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87 Plastik aus Umweltverschmutzung

Dieser Artikel stellt einen neuen Ansatz für CO2 vor, eine von 100 Innovationen im Rahmen von „The Blue Economy”. Dies ist Teil einer breit angelegten Bewegung für mehr Unternehmertum, Wettbewerb und Arbeitsplätze.

 

Der Markt

Der Kohlenstoffmarkt wird weltweit mit 98 Milliarden Euro für 2011 beziffert, das bedeutet eine Steigerung um vier Prozentpunkte gegenüber 2010. Der EU-Emissionshandel (ETS), der weltgrößte Kohlenstoffmarkt, liegt bei 76 Milliarden Euro. Das gesamte Handelsvolumen an Emissionsberechtigungen (EUA) hat letztes Jahr 6 Milliarden Tonnen erreicht, eine 17-prozentige Steigerung gegenüber 2010. Dabei fielen die Preise auf 6,3 Euro pro Tonne und damit auf die Hälfte des Vorjahrs. Die von der UN ausgegebenen Emissionsreduktionsgutschriften (CER) wurden für letztes Jahr mit 17,8 Milliarden Euro beziffert, 2 Prozent weniger als 12 Monate zuvor. Auch der nordamerikanische Markt fiel von 367 auf 221 Milliarden Euro für 2011.

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Zwar hat Kohlenstoff seinen Preis angesichts des Klimawandels, doch es gibt auch einen Markt für gereinigtes Kohlendioxid (CO2). Der CO2-Markt für die Nutzung in Krankenhäusern erreicht 2017 voraussichtlich einen Wert von 292 Millionen Dollar. Der größte industrielle Verbraucher von CO2 ist die Getränkeindustrie. Das CO2 macht die Getränke saurer, geschmacklich ansprechender und das Kohlenstoffgas dient gleichzeitig der Konservierung. Da die Getränke bei tiefen Temperaturen mehr CO2 binden können als bei höheren, empfehlen die Hersteller, dass ihre Produkte so kalt wie möglich serviert werden sollen, um dem Kunden mehr Geschmack bieten zu können. Eine Firma wie Pepsi hat eine Milliarde Kästen kohlensäurehaltige Cola verkauft und damit schätzungsweise 160 000 Tonnen reines CO2 verbraucht. Weltweit werden weit über eine Million Tonnen CO2 in Getränke gepumpt, die später nach und nach wieder in die Umwelt gelangen. Die Kosten für verflüssigtes reines CO2 erreichen im Fabrikverkauf bis zu 2 Euro pro Kilo.

Die ersten Versuche, den hohen Ausstoß von Emissionen aus der Energieerzeugung und Industrie durch fossile Brennstoffe an diese industriellen Bedürfnisse zu koppeln, wurden von allen Beteiligten mit Begeisterung aufgenommen, bis Probleme in der Qualitätskontrolle die Industrie zwangen, sich wieder zurückzuziehen aus der Wiederverwertung niedrig konzentrierten CO2 aus der Energieerzeugung, industriellen und landwirtschaftlichen Prozessen wie der Gewinnung von Magnesium aus Dolomit oder der Kalkverbrennung zur Herstellung von Zement. Die Aufgabe dieser Möglichkeit der Kanalisierung von einer Million Tonnen CO2 aus der Umwelt in die Industrie öffnete wiederum neue Wachstumsmöglichkeiten für traditionelle Gasfirmen wie Air Liquide, den größten Lieferer auf dem Sektor mit fast 5 Milliarden Euro an Umsätzen.

Die Innovation

Die Nutzung von CO2 als Nebenprodukt industrieller und landwirtschaftlicher Prozesse erfordert neue Erkenntnisse, da die Entdeckung verseuchten Kohlenstoffs in Coca Cola aus Belgien großes Aufsehen hinsichtlich der Qualitätskontrolle der großen Hersteller erregte. Zwar gibt es viele Firmen, die in der Lage sind, die Konzentration und Aufreinigung von lebensmitteltauglichem CO2 zu übernehmen, doch das Lieferkettenmanagement der multinationalen Konzerne zieht es vor, das Gas aus der Wasserstoff- oder Ammoniakproduktion aus Erdgas oder Kohle, mittlerweile auch aus der Fermentation von Zuckerrohr für Ethanol zu gewinnen. Bei der Ethanolherstellung aus Mais werden ebenfalls große Mengen CO2 freigesetzt und zunehmend industriell weiterverwertet, doch leider steht dies im Konflikt mit der Nahrungsmittelproduktion. Daher kann diese Produktionsform nicht als nachhaltig bezeichnet werden, auch wenn die Rohstoffe biologischen Ursprungs sind.

Geoffrey Coates wurde in Evansville, Indiana geboren. Seinen Abschluss in Chemie erlangte er am Wabash College (Indiana) und 1994 schloss er das Studium der anorganischen Chemie an der Stanford University in Kalifornien ab. Seit 1997 ist Geoff Mitglied der Cornell University Faculty. Als Leiter des Bereichs der Synthese von Polymeren mit Schwerpunkt auf katalytischen Umwandlungen machte er akademische Karriere. Er beobachtete, das der für etwa 30 000 chemische Verbindungen genutzte Kohlenstoff weltweit von etwa 300 chemischen Zwischenprodukten herrührte. Letztlich kamen all diese Zwischenmoleküle aus fossilen Brennstoffen. Geoff war interessiert daran, neue Wege zu finden, wie erneuerbare biologische Ressourcen in Polymere umgewandelt werden könnten. Er fand heraus, dass der Schlüssel zum Erfolg nicht in der Verfügbarkeit der Rohstoffe bestand, sondern eher in der Erkennung von Katalysatoren, die die erforderliche Reaktivität zur Polymerisierung von CO2 erbrachten.

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Kohlendioxid ist ein ideales Ausgangsmaterial; es ist reichlich vorhanden, billig, wenig giftig und nicht brennbar. Geoff beobachtete, dass die Natur CO2 zur Produktion von jährlich über 200 Milliarden Tonnen Glukose durch Photosynthese nutzt, doch bis vor kurzem hatten die Chemiker wenig Erfolg bei der Entwicklung eines Prozesses, der diesen attraktiven Rohstoff ausnutzt. Geoff und sein Team entwickelten Katalysatoren auf Zink- und Kobaltbasis, die CO2 unter milden Bedingungen in einen Ausgangsstoff für chemische Produkte umwandeln. Es bleibt noch die Herausforderung, sowohl die zink- als auch die kobaltbasierten Katalysatoren zurückzugewinnen, um einen echten Kreislauf zu schaffen, der unseren bereits exzessiven Bedarf nach Bergbau nicht noch weiter in die Höhe treibt.

Geoff baute ein starkes Forschungsteam an der University of Cornell auf. Doch die Bandbreite und Tiefe dieser Katalysatoren sowie die Notwendigkeit, diesen innovativen Ansatz für Polymere aus Treibhausgasen marktfähig zu machen, erforderte besondere Aufmerksamkeit. Er gründete daher Novomer (Neue Polymere) auf Grundlage einer exklusiven Lizenz auf die Patente für Katalysatoren aus Cornell und brachte Investitionen in Höhe von 6,6 Millionen US-Dollar auf, unter anderem von der holländischen Chemiegruppe DSM. Dies war ein idealer Partner auf der Suche nach Innovationen, da dessen Management beschlossen hatte, bis 2015 50 Prozent seiner Gesamtverkäufe aus Ökoprodukten zu erzielen. Physics Ventures, die Tochterstiftung von Unilever, brachte ein ebenso großes Investitionsvolumen auf.

Der erste Umsatz

Das Team von Novomer hat erfolgreich die Katalysationstechnologie von der Labor- auf die Vorführungsebene geführt und entwickelt nun Methoden zur Produktion von Chargen sowie kontinuierlicher Massenproduktion. Das Portfolio an Geschäftschancen ist so breit, dass die Produktentwickler die CO2-basierten Polymere in einer großen Bandbreite von Anwendungen testen, darunter Thermoplastik, Bindemittel, Elektronik, Überzüge, Netzmittel und Schäume.

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Die Möglichkeit, Flaschen aus Blasformen zu ersetzen, weckte nicht nur die Aufmerksamkeit von DSM, sondern auch von Unilever, einem der weltgrößten Verbraucher von Plastik. Die von Unilever durchgeführten Tests sowie dessen erklärtes Interesse an dieser neuen Weise, Umweltverschmutzung in Plastik umzuwandeln, konnte Novomer nutzen, um von der Energiebehörde der USA eine Förderung in Höhe von 18,4 Millionen US-Dollar zu erhalten, um die Markteinführung weiter voranzutreiben. Die Testproduktion von extrudiertem Dünnfilm bot weitere Motivation, um auch Verpackungen aus Umweltverschmutzung herzustellen. Geoff und sein Team bekamen bereits den nötigen finanziellen Spielraum, um die Produkte und Produktionsprozesse weiterzuentwickeln.

Die Chance

Unilever sieht große Vorteile in der Produktion von kostengünstiger Verpackung ohne Subventionen, Kohlenstoffsteuern oder Strafabgaben, nicht weil die Firma dagegen wäre, sondern weil die Zukunft dieser politischen Entscheidungen unsicher ist und ein Unternehmen daher nicht auf Innovationen als strategischer Option bauen kann, solange deren endgültiges Schicksal durch Politik und internationale Abkommen bestimmt wird.

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Novomer besitzt eine Plattformtechnologie, die über Verpackungen hinaus geht. Sie könnte Hunderte von Produkten von Windeln bis hin zu Wandfarben betreffen. Jetzt sehen wir die Chancen, Technologiecluster durch diese innovative Plattform auf der Basis neuer Erkenntnisse über Katalysatoren zu bilden. Wettbewerb auf dem Markt ohne Subventionen, Umwandlung von Abfällen in Ressourcen und vielleicht sogar Zahlungseingänge durch CO2-Abbau sind typische Merkmale, die den Ansatz der Blue Economy untermauern.

Bilder: Stock.XCHNG

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49. Stahl und Schlacke

Der Markt

Der Weltmarkt für Stahl wird für 2010 auf 400 Milliarden US-Dollar geschätzt und erreichte 1,3 Milliarden Tonnen. Der größte Stahlproduzent ArcelorMittal unter Leitung von Lakshmi Mittal wird am Dutch Stock Exchange auf einen Umsatz von über 30 Milliarden Euro geschätzt. Dieses Konglomerat kontrolliert etwa 10 Prozent der weltweiten Verkäufe. Während die Stahlindustrie früher vor allem ein amerikanisches Geschäft war, hat es sich mittlerweile entschieden nach China und Indien verlagert. Über ein Drittel des Stahls auf der Welt wird in China hergestellt. Die indischen Marktführer hingegen haben eine Reihe globaler Akquisen unternommen, nachdem der Sektor sich nach einem harten Konsolidierungskampf durch Überkapazitäten in dieser Wachstumsindustrie stabilisiert hat. Die Inder haben einen strategischen Wettbewerbsvorteil gegenüber China, da Indien nach Australien und Brasilien der drittgrößte Förderer von Eisenerz auf der Welt ist. Heute wird über die Hälfte des indischen Erzes exportiert; dies wird sich wahrscheinlich bald ändern, um strategische Reserven zu sichern.

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Stahl ist das am meisten recycelte Material der Erde. Das Gesamtvolumen an rückgewonnenem Stahl durch Recyclingprogramme auf industrieller und Verbraucherebene ist höher als für Papier, Plastik, Aluminium, Kupfer und Glas zusammen. Nahezu 30 Prozent allen Stahls wird heutzutage recycelt. Elektro-Lichtbogenöfen in Deutschland und Japan arbeiten mit 100 Prozent recyceltem Stahl, der den Vorteil hat, unendlich weiterverwertet werden zu können. Die Industrie hat große Fortschritte gemacht, wobei die Recyclingquote in der Autoindustrie in Europa fast 100 Prozent erreicht, nachdem die Europäische Union höchste Auflagen verabschiedet hat. Trotzdem werden noch immer zwei Drittel allen Stahls entsorgt. Vor allem im Hausgebrauch liegen die Wiederverwertungsraten niedrig. In amerikanischen Haushalten werden 100 Millionen Stahlbehälter pro Tag (36,5 Milliarden pro Jahr) weggeworfen, und der nicht recycelte Anteil wäre genug, um jeden Tag eine Rohrleitung von New York nach Los Angeles und zurück zu legen.

Dank des Magnetismus ist Stahl leicht trenn- und recycelbar. Eine Tonne recycelter Stahl spart 1,1 Tonnen Erz und 630 Kilogramm Kohle ein. Der in Nordamerika recycelte Stahl spart genug Energie ein, um damit 18 Millionen Haushalte zu versorgen. Eine der größten Herausforderungen des Stahls bleiben die Treibhausgasemissionen, die bereits von Anbeginn der Herstellung vor 4000 Jahren an ein natürliches Nebenprodukt darstellten. In den letzten 20 Jahren ist der Energiebedarf pro Tonne Stahl um 30 Prozent gesunken. Doch immer noch werden mit jeder Tonne Stahl auch zwei Tonnen CO2 freigesetzt, was zwar viel weniger ist als bei Aluminium, das 11 Tonnen freisetzt, aber immer noch in bedeutendem Maße zum Klimawandel beiträgt.

Die Innovation

Für die Stahlindustrie steht eine große Anzahl Innovationen bereit, von der Produktion hochfesten Stahls über höhere Ausbeute der Erze, die Produktion von Stahlummantelungen bis hin zum revolutionären Überzug des Stahls mit einer dünnen Schicht Solarzellen. Es wird umgedacht bezüglich der Größe der Stahlhütten, was Ingenieure zum Entwurf von Mini-Hütten inspiriert hat, die die Kapitalinvestitionen pro Produktionseinheit reduzieren, zu höherer Flexibilität und geringerer Umweltbelastung führen und darüber hinaus dem Management Möglichkeiten zur Wärmerückgewinnung bieten, vor allem bei der Kühlung des geschmolzenen Stahls. Dieser Prozess komprimiert wiederum die Größe der Hütte und ermöglicht Industriecluster. Ein Bereich jedoch, der strategische Aufmerksamkeit erfordert, ist Schrott und Schlacke; dies ist zwar nichts Neues, aber bisher immer ein Problem des Recyclings aufgrund des niedrigen oder fehlenden Mehrwerts.

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Ji Gengxin, ein ehemaliger Soldat der chinesischen Volksbefreiungsarmee, hat die Anhäufung von über 10 Millionen Tonnen Schlacke betrachtet, die in seinem Land jedes Jahr bei Stahlarbeiten anfallen. Auf internationaler Ebene wird ein Großteil dieser Abfälle im Straßenbau recycelt. Doch die noch nicht recycelte Schlacke bedeckt große Flecken Landes, die für den Ackerbau geeignet wären, und verseucht die Luft und den Boden. Herr Ji fand heraus, dass Schlacke zu 15 Prozent aus Stahl besteht; der Rest ist ein hochfestes, widerstandsfähiges und nicht korrodierendes Material. Herr Ji gründete daraufhin die Wuhan Metallurgical Slag Environment Protection Engineering Company und begann mit 25 arbeitslosen Helfern und einem Kleinkredit von 30 000 Yuan (4600 US-Dollar), mit diesem Umweltgift zu arbeiten.

Herr Ji und Dr. Chen Yimin von der chinesischen Akademie für Baumaterialkunde konnten erfolgreich nachweisen, dass fein gemahlenes Schlackepulver – die Überreste nach dem Herauslösen des Stahlanteils – 20 Prozent des Zements als aktiven Zusatzstoff zur Betonverstärkung ersetzen können. Anstatt Schlacke nur als minderwertigen Rohstoff für Straßenbeläge zu verwerten, stellt sie nun einen hochwertigen Zusatz in der Bauindustrie. Die Schaffung von Mehrwert durch Umleitung von Abfallströmen von einer Industrie in eine andere ist ein typisches Merkmal der Blue Economy.

Erster Umsatz

Die patentierte Technik, ein System aus Vorzerkleinerung, nassmagnetischer Sortierung, Sieben und Mahlen, hatte ersten Erfolg in der Zementanmischung zum Bau von Stützpfeilern für die Xia Bai Shi-Seebrücke in der Provinz Fijian. Dies war der nötige Durchbruch für die Aufnahme der Arbeiten zur Verwertung von Hundert Hektar Schlackehaufen bei der Wuhan Iron and Steel Group (WISCO), dem ersten chinesischen Großindustriekomplex, der bereits 1958 in Betrieb gegangen ist.

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Stastiken belegen, dass pro Jahr über 1,4 Millionen Tonnen Schlacke allein aus diesem Stahlwerk anfallen. Die kreative und wissenschaftliche Arbeit des Teams aus Wuhan schaffte eine neue Industrie, die netto etwa 200 Yuan (30 Dollar) pro Tonne Schlacke verdient, darin enthalten ist die Provision zur Wiedernutzbarmachung des verseuchten Landstrichs. Im Lauf eines Jahrzehnts ist die Schlackefirma von zwei Dutzend auf 500 Mitarbeiter angewachsen.

Die Chance

Während Schlacke aus Stahl weiterhin im Rest der Welt für den Autobahnbau genutzt wird, ist dies in China nur selten der Fall. Das ist auch sehr unwahrscheinlich, denn die Schlacke generiert vielerlei Erträge. Die Gruppe aus Wuhan hat ihre Technologie inzwischen für eine breite Palette von Projekten der Bauindustrie eingesetzt, darunter Flughäfen, U-Bahnen und Staudämme. Nach 17 Jahren sind alle Schlackeberge rund um Wuhan verschwunden. Der Stahlanteil ist vollständig recycelt und die Nebenprodukte generieren inzwischen mehr Wert als der Schrott. Allein die Schlacke aus diesem einen Werk in Wuhan schafft über 100 Millionen Dollar an Nettoerträgen, besser als jede andere bekannte schlackeverarbeitende Firma. Hier bietet sich die Chance, die Abfälle von Stahlhütten zu verwerten und hier einen Industriecluster aufzubauen.

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Zweifellos ist dieses Portfolio von Innovationen, die höhere Qualität durch lokal vorhandene Ressourcen bieten, eine Plattform für das Unternehmertum und kann rund um jede alte Stahlhütte auf der Welt angesiedelt werden, sobald sich Unternehmer hierfür finden.

Bilder: StockXCHNG

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46. Ein neues Leben für Zementdrehöfen

Der Markt

Bis 2013 wird der Weltmarkt für Zement bei 246 Milliarden US-Dollar brutto liegen, was einer Gesamtmenge von 3,5 Milliarden Tonnen Baustoff entspricht. Zement ist der am weitesten verbreitete Baustoff der Welt. China stellt etwa 50 Prozent der Welt-Gesamtmenge her, während Indien als zweitgrößter Hersteller schneller wächst, sogar im Vergleich zu China. Die europäischen und amerikanischen Märkte erholen sich langsam nach einer schweren Krise 2008-09, wobei die Amerikaner um 17 Prozent in einem Jahr abgefallen sind.

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Die Zementindustrie konzentriert sich stark auf wenige Hersteller. Die fünf größten Produzenten der Welt kontrollieren über die Hälfte der weltweiten Produktionskapazitäten. Lafarge (Frankreich) ist weltweiter Marktführer mit 16,1 Milliarden Dollar und lag 2009 damit knapp vor Holcim (Schweiz). Lafarge hat letztes Jahr 17 Zementfabriken in China aufgekauft, so viel wie nie zuvor. CEMEX (Mexiko), die Nummer drei der Welt in Zement, dabei jedoch Nummer eins für Baustoffe, bildet eine seltene lateinamerikanische Spitze in dieser globalen Industrie. Bezogen auf den US-Arbeitsmarkt auf diesem Sektor hat die Beschäftigung beträchtlich abgenommen: um 23 Prozent während der letzten 20 Jahre. Hauptsächliche Ursache ist das Streben nach Rationalisierung durch immer größere Zementdrehöfen. FL Smith, der dänische Weltmarktführer auf diesem Gebiet mit mehr als 1000 installierten Anlagen, hat den größten Drehofen in Tongling (China) gebaut, mit einer spektakulären Kapazität von 12 000 Tonnen Zement pro Tag.

Eine der größten Herausforderungen für die Zementindustrie sind Treibhausgasemissionen. Für jede Tonne Portlandzement werden 1,3 Tonnen Kalkstein benötigt, die bis auf 1450 Grad Celsius erhitzt werden und dabei CO2 freisetzen; außerdem werden 0,2 Tonnen Kohle und 100 kWh Strom verbraucht. Im Jahr 2010 hat die Industrie schätzungsweise 2,9 Milliarden Tonnen CO2 produziert und ist somit einer der Hauptverursacher des Klimawandels mit 5 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen durch Menschen. Die klimaverträglichsten Zementöfen produzieren immer noch 0,66 Kilogramm CO2 pro Kilogramm Zement, von denen 90 Prozent direkt bei der Produktion entstehen und nur je fünf Prozent beim Transport und der Stromgewinnung vor Ort.

Die Innovation

Die Europäische Union subventioniert Firmen, die veraltete Zementfabriken aufkaufen und sie mit sauberer Technologie ausstatten. Doch selbst die „grünsten“ Technologien können den CO2-Ausstoß gerade mal um 20 Prozent senken. Die chemische Reaktion, die dieses Baumaterial hervorbringt, setzt immer Kohlendioxid frei. Da weltweit immer mehr Zement hergestellt wird, nimmt auch die Umweltbelastung zu. Dies ist unter dem Namen des Rebound-Effekts bekannt: die Gesamt-Umweltbelastung nimmt zu, obwohl die Produktion pro Einheit abnimmt. Die Industrie sattelte daraufhin um auf die Einbeziehung von Abfallstoffen, die sonst noch größere Herausforderungen für die Umwelt darstellen würden, etwa die Methangasausstöße (21-mal schlimmer für das Klima als CO2) oder die Vermeidung des Risikos von Ruß in der Atmosphäre durch Verbrennung von Abfallstoffen und Altreifen im Produktionsprozess. Andererseits ist einer der größten Kostenfaktoren für die Zementindustrie ihre Schließung, da die hohen Asbestkonzentrationen die Firmen an den Rand des Bankrotts bringen – hier muss bemerkt werden, dass in den 1950er- und 60er-Jahren Asbest standardmäßig in der Zementindustrie eingesetzt wurde.

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Als Anders Byström das mechanische Wunder eines Drehofens betrachtete, der über Jahrzehnte bei hohen Temperaturen Zement hergestellt hatte, konnte er nur staunen. Er bewunderte das schwere Gerät, das in Stora Vika südlich von Stockholm in einer stillgelegten Zementfabrik vor sich hinrostete. Wie konnte es sein, dass so ein Meisterstück der Ingenieure nur noch Schrottwert hatte? Zementfirmen verursachen hohe Kosten bei der Schließung, doch Anders zufolge konnten die Installationen weiter genutzt werden als Verarbeitungsanlage für kommunale Abfälle. Anstatt Kohle zu verbrennen und Kalkstein zu verarbeiten erdachte er, wie der gesamten Anlage kommunale Abfälle zugeführt werden könnten. Dabei werden zunächst alle Metalle entfernt und dann 900 Tonnen bzw. 300 Tonnen täglich gespeichert. Die Mischung von organischen und anorganischen Materialien wird gleichermaßen unter Luftzufuhr und –abschluss verdaut. So könnte aller Müll getrennt und recycelt werden, übrig bliebe nur reiner Kompost.

Erster Umsatz

Der innovative Prozess der Umnutzung der Fabrik zur Mülltrennung begann mit einem Pilotprojekt von einer Tonne pro Tag und wurde zum vollständigen Prozess. Dann zog er die Aufmerksamkeit von Masatsugu Taniguchi auf sich, Geschäftsführer der Taiheiyo Cement, Japans größtem Zementhersteller. Er merkte, dass dies einen Durchbruch für eine Infrastruktur bedeutete, in der die Nachfrage nach Zement abnehmen und gleichzeitig die Nachfrage nach Abfallmanagement steigen wird. Aufgrund von Pilotstudien in Schweden mit japanischen Abfällen schlossen die Ingenieure der Taiheiyo Cement, dass der gesamte Energiewert der kommunalen Abfälle überraschende 50% der Kohleenergie erreichen könnte, mit der die Öfen normalerweise befeuert werden, wenn sie in diesen ausgedienten Drehöfen verarbeitet werden.

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Eine Investition von 40 Millionen Dollar ermöglichte die Errichtung der ersten Anlage auf Industrieniveau in Hidaka in der Präfektur Saitarna (Japan). Ein ausgedienter Ofen erhält sämtliche Abfälle der örtlichen Müllverwaltungsfirma. So konnte die Stadt die Investition in eine Verbrennungsanlage sowie die Erweiterung ihrer Müllhalde einsparen. Dies verringerte wiederum die Steuerlast für die Bürger und verbesserte zugleich die Luft. Die schwedische Technologie verwandelte energiearmen in energiereichen Müll und hob zugleich das Risiko der Methangasemissionen aus Müllhalden auf, die so schädlich für das Klima sind. Dieser Prozess sparte 20 Tonnen Kohle täglich und verringerte zudem die negativen Auswirkungen der herkömmlichen Abfallentsorgung bei niedrigeren Kosten dank des Einsatzes bereits vorhandener Materialien. Dieser Ansatz begreift die Industrie wie ein in sich zusammenhängendes System, ein hervorstechendes Charakteristikum der Blue Economy. Nach zweijährigen Tests hat das japanische Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie (METI) eine Betriebslizenz angeboten.

The Opportunity

Eine der viel zu wenig genutzten Kapitalstrukturen der Welt sind die Abschreibungen von Produktionsanlagen. Da diese Anlagen in Bilanzen oft mit fast Null bewertet werden, da sie sich voll amortisiert haben, laufen sie immer noch Gefahr, hohe Kosten für Schließung und Abriss zu verursachen, da es den Firmen verboten ist, die alten Anlagen zu einem symbolischen Preis zu verkaufen, wie es früher gängige Praxis war. Wenn die Zementfirmen sich weiter nur auf ihr Kerngeschäft mit Zement konzentrieren, bleibt dieses Risiko. Wenn sie aber lernen, um die Ecke zu denken und ein Konsortium mit Partnern bilden, die sich gegenseitig ergänzen, dann könnten sie ihre eigene Kosten senken, schädliche Auswirkungen auf das Klima vermeiden, Arbeitsplätze schaffen, die Erträge der Investments erhöhen und sogar Steuerlasten aufgrund teurer Abfallwirtschaft erleichtern.

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Durch Nutzung vorhandener Ressourcen können Defizite der Staatskassen ausgeglichen und dabei der Energiebedarf gedeckt werden, eine Basis für die Geschäftsentwicklung. Unternehmer wie Anders Byström haben gezeigt, dass dieses Geschäft auch mit sehr begrenzten privaten Finanzressourcen gestartet werden kann. Da die Kapitalaufwendungen der Zementindustrie weiterhin kleinere Öfen zugunsten von solchen mit drei- bis vierfacher Kapazität abschreiben werden, werden immer mehr Drehöfen verfügbar. Der Verkauf zum Schrottwert ist keine gute Möglichkeit im Vergleich zu der einer völlig neuartigen Form der Abfallwirtschaft bei niedrigeren Kosten, die uns aus der Zwickmühle zwischen der Müllhalde und der Müllverbrennung befreit. Unternehmer sind gefragt, die etwas bewegen wollen.

Bilder: Fotolia, StockXCHNG