Prozent der Abfälle auf irgendeine Weise recycelbar sind und mehr Arbeitsplätze und Einkommen schaffen könnten als die Müllverbrennung jemals dazu imstande wäre.

Die Innovation

Eine der Haupt-Herausforderungen des Sektors ist, dass viele verschiedene Anbieter Einzellösungen parat halten. Der Markt hat sich in Richtung spezialisierter Ingenieurdienstleistungen entwickelt, die fast nie das gesamte Spektrum von Kompostierung, Recycling, Verbrennung, biologischer Verwertung und/oder Vergasungstechnik anbieten. Daher stehen die einzelnen Optionen dieses breiten Portfolio im Wettbewerb zueinander und ringen um jeden Auftrag, obwohl sie sich eigentlich gegenseitig ergänzen sollten und das Hauptaugenmerk auf der Rückgewinnung der Ressourcen liegen sollte. Die größte Schwierigkeit besteht jedoch darin, dass Festmüll Kosten verursacht, und obwohl die Stadtschürfung als Geschäft der Zukunft diskutiert wird, ist sie momentan nicht rentabel. Das vorherrschende Geschäftsmodell besteht darin, für den Handel mit Abfällen bezahlt zu werden, normalerweise mit langfristigen Verträgen, die über Steuereinnahmen finanziert werden. Da die Eintrittsschwellen enorm hoch sind und das hierfür benötigte Kapital für die meisten nicht aufzubringen ist, bleibt wenig Raum für das Unternehmertum.

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In seinem ersten Studienjahr an der Princeton University fand Tom Szaky heraus, dass die Ausscheidungen von Würmern bester Dünger sind. Er konnte nicht fassen, dass der Müll aus der Mensa einfach auf der Deponie landete, und beschloss, damit Würmer zu füttern und das Endprodukt in gebrauchten Plastikbehältern zu sammeln. So glaubte er, den umweltfreundlichsten Dünger aller Zeiten hergestellt zu haben und konnte ihn auch noch zu niedrigeren Preisen als alle Konkurrenten verkaufen. Später initiierte er ein landesweites Sammlungsprogramm für verbrauchte Verpackungen und Behältnisse. Er dachte sich ein Geschäftsmodell aus, in dem Schulen und gemeinnützige Organisationen dafür bezahlt werden, alle Arten von Abfall zu sammeln. Die Menschen regte er an, aus den einzelnen Abfallsorten als Rohstoff hochwertige Produkte wie Rucksäcke oder Flugdrachen zu entwerfen, entwickeln und zu produzieren. Dies nannte er nicht „Recycling“, sondern „Upcycling“ – dies ist auch der Titel des Buchs, das der Gründer der Blue Economy 1999 in Deutschland veröffentlicht hat. Tom gründete TerraCycle in New Jersey, USA, ein boomendes Unternehmen, das für eine neue Art der Müllverwertung steht. Sein Modell bewirkt, dass Abfälle gar nicht erst im Mülleimer landen.

Toms Geschäftsmodell geht über bloßes Recycling und hochwertige Produkte aus Abfällen hinaus: Seine Abfälle tragen eine Marke. Bis jetzt beabsichtigten Firmen, dass ihr Name nicht auf Abfällen auftauchte, sie mischten sie mit anderen Abfällen oder verbrannten sie, denn auf Asche ist kein Logo mehr sichtbar. Tom entwickelte Produkte, die dem Verbraucher erzählen, wer das Ausgangsmaterial dafür stellte. Die Saftpäckchen von „Capri Sun“ werden zu weiten, offenen Einkaufstragetaschen, leere Chipstüten von Frito Lay zu Mülleimern und Kühltaschen. Koolaid in Kanada sowie Tang in Mexiko und Brasilien haben das Konzept der Abfallvermarktung übernommen. Zwanzig Prozent des Müllaufwertungsprogramms von TerraCycle tragen eine Marke. Dies ist eine der Innovationen im Sinne der Blue Economy, da sie Mehrwert und Jobs schafft und dabei die Gewinne teilt, indem sie Sozialkapital aufbaut.

Der erste Umsatz

TerraCycle ist inzwischen an über 45 000 Schulen, Firmen, Bürgervereinen und Sporthallen in Amerika aktiv, die sich auf TerraCycle’s Webseite registrieren und diverse Abfälle wie Getränkepäckchen und Kekspackungen, Zahnbürsten und Stifte sammeln. Die Schulen und wohltätigen Einrichtungen werden für die Einsendung der Abfälle bezahlt und die Portokosten übernommen. Während die Mülldeponien entlastet werden, stellt TerraCycle Produkte und Materialien her, die solche aus neuen Materialien ersetzen. Walmart (USA) bewarb die aufgewerteten Produkte von TerraCycle mit Lizenzen. Während der Feierlichkeiten zum Earth Day 2010 verkauften 4300 WalMart-Filialen die Produkte von TerraCycle zusammen mit ihren Originalen, so zum Beispiel Tragetaschen aus Frito-Lay-Tüten zusammen mit Frito-Lay-Chips. Rucksäcke aus Capri-Sun-Tüten stehen neben den Saftpaketen. Portmonees und Handtaschen aus M&M- oder Skittles-Verpackungen gibt es gleich neben den Mars-Riegeln.

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Die Firmen selbst haben alle nichts dagegen, dass ihre Abfälle zu Markenprodukten werden, im Gegenteil: Diese Produkte fördern die Kundenbindung und die Wiederholungskäufe. Nur ein Jahrzehnt nachdem er sein Geschäftsmodell an der Pinceton University vorgeschlagen hat, erzielte TerraCycle 2010 bereits etwa 13,5 Millionen Dollar Umsätze im Jahr mit nur 50 Angestellten und erwartet für dieses Jahr ein weiteres Wachstum bis auf 18 Millionen Dollar. Das beweist, dass die Genialität hier im Geschäftsmodell selbst liegt und nicht in der Technologie, denn alle benötigten Technologien sind ja bereits vorhanden und verfügbar. TerraCycle’s positiver Umwelteinfluss wurde bereits von unabhängigen Life Cycle-Analysen bestätigt.

Die Chance

Tom Szaky hat ein einfaches Ziel: nicht recycelbare Abfälle zu recyceln. Sein Betrieb ist inzwischen auf zwölf Länder expandiert, doch dieses Geschäftsmodell kann überall auf der Welt funktionieren, wo Markenhersteller bereit sind, die Kosten für nicht recycelbare Abfälle zum Teil mit zu übernehmen. In den Abfällen steckt nicht nur Geld, sondern auch riesige Geschäftschancen.

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Schon viele Menschen zuvor haben Abfälle aufgewertet, beispielsweise wurde in Brasilien Mode aus Abfällen entworfen, ebenso wurden Abfälle in Curitiba (auch in Brasilien) gesammelt und gegen Fahrscheine für öffentliche Verkehrsmittel getauscht und in Afrika Kunst aus Müll kreiert. Szakys Modell motiviert junge Menschen in einer Graswurzelbewegung. Es finanziert Schulprojekte und weckt das Bewusstsein der Bürger: Sie dürfen Schulen oder gemeinnützige Einrichtungen auswählen, die 2 Cent pro Verpackung erhalten. Dieses Netzwerk von Institutionen und Menschen nutzt Abfälle, um auf dessen Wert und die eigene Verantwortung aufmerksam zu machen, es schafft Begeisterung und macht alle Beteiligten bewusster und glücklicher.

Bilder: StockXCHNG

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21. Die Bioraffinerie

Der Markt

Die weltweite Nachfrage nach Biodiesel wird erwartungsgemäß im Jahr 2015 über zehn Milliarden Gallonen betragen. Momentan haben 30 Länder Zielvorgaben für Biodiesel formuliert und mischen Biodiesel mit herkömmlichem Treibstoff. Europa nähert sich einer Mischung von 7 Prozent an, während Brasilien und Indonesien 10 Prozent anstreben. Die Entwicklungsländer stellen 50 Prozent der weltweiten Nachfrage für Biotreibstoff her. Ihr Engagement auf dem erneuerbaren Sektor wird untermauert durch die Tatsache, dass bereits jetzt 17 Prozent der weltweiten Nachfrage nach Biodiesel aus südlichen Ländern kommen. Die EU ist der größte Verbraucher von Biodiesel mit 44 Prozent der Nachfrage, dicht gefolgt von der Asien-Pazifik-Region mit 39 Prozent und weit vor den Vereinigten Staaten.

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Europas landwirtschaftliche Nutzfläche gliedert sich in 164 Millionen Hektar kultiviertes Land und 76 Millionen Hektar Weideland. Landwirtschaftliche Abfälle aus Lebensmittel- und Futterpflanzen stellen eine wichtige Quelle für die Produktion von Biotreibstoff. Das multilaterale Forschungsinstitut IIASA in Wien hat geschätzt, dass bis zu 246 Megatonnen Biomasse für die Biotreibstoff- und –kunststoffproduktion aus Ernteabfällen hergestellt werden könnten, die 50 Prozent der gesamten Ernte ausmachen. Dabei gäbe es kein Risiko des Verlusts von Nährstoffen oder der Bodenqualität. Diese Nutzbarmachung von landwirtschaftlichen Abfällen verringert den Bedarf an Landfläche, die einzig zum Anbau von Pflanzen zur Herstellung von Biotreibstoff dient, um 15-20 Millionen Hektar.

Die Innovation

Die Nachfrage nach Treibstoff (oder Kunststoff) aus Biomasse konkurriert mit Nahrungsmitteln. Experten der Cornell University haben berechnet, dass der Betrieb eines amerikanischen Durchschnittsautos über ein Jahr mit Biodiesel oder Ethanol 11 Acres Anbaufläche benötigt, die sonst sieben Menschen ernähren könnten. Doch dies ist nur ein Teil des Problems: Für die Produktion von Ethanol aus angebauten Pflanzen wird mehr Energie benötigt, als die Verbrennung des Ethanols wiederum freisetzt. Hauptproblem ist, dass 8 Prozent Ethanol mit einem Reinheitsgrad von 99,8% von 92 Prozent Wasser getrennt werden müssen. Wenn hinzugerechnet wird, dass Mais die Erde zwölfmal schneller auslaugt, als sie sich regenerieren kann und die Bewässerung von Mais das Grundwasser 25 Mal schneller verbraucht als der natürliche Rückfluss, dann kann dies nicht mehr nachhaltig genannt werden. Wenn alle Autos der Vereinigten Staaten mit 100-prozentigem Ethanol führen, bräuchte man 97 Prozent der gesamten Landfläche der USA zum Maisanbau. So ist schwer erklärbar, warum Treibstoff und Plastik aus Mais als nachhaltige Alternative zu fossilen Brennstoffen gelten.

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Prof. Dr. Carl-Göran Hedén, kürzlich verstorbenes Mitglied der königlich-schwedischen Akademie der Wissenschaften und jahrelanger Direktor der Abteilung für Mikrobiologie am Karolinska Institute, hat das Konzept der Bioraffinerie in den frühen 1960er-Jahren eingeführt, um einen Ausweg aus der Zwickmühle zwischen Nahrungsmitteln und Treibstoff aufzuzeigen. Er stellte das Konzept der Verarbeitung der Biomasse mit den selben logischen Prinzipien der Aufspaltung von Rohöl in 100 000 verschiedene Moleküle vor, bei der Energie freigesetzt wird. Während zahlreiche Forschungsinstitute wie das Staatliche Labor für Erneuerbare Energie und die Universität von Wageningen das Konzept weiterführten, war es Prof. Dr. Alberto Vieira Costa von der Landesuniversität Rio Grande (FURG) in Brasilien, der das Konzept praktisch umsetzte, jedoch nicht mit Pflanzen, sondern mit Algen.

Prof. Jorge Costa begann in den 1990er-Jahren seine Forschungen an Süßwasseralgen, die in der basischen Lagoa Mangueira im Süden Brasiliens leben, im Rahmen einer Arbeit zur Bekämpfung der Mangelernährung in dieser Region. Seine Einsichten zur Produktionsvermehrung trugen zur Erweiterung des Programms von der Nahrungssicherung zur Abschwächung des Klimawandels bei. Die Algenproduktion hatte Erfolg und das bessere Verständnis des Bedarfs an CO2 als Nährstoff für Algen wurde zu einer neuen Möglichkeit, indem die überschüssigen Emissionen aus dem örtlichen Kohlekraftwerk genutzt wurden, um ein Rückhaltebecken zu einer Algenproduktionseinheit umzufunktionieren. Eine detaillierte Studie der Produktionskapazität ergab, dass eine Überproduktion an Algen über den menschlichen Konsum hinaus den Weg ebnete zur Extraktion der Lipide aus der Alge für die Gewinnung von Biotreibstoff. Dr. Michele Greque, ein Kollege Costas, integrierte die Bioraffinerie auf der nächsten Ebene und fand heraus, dass Ester (und Polyester) aus den Resten gewonnen werden konnten, ein solides Beispiel für eine Bioraffinerie, die Nahrungsmittel, Treibstoff und Kunststoffe aus CO2 gewinnt.

Erster Umsatz

Das brasilianische Team hat 2008 erfolgreich seine erste Produktionseinheit in Porto Alegre, Brasilien, in Betrieb genommen. Während das Projekt in seiner Startphase ist, hat die technische und finanzielle Machbarkeit der Konvertierung von Treibhausgas in Ausgangsmaterie für drei Grundbedürfnisse die nötigen Geldmittel generiert, um den Prozess zu perfektionieren, der die Debatte um Biotreibstoff aus Algen auf einen vielversprechenden Weg führt.

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Parallel hierzu hat der italienische Konzern Novamont, der größte Hersteller von Bioplastik in Europa sich von einem innovativen Kunststofffabrikanten zu einem Unternehmen entwickelt, das sich nunmehr auf den Bau von Bioraffinerien konzentriert. Die erste ist bereits in Terni, Italien, in Betrieb. Nach einer Investition von etwa 100 Millionen Euro in innovative Kunststoffe und dem Aufbau eines Portfolios von 100 Patenten ist Dr. Catia Bastioli, Gründerin und Geschäftsführerin übergegangen zur Implementierung dieses Projekts, indem sie ein Joint-Venture mit 600 Bauern vor Ort gründete, die für den regionalen Konsum produzieren. Diese Strategie, nicht kultiviertes Land in die Produktion zurückzuführen und die Verarbeitung der gesamten Biomasse zu sichern (nicht nur die Stärke und das Pflanzenöl) verbessert die Gewinne durch das Land, die Produktion der Fabrik sowie die Produktkosten, so dass im Sinne der Blue Economy mehrere Cash Flows entstehen.

Die Chance

Rohöl, Raffinerien und Ölindustrie sollten die chemischen Ingenieure inspirieren, vergleichbare Produktionsmethoden für Derivate aus komplexer Biomasse zu finden. In gleicher Weise, wie Erdöl in 100 000 verschiedene Moleküle aufgespalten werden kann, sollte Biomasse nicht in einzelnen Silos produziert werden, wo sie große Mengen Abfall hinterlassen.

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Die Zeit ist reif für das Konzept der Bioraffinerien. Die Initiativen in Brasilien und Italien haben die technische, wirtschaftliche und soziale Machbarkeit bewiesen; für die Zukunft ist es sehr wahrscheinlich, dass sich weitere Projekte entwickeln.

Bilder: Novamont, StockXCHNG

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20. Plastik aus Nahrungsmittelabfällen

Der Markt

Der Weltmarkt für biologisch abbaubare Kunststoffe wächst im zweistelligen Prozentbereich und wird bis 2015 auf sechs Milliarden Dollar steigen. Bis 2025 wird er sich noch einmal auf zwölf Milliarden Dollar verdoppeln. Während momentan 65 Prozent allen Bioplastiks für die Verpackung von Nahrungsmitteln und Getränken produziert werden, wird erwartet, dass bis 2025 bereits ein Viertel für hochwertigere Anwendungen auf dem Automobil- und Elektroniksektor verwendet werden. Die Industrie für Bioplastik hat sogar die Medizin als eine der Haupt-Marktnischen entdeckt, von der sie sich Profite verspricht, die den gegenwärtigen Gewinn durch Plastiktassen und -besteck um ein Zehnfaches übersteigt. Die europäische Handelsgruppe für Bioplastik erwartet, dass ihre Kapazitäten sich zwischen 2007 und 2011 verdreifachen werden, bis auf eine Gesamtmenge von 1,5 Millionen Tonnen. Ebenso erwartet man, dass bis 2025 etwa 15 bis 20 Prozent des erdölbasierten Plastiks ersetzt werden durch Kunststoffe auf Pflanzen-, Algen und Bakterienbasis.

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Eine Analyse der Weltproduktion von Bioplastik zeigt, dass es etwa 500 Produktions- und Verarbeitungsfirmen gibt. Da das Geschäft für hohes Wachstum und eine Vielzahl von Innovationen steht, zieht es Unternehmer und Investoren stark an. Hieraus lässt sich schließen, dass die Zahl der Unternehmen für Bioplastik um ein Zehnfaches auf 5000 Firmen steigen wird. Die Helmut Kaiser Unternehmensberatung zeigt auf, dass weltweit weniger als drei Prozent der Kunststoffabfälle recycelt werden, hingegen 30 Prozent allen Papiers und 35 Prozent aller Metalle. Zahlreiche Versuche, Plastikmüll für Taschen und Kleidung zu verwenden, haben zwar weltweit in den Medien für Aufsehen gesorgt, aber weder die Plastikberge verkleinert noch die Ansammlungen von Plastik zu künstlichen Müll-Inseln verringert, die die Ozeane schädigen.

Biologisch abbaubares Plastik wird immer beliebter bei Konsumenten, die ihre Kaufkraft gern auf grüne Lösungen umstellen. Jedoch wird Bioplastik zunehmend zur Konkurrenz um landwirtschaftliche Flächen, die sonst für die Nahrungsmittelproduktion reserviert waren. Mais als Hauptprodukt für die Herstellung von Bioplastik konkurriert mit Tortillas in Mexiko und Cornflakes in Japan. Die steigende Nachfrage zieht steigende Preise eines Hauptnahrungsmittels nach sich. Die Komplexität dieser Situation führte dazu, dass die Vereinten Nationen eine Warnung an Politiker und Industrielle aussprach, dass der Trend zu Bioplastik die Sicherheit der Lebensmittel beeinträchtigt. Da auf der Welt Nacht für Nacht über eine Milliarde Menschen hungrig zu Bett gehen, muss die Entscheidung zwischen Erdöleinsparung und einer täglichen Mahlzeit zu einem Überdenken unserer Geschäftsmodelle führen. Zudem verhält sich eine Tasse aus Bioplastik nicht anders als eine aus Erdöl: Auf einer Müllkippe ohne Luft- und Hitzezufuhr zersetzt sie sich einfach nicht.

Die Innovation

Die Suche nach Rohmaterial für Plastik hat Wissenschaftler und Unternehmensentwickler dazu gebracht, noch einmal neu umzudenken. NatureWorks, das amerikanisch-japanische Joint Venture zwischen Cargill und Teijin, arbeitet weiterhin mit Mais als Hauptquelle für Stärke. Dies hat die Debatte um die Verwendung von genetisch verändertem Mais geschürt, der nun den amerikanischen Markt dominiert und die europäischen Konsumenten erreicht. Kürzlich wurde bekannt, dass NatureWorks seine Produktion auf dem Alten Kontinent auf 140 000 Tonnen pro Jahr verdoppelt. Die Debatte geht über die Genetik hinaus, sie schließt auch den Bedarf an Düngern und Unkrautvernichtern ein, der für Mais um ein Vielfaches höher ist als für Soja.

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Prof. Yoshihito Shirai am Institut für Biowissenschaften am Kyushu Institute of Technology (KIT) in Japan entschied sich für eine einfache, aber recht neuartige Lösung. Er beobachtete, dass die Restaurants in Japan große Mengen an Lebensmitteln wegwerfen. Da die örtlichen Müllkippen immer voller wurden und der Wunsch nach Senkung der Kohlenstoffemissionen dringlicher, kombinierte Prof. Shirai alle verfügbaren Kenntnisse und entwickelte mit seinen Kollegen und Studenten eine Produktionseinheit für Polymilchsäuren (Polylactic Acid, PLA), die mit stärkereichen Nahrungsmittelabfällen als Rohmaterial arbeiten. Obwohl weniger stärkehaltig als Mais, überzeugt das finanzielle Modell und ist umweltfreundlicher als alle anderen Biokunststoffe, vor allem PLA auf Maisbasis.

Erster Umsatz

Die Stadt Kita-Kyushu startete früh ein Kompostierprogramm, um die Überlastung der Müllkippen zu mindern. Japan, eine Insel mit wenig bewohnbarer Fläche, berechnet weltweit die höchsten Gebühren zur Müllentladung. Indem Lebensmittelabfälle aus Restaurants von den Müllkippen abgezweigt werden, entsteht ein erster Cash Flow: die Restaurants bezahlen weiterhin für die Abfallsammlung, doch das Geld kommt nun dem Kunststoffhersteller zugute, der somit für die Abfallannahme bezahlt wird. Statt nach Lieferern für Gen-Mais suchen zu müssen, der auch noch das Grundwasser durch starke Bewässerung belastet, hat Prof. Shirai die erste Fabrik in Kooperation mit der Umweltfirma EBARA erbaut, die sich dem Ziel der Null-Emissionen und Null-Müllverursachung verschrieben hat. EBARA ist zudem der größte Pumpenhersteller in Japan.

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Die Produktionsmenge ist gering im Vergleich zu den 100 000-Tonnen-Produktionseinheiten der Bioplastik-Industrie. Daher konnte Prof. Shirai die standardmäßigen Technologien zur Verarbeitung nicht wirtschaftlich nutzen. Stattdessen entschied er sich für einen einfachen Fermentationsprozess, der über Nacht in einem Chargenverfahren PLA generiert. Zwar sind die Konversionsraten viel niedriger als bei Mais, dafür liegen die Energiekosten für Transport und Transformation bei einem Bruchteil des Marktstandards, und die Größe des Betriebs kann auf die lokale Müllkippe zugeschnitten werden.

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Prof. Shirai und KIT hatten nicht die Ambition, eine neue Industrie aufzubauen; ihr Hauptziel war, die technische und kommerzielle Tragfähigkeit der Verarbeitung von Lebensmittelabfällen zu PLA-Kunststoffen in kleinem Maßstab zu beweisen. Mit nur einer Tonne pro Tag ist der Prozess marktfähig, einfach weil der Verkaufspreis für Plastiktüten für die Müllsammlung zehnmal höher ist als die Kosten für ihre Rohmasse – Erdöl. Diese Art von Profitmarge zieht immer neue Akteure auf dem Markt an.

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Hier werden erdölbasierte Tüten durch Polymere aus Lebensmittelabfällen ersetzt, die nicht mit Nahrung für die Menschen konkurrieren und Methanemissionen aus der Kompostierung verhindern sowie die wirtschaftliche Lebensdauer der Müllkippen verlängern. Dies ist mit Sicherheit ein Geschäftsmodell, das durch Unternehmer auf der ganzen Welt umgesetzt werden kann.

Bilder: StockXCHNG