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89 Krabbenschalen zur Reinigung von Bergbauwasser

Dieser Artikel stellt einen neuen Ansatz zur Wasserreinigung vor, eine von 100 Innovationen im Rahmen von „The Blue Economy”. Dies ist Teil einer breit angelegten Bewegung für mehr Unternehmertum, Wettbewerb und Arbeitsplätze.

 

Der Markt für Bergbausanierung

Die Kapitalkosten, die weltweit zur Sanierung aufgegebener Minen erforderlich sind, werden auf über eine Billion Dollar geschätzt. Die Sanierung einer einzigen Mine in Kalifornien, die in den 1960er-Jahren aufgegeben wurde, erforderte 200 Millionen Dollar Steuergeld, allein um die Probleme der Versickerungen, Grundwasserverseuchung und Erosion einzudämmen. Zwar bilden alle öffentlich angegebenen Bergbaufirmen Rückstellungen für die Stabilisierung und Regeneration der Umwelt, doch die Menge an Geldern, die für die Beseitigung der Halden, durch Verunreinigung mit saurem Wasser und Verseuchung durch Schwermetalle nötig sind, haben sich über die letzten Jahre verzehnfacht, da dem Bergbau neue Standards auferlegt worden sind. Sollten sie die vollen Kosten nach neuesten Standards übernehmen müssen, müssten einige Bergbaufirmen starke Aktieneinbrüche in Kaufnehmen, andere würden sogar bankrott gehen.

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Im Bergbau werden kostbare Erze entweder durch Wasser und Schwerkraft gefördert, oder das Gestein wird in feine Partikel zermahlen und dann das Erz durch Chemikalien gelöst. Für große Bergbaubetriebe, Tagebau oder unterirdische Stollen werden Flüsse umgeleitet, ganze Ökosysteme vernichtet und sogar Dörfer und Gemeinden dem Erdboden gleichgemacht, um das begehrte Erz mit hocheffizienten Methoden zu erreichen. Im Minenbetrieb fällt saures Wasser an, ebenso Schwefelsäure durch Versetzen von Pyrit mit Sauerstoff und Wasser, in der Natur vorhandene radioaktive Stoffe sowie Zusätze wie Zyanid. Zur Vergabe neuer Bergbaulizenzen fordern die Länder zunehmend einen Plan zur Schließung, bevor die Arbeiten überhaupt beginnen können. In der Provinz Quebec (Kanada) geht man noch einen Schritt weiter und fordert eine 100-prozentige finanzielle Garantie über die errechneten Sanierungskosten.

Die Lagerung von Abfällen im Tagebau war früher gängige Praxis, doch sie stehen zunehmend in der Kritik, ebenso wie Halden in Flüssen oder untermeerische Halden; somit müssen die Bergbaufirmen ihre Ansätze neu überdenken. Die Emissionen von saurem Wasser werden häufig durch Zusatz von Kalk eingedämmt. Abgänge werden stabilisiert, indem die Verunreinigungen an sowie rund um Pflanzenwurzeln sequestriert werden. Dies ist billig und verringert die Erosion durch Wind und Wasser, der Mensch und Natur sonst ausgesetzt wären. Die Sanierung durch Pflanzen schützt Wildtiere und Vieh vor den Schadstoffen und verhindert so die Anreicherung in der Nahrungsmittelkette. Da das Erz an Wert gewinnt und die Extraktionstechniken immer weiter perfektioniert werden, werden auch die Abgänge zunehmend wiederverarbeitet, um Erze zurückzugewinnen. Diese Technik wird erfolgreich in Australien umgesetzt.

Die Innovation

Steigende Kosten sowie strenge Auflagen zwingen die Industrie zur Innovation. Die Umwandlung einer Reihe Tagebaugebiete in Wasserkraftanlagen wurde in Ghana zwar versucht, aber nicht durchgeführt. Ebenso wurde versucht, Algen und Bakterien und sogar Pilze zur Abfallverarbeitung einzusetzen. Doch keine dieser Methoden konnte sich behaupten, da die Kosten sehr hoch schienen und die Industrie unsicher und zögerlich in der Annahme von Innovationen ist, für die keine eigenen Erfahrungen vorliegen. Als belastend für jeden kreativen Ansatz erweist sich das schiere Ausmaß des Handlungsbedarfs aus der Bergbauindustrie. Leider münden Minenschließungen zunehmend in Gerichtsverfahren, in denen die Parteien, manchmal nach Jahrzehnten von Rechtsstreitigkeiten, hohe Kompensationszahlungen leisten müssen und die Rechtsbeistände am Ende den Großteil der Beträge einstreichen.

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Tyler Barnes ist noch Schüler der Northwestern High School in Kokomo, Indiana (USA). Inspiriert durch seine Lehrerin Patty Zech erfuhr er über die Probleme durch saure Grubenwässer, vor dem sein Staat durch seine lange Geschichte des Tagebaus steht. Ein Bild des orangefarbenen Wassers sieht aus wie eine Wandmalerei, doch es entstand nicht aus künstlerischer Freiheit sondern aus echter Umweltverseuchung, die die Fische tötet. Tyler lernte, dass die Minen nicht nur verschmutzten und eine wüstenähnliche Landschaft hinterließen, sondern dass das Wasser für Jahrzehnte übersäuert ist und sämtliches Leben in ihm unmöglich macht. Aktuell wird im Bergbau in Indiana Kalkstein genutzt, der ebenfalls vor Ort abgebaut wird, um den Säuregehalt zu reduzieren. Doch Kalkstein allein kann nicht das ganze Spektrum der Probleme lösen, da es das im Wasser gelöste Eisen und Kupfer nicht bindet. Die hohen Rostkonzentrationen bedrohen das Fortbestehen der Artenvielfalt dauerhaft. Bereits in seinem ersten Jahr an der High School wollte Tyler noch weiter gehen als bis zur Analyse des Problems und begann, nach Lösungen zu suchen, indem er alle möglichen Abfallstoffe in Augenschein nahm, die sowohl das Problem der Säure beheben als auch die Metalle absorbieren könnten.

Er entschied sich, seine Aufmerksamkeit auf die Suche nach positiven Antworten auf ein wohl bekanntes Problem zu konzentrieren. Er untersuchte zahlreiche Optionen mit wenig Aussicht auf Erfolg, bis er über die Eigenschaften von Chitosan erfuhr, einem reichlich vorhandenen Abfallstoff aus Krabben- und Krebsschalen. Vier Jahre lang forschte er darüber, oft über viele Stunden nach der Schule. Er reiste herum und sammelte Proben aus Grubenteichen, sogar aus Brasilien, und konnte zwar sehen, dass Chitosan funktionierte, aber nicht erklären, warum. Dann erstellte er eigene Proben aus Sickerwässern und erhielt Unterstützung durch einen Chemielehrer bei der Suche nach der Begründung, warum dies funktionierte. Schließlich entdeckte er, dass die Aminosäurengruppe der Chitosan-Moleküle Eisen und Kupfer absorbierten und dabei sowohl das Wasser reinigten als auch den pH-Wert regulierten.

Der erste Umsatz

Tyler wurde bereits an der Indiana University aufgenommen, um dort Biochemie zu studieren. Derweil überlegt er, wie er seine Entdeckung praktisch umsetzen kann. Ihm ist bewusst, dass Chitosan teurer als Kalkstein ist, doch jeder in der Industrie und der Regierung weiß auch, dass Kalkstein das Überleben der Wasserlebewesen nicht gewährleisten kann.

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Er ist überzeugt, dass es der Rechtsprechung bedarf, um Bergbauunternehmen dazu zu zwingen, sowohl den pH-Wert zu regulieren als auch die Metalle aus dem Wasser zu ziehen. Andererseits ist Chitosan ein Nebenprodukt natürlicher Wasserlebewesen, so entwarf er eine Lösung nach dem Prinzip: „aus dem Wasser für das Wasser“. Bei alldem lernte er viel über Biochemie und seine Vorträge über dieses Fachgebiet brachten ihm zahlreiche Preise auf wissenschaftlichen Kongressen ein.

Die Chance

Der Weltmarkt für Chitin-Derivate wie Chitosan hat 2010 bereits 13 700 Tonnen erreicht und für 2015 wird ein Wachstum bis auf 21 400 Tonnen erwartet, mit einem Gegenwert von 63 Milliarden US-Dollar. Dieses Abfallmaterial ist ein Biopolymer mit der besonderen Eigenschaft, Lipide, Fette und Metalle zu binden. Da die Nachfrage durch diverse innovative Einsatzmöglichkeiten steigen wird, werden auch zunehmend die Schalen von Krabben, Hummern und Krebsen gesammelt und neue Chancen für Krabbenfarmen zur Erweiterung ihrer Ertragsströme geschaffen. Die von Tyler genannte Chance ist, dass hochreines Chitosan auch für medizinische Zwecke und zur Nahrungsergänzung genutzt werden kann, während das minderwertigere Material zur Neutralisierung von Umweltgiften im Wasser eingesetzt werden kann. Diese Materialkaskade, die bereits verursachte Probleme auf positive Weise löst und dabei Arbeitsplätze schafft, ist ein gutes Beispiel für die Denkweise der Ansätze im Rahmen der Blue Economy.

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Das meiste Chitosan wird auf der Welt in der Asien-Pazifik-Region verbraucht, von dort kommt die Hälfte der weltweiten Nachfrage. Der japanische Markt verfügt über reichlich Wasser, doch nur wenig davon ist sauber, daraus ergibt sich eine erhöhte Nachfrage nach Chitosan als Flockungsmittel. Zwar muss Tylers Ansatz noch einige Hürden nehmen, doch seine klare Zielsetzung auf der Grundlage jahrelanger wissenschaftlicher Forschung, die er bereits sehr früh begonnen hatte, beweist, dass junge Menschen, denen man die Chance dazu gibt, tatsächlich die Sichtweise auf die ungelösten Probleme dieser Welt ändern können. Diese Lösungen können (!) leicht zu einer Steigerung der Nachfrage nach Chitosan führen, somit einen Abfallstrom in einen Ertragsstrom umwandeln und dabei Jobs insbesondere in Regionen schaffen, in denen dringender Beschäftigungsbedarf besteht. Daher inspiriert diese Art der wissenschaftlichen Forschung in Zusammenhang mit der Suche nach Problemlösungen, wie Tyler sie betreibt, nicht nur zur Forschung und Wissenschaft im Allgemeinen, sondern auch zum Denken über das Offensichtliche hinaus und zur Umsetzung, so wie es Unternehmer tun sollten, die die Gesellschaft zu mehr Nachhaltigkeit bewegen wollen.

Bilder: Stock.XCHNG

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60. Batterien aus Wasser

Der Markt

Der Weltmarkt für Batterien wird 2011 fast 74 Milliarden US-Dollar erreichen. Der chinesische Markt ist bereits der größte und wächst am schnellsten. Der Umsatz der USA liegt bei etwa 15 Milliarden; dies entspricht 15 Milliarden Batterien. Dabei legen teure Batterien am meisten zu. Der Weltmarkt für Rohstoffe, aus denen Batterien hergestellt werden, wächst dieses Jahr auf 3,8 Milliarden Dollar an. Dabei liegt der Mehrwert von fertigen Produkten beim Zwanzigfachen des Rohstoffwerts. Herstellung und Verkauf von Batterien sind definitiv ein lukratives Geschäft. Während Autobatterien zu nahezu 100 Prozent recycelt werden, landen schätzungsweise 40 Milliarden andere Batterien in diesem Jahr auf Mülldeponien. Dies bedeutet, dass seltene und teure Metalle im Wert von etwa 2 Milliarden Dollar weggeworfen werden.

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Zwar wurde bereits vor 2000 Jahren die erste Batterie erfunden, doch es war Thomas Edison, der die erste Alkalibatterie mit 1-1,35 Volt Spannung erfand. Heutzutage wird die Stromstärke der Batterien in Joule bzw. Wattsekunden gerechnet, d.h. ein Watt entspricht einem Joule pro Sekunde. Eine Wattstunde sind demnach 3600 Joule. Der Weltmarkt für Batterien hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt, von solchen auf Bleisäurebasis zum Preis von 0,17 Dollar pro Wh – der billigsten, die auch für Autos verwendet wird – bis hin zur Nickel-Cadmium-Batterie, die fast das Zehnfache kostet (1,50 Dollar). Die mittleren aus Lithiumionen, die standardmäßig in Elektrofahrzeugen von Nissan eingebaut sind, kosten 0,47 Dollar pro Wh. Nur wenige wissen, dass eine Kilowattstunde Strom aus Batterien das 100- bis 500-fache des Netzstroms kostet. Für Mobilität zahlt die Gesellschaft einen hohen Preis. Die größte Batterie wurde von ABB in Fairbanks, Alaska gebaut. Diese massive Nickel-Cadmium-Batterie liefert 40 Megawatt und somit genug Strom zur Versorgung von 12 000 Personen über sieben Minuten. Die kleinste Batterie misst 2,9 mal 1,3 mm, die Größe einer Bleistiftspitze, und kann bis zu 10 Jahre lang aufgeladen werden.

Die Innovation

Ein großes Manko von Batterien ist deren Gewicht. In der Industrie sind leichte Batterien gefragt. Die Wiederaufladung von Batterien durch Einpumpen eines Elektrolyts statt des Ersetzens oder Wiederaufladens ganzer Einheiten ist eine weitere bedeutende Neuerung. Die Batterie auf Vanadium-Basis, die mindestens 10 000-mal aufgeladen werden kann, ist ein weiterer Durchbruch, obwohl die weltweite Nachfrage damit nicht gedeckt werden kann. Jedoch haben Batterien ihre Grenzen bezüglich Bergbau, Recycling und einfachem Energiepotenzial. Ein Kilogramm Rohöl entspricht 50 MegaJoule (MJ) Energie, während ein Kilogramm Bleisäure-Batterie nur 0,1 MJ Energie liefern kann – 500-mal weniger. So erklärt sich, warum die Energie aus Batterien so teuer ist und die Speicherung von überschüssiger Elektrizität in Batterien immer einen Nachteil im Wettbewerb darstellen wird. Auf ihr Gewicht bezogen können auch die besten Batterien der Welt theoretisch nur 6 Prozent der Energie stellen, die das Erdöl liefert.

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Professor Bo Nordell von der Technischen Universität von Luleå (Schweden) war schon lange beeindruckt von der Fähigkeit des Wassers, Wärme zu speichern. Er erforschte die Speicherung von thermischer Energie und stellte fest, dass in einem Kubikmeter Wasser 334 MJ oder 93 kWh Wärme gespeichert werden können. Die Möglichkeit, entweder Eis zu nutzen, in dem die Energie der kalten Wintermonate gespeichert wird, oder durch Sonne erhitztes Wasser (siehe Beispiel 53), stellt einen billigen Speichermechanismus dar, der bei Anwendung im großen Maßstab und minimalen Kosten in der Infrastruktur sehr effizient ist. Er kann unbegrenzt wieder aufgeladen werden. Prof. Nordell unterstützte Kjell Skogbergs Dissertation, die zur Erbauung der weltweit ersten Schneekühlungs-Anlage in Sundsvall, Schweden für das städtische Krankenhaus führte. Dort wird die Kühle des im Winter gesammelten Schnees genutzt.

Der erste Umsatz

Per-Erik Larsson, der vom Landrat von Västernorrland eingesetzte Projektleiter, beschloss, die Energieanlage zu entwickeln und zu betreiben. Damals im Jahr 2000 war das Hauptziel die Vermeidung von ozonschädlichen Kühlungsmitteln, Senkung des Stromverbrauchs und Nutzung des Schnees, der hauptsächlich von Straßen, Dächern und Parkplätzen stammte. Der schmelzende Schnee wird durch Rohre geleitet. Die Bauweise ist recht einfach: Bevor das Wasser die Rohrleitungen des Krankenhauses erreicht, wird es gefiltert und durch Wärmetauscher geleitet. Die Wärmetauscher haben eine Kapazität von 3 MW und leiten Wärme aus dem Krankenhaus zum geschmolzenen Schnee. Das Wasser des Krankenhauses wird von 12 auf 7 Grad gekühlt. Das erwärmte Kühlwasser wird wieder ins Schneelager zurück geleitet und schmilzt dort weiteren Schnee, der wiederum zu den Wärmetauschern und dem Krankenhaus geleitet wird und die Kühlung sich somit fortsetzt. Nach der Installation der Schneekühlung konnte das Krankenhaus seinen Stromverbrauch für Kühlung um über 90 Prozent senken. Diese langfristige Lösung hat eine Lebensdauer von mindestens 40 Jahren, d.h. die Anlage kann 40 Winter lang wieder aufgeladen werden. Die Erfinder gründeten daraufhin die Firma Snowpower AB und vermarkten darüber diese simple Batterietechnik.

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Die Erfahrung von Sundsvall ist eine Anwendung im großen Maßstab von vielen kleineren Beispielen, in denen Wasser als Speichermedium für Energie genutzt wird. Zwar nutzen die meisten Systeme Wärme statt Kälte, doch der Mechanismus funktioniert auf Basis des Temperaturunterschieds, egal ob dieser von Eis oder Heißwasser ausgeht. 1989 baute Josef Jenni das erste Solarhaus und 2005 einen Solartank, der 205 Kubikmeter Heißwasser zur Stromgewinnung speichern konnte. Die Stadt Herleen in den Niederlanden nutzte als erste Heißwasser in stillgelegten Kohleschächten. Obwohl die tiefe Mine nur 35 Grad warmes Wasser liefert, ist dies mithilfe von Wärmetauschern genug, um 350 Häuser und ein Einkaufszentrum mit Wärme im Winter bzw. Kühlung im Sommer zu versorgen. Wasser kann fünfmal mehr Wärme speichern als Beton und ist daher im großen Maßstab eine ideale Alternative zu Batterien.

Die Chance

Jede Wohnung und jede Stadt verfügt über ein ausgefeiltes System zur Wasserspeicherung. 80 Prozent des Energieverbrauchs in einer normalen Wohnung entstehen beim Heizen oder Kühlen von Luft sowie Erhitzen von Wasser, somit liegt die wahre Chance nicht nur in der Nutzung erneuerbarer Energien, sondern vor allem in einer effizienten Speicherung von Energie. Das billigste und am weitesten verbreitete Speichermedium ist Wasser. Hier bietet sich die Möglichkeit, die Energiespeicherung zu überdenken, da wir Wasser erhitzen (oder kaltes Wasser auffangen) und speichern können. Der erste Vorteil liegt darin, dass heißes Wasser das Risiko der bakteriellen Verseuchung mindert. In Spanien müssen Hotels ihr Wasser bei 90°C speichern, um so die Ausbreitung von E.coli-Bakterien zu bekämpfen, und es dann auf 38-40 Grad in Duschen und Bad abkühlen, wobei über 50 Prozent der enthaltenen Energie verloren gehen.

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Wenn wir das Prinzip „Nutze, was du hast“ in die Praxis umsetzen, wird Heißwasser zu einer der Hauptquellen für Elektrizität. Festkörper-Wärmetauscher benötigen nur 3 Grad Temperaturunterschied, um Strom zu erzeugen, ein Phänomen, das unter dem Namen der „Thermoelektrizität“ bekannt ist. Denken sie das nächste Mal beim Duschen doch einmal darüber nach, wie viel Energie beim Mischen von Kalt- und Warmwasser verloren geht. Denken Sie auch einmal an das Potenzial, wenn alle Wassertanks, die bereits gebaut wurden, zu Energiespeichern umgebaut würden und so eine passive Leistung in eine aktive Komponente umgewandelt würde, die eine neue Art intelligenten Netzes benötigt. Hier liegen so viele Chancen für Unternehmensgründer, dass sogar ein neuer Beruf entstehen könnte: der „Wasserelektriker“.

Bilder: StockXCHNG

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42. Strom aus dem Wasserhahn

Der Markt

Der Weltmarkt für Sanitär- und Kücheneinrichtungen wird für 2010 auf 15 Milliarden US-Dollar geschätzt. Diese durchdefinierte Produktlinie von Armaturen für Küche und Bad, Duschköpfen, Wasserhähnen, Mischbatterien und Schläuchen ist zu einem stark wachsenden Markt geworden. Die mechanischen Geräte finden sich in jeder Wohnung auf der Welt mit fließend Wasser. Da es in Asien immer mehr Verbraucher der Mittelklasse gibt und in Europa der Wohnkomfort weiter gesteigert wird, spiegelt dieses Marktsegment frühzeitig wirtschaftliches Wachstum. Das Wachstum in China hat starken Einfluss auf diesen Markt innerhalb der Wohn- und Geschäftsimmobilien.

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Weltweiter Marktführer ist die Grohe AG, ein deutscher Hersteller, der etwa 10% der Verkäufe auf der Welt kontrolliert. Die Beteiligungsfirma beschäftigt etwa 5000 Menschen in Fabriken auf drei Kontinenten. Diese Gruppe von Verbrauchsgütern benötigt für die Geräte fast eine halbe Million Kilogramm von verarbeitetem Kupfer und Messing (einer Mischung aus Kupfer, Zink sowie mitunter Nickel und Mangan), mit steigender Tendenz. Dies bedeutet einen Anteil von 11% des Weltmarkts und übertrifft die Nachfrage nach diesen nicht eisenhaltigen Metallen durch die Maschinenindustrie. Die Preise für die Rohstoffe, hauptsächlich Kupfer und Messing, haben sich in den letzten Jahren verdreifacht, was den Sektor zu Materialeffizienz und Ersatzmaterialien zwang, um im Preis wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies führte zu einem verstärkten Einsatz von Kunststoffen.

Während der Anstieg der Nachfrage nach Kupfer und Messing den Preis in die Höhe treibt, spielen diese Metalle eine zentrale Rolle bei der Eindämmung von Biofilm. Krankheitserreger wie MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) und Clostridium difficile, die durch Hautkontakt verbreitet werden können, sterben nach wenigen Stunden auf Kupfer- bzw. Messingoberflächen ab. Rostfreier Stahl oder Plastik können diesen Vorteil des Kontrollmechanismus nicht bieten. Daher liegt es auf der Hand, dass für Qualitäts- und Performance-bewusste Sanitär- und Kücheneinrichtungen weiterhin diese Schlüsselmaterialien eingesetzt werden. Glücklicherweise wird Messing großenteils recycelt und die meisten westlichen Hersteller nutzen fast 100 Prozent Altmetall.

Die Innovation

Die Fusion von Küchen- und Badinstallationen mit Elektronik ist einer der neuen Trends auf diesem Sektor. Infrarot-Sensoren, die ohne Berührung den Wasserfluss aktivieren und stoppen, haben alle erdenklichen Vorteile auf dem Gebiet der Hygiene und vermindern das Risiko der Ausbreitung schädlicher Bakterien, während sie gleichzeitig den Wasserverbrauch optimieren. Der Nachteil ist, dass ein traditionelles mechanisches Produkt mit einer Lebensdauer von über 40 Jahren nun öfter ersetzt werden muss und die Wartung teurer ist. Außerdem erhöht der zunehmende Einbau dieser Geräte in privaten und öffentlichen Gebäuden weiter den Stromverbrauch, wenn auch der individuelle Verbrauch pro Kontaktpunkt minimal scheint.

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Die Professoren Daniel Kwok und Larry Kostiuk an der Universität von Alberta in Edmonton (Kanada) haben beobachtet, wie manche Atome in festen Stoffen frei werden, wenn sie in Kontakt mit einer fließenden Flüssigkeit kommen. Dies setzt negative Elektronen frei und schafft positive Ionen. Einige verlassen den Feststoff, der nun geladen ist, und fließen mit der Flüssigkeit. Wenn der Feststoff nicht leitet, bleibt die Ladung an Ort und Stelle. Dies zieht gegensätzlich geladene Ionen an und stößt gleich geladene ab. So entsteht eine dünne geladene Schicht im Innern der Rohre. Die Professoren führten ihre Untersuchungen fort, indem sie Wasser durch winzige Kanäle von der Größe „elektrischer Doppelschichten“ leiteten, die nur einige Nanometer bis Mikrometer stark sind. Der Fluss führt zu Ladungen an beiden Seiten des Kanals und schafft so einige Volt Stromspannung zwischen den Enden.

Wenn auch die elektrische Energie, die durch einen einzigen Kanal generiert wird, extrem gering ist, können Millionen parallel laufender Kanäle genutzt werden, um den Output der Energie bis auf nutzbare Mengen zu erhöhen. Ebenso wie ein Wal tausend Liter Blut mit jedem Herzschlag pumpen kann, indem er in seinen Zellen 70 Millivolt elektrischen Strom generiert, könnten diese Erkenntnisse eines Tages größere Geräte mit Strom versorgen. Die Anwendung dieses Konzeptes zur Stromgewinnung in mikroelektronischen Geräten bietet die Möglichkeit, allen Strom für die Bedienung von Sanitär- und Kücheninstallationen direkt durch das durch Mikrokanäle fließende Wasser zu gewinnen.

Der erste Umsatz

Das Industrial Technology Research Center (ITRI) mit Sitz in Taiwan hat die Möglichkeiten erforscht, wie der Wasserfluss durch Rohre zur Energiegewinnung in kommerziellen Produkten genutzt werden kann. Ingenieure des ITRI haben kürzlich Prototypen von Bad- und Küchenwasserhähnen mit integrierten LEDs vorgeführt, die anzeigen, ob das Wasser kalt, lauwarm, heiß oder zu heiß für den Gebrauch ist.

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Der Strom für diese Temperatursensoren und LEDs wird durch den Fluss des Wassers generiert. Diese Lichtindikatoren bieten eine wichtige zusätzliche Sicherheitskomponente für die bereits vorhandene Mikroelektronik in Wasserhähnen und Installationen. So werden mehrere Vorteile aus einer verfügbaren Energiequelle (Wasserfluss) über die Rückgewinnung von Energie durch Generation von Elektrizität bis hin zu Fortschritten für Gesundheit und Sicherheit geschaffen. Dies ist charakteristisch für die Blue Economy.

Die Chance

ITRI hat eine Serie von weiteren praktischen Umsetzungen entwickelt, die kurz vor der Kommerzialisierung stehen. Wasserschläuche der Feuerwehr wurden mit den selben energieliefernden Turbinen sowie einer starken 50-Watt-LED ausgestattet, die den Wasserstrahl in der Luft beleuchten und so den Feuerwehrleuten ermöglichen, ihn direkt in die Flammen zu lenken. Ebenfalls im Rahmen der Feuersicherheit statteten die Ingenieure die Sprinkleranlagen in Gebäuden, die sich bei Feueralarm aktivieren, mit demselben Gerät aus. So kann das gesamte System neu überarbeitet und eine der größten Herausforderungen des Sicherheitsmanagements überwunden werden. Bei Aktivierung der Sprühanlage wird der Fluchtweg mit Hilfe der durch den Wasserfluss gewonnenen Energie hell beleuchtet. Da die Energie für die Geräte durch das Wasser selbst generiert wird und die Lampen hocheffiziente LEDs sind, kann dieses System ein Teil der Verkabelung einsparen und ebenso zusätzliche Stromkreise mit separater Stromversorgung einschließlich wasserdichter Batterien überflüssig machen.

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Zusätzlich zu diesen Anwendungen in größeren Geräten, die die Performance der Bauindustrie verbessern, ohne die elektrischen Ressourcen weiter zu belasten, könnten diese Geräte eines Tages auch MEMS (Mikroelektro-mechanischen Systemen) Strom liefern. Diese kleinen elektrischen Geräte werden in Tintenstrahldruckern, Airbags, Drucksensoren und optischen Schaltanlagen genutzt. Indem die innovativen Erkenntnisse der Professoren Kwok und Kostiuk ihren Weg vom Labor zur Industrie finden und ITRI die kommerziellen Strategien in Richtung der Kleingeräte ausbaut, wird diese neuartige Energiequelle, die auf den Kräften von Gravitation und Druck basiert sicherstellen, dass künftige Innovationen lokal mit Strom versorgt werden können. Es scheint, dass sich hier eine breite Plattform für das Unternehmertum findet.

Bilder: StockXCHNG

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41. Strom aus dem Meer

Der Markt

Über die nächsten zwei Jahrzehnte werden schätzungsweise 190 Milliarden US-Dollar in Technologien für neue Energieträger investiert, die auf Gezeiten, Strömungen und Wellen basieren. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass Gezeitenkraft 200 Terawatt pro Jahr generieren könnte und Wellenkraft sogar 8000 Terawatt. Insgesamt könnten so schätzungsweise 80 000 Terawatt Strom gewonnen werden. Innerhalb eines Jahrzehnts könnten die Vereinigten Staaten 10 Gigawatt aus Wellenkraft und drei Gigawatt aus Gezeitenkraft produzieren. Das zu gewinnende Potential in den USA könnte 6 Prozent von deren Strombedarf decken. Die meisten Technologien zur Gewinnung von Energie aus Ozeanen werden jedoch in Europa entwickelt und von Politiken zum Emissionsrechtehandel unterstützt, die alle erneuerbaren Energien zu einem aufstrebenden Sektor machen.

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Die Regionen mit dem größten Potential für Wellenkraft sind unter anderem Alaska, die Nordsee, Nordost-Kanada, das östliche Kap von Südafrika, Südbrasilien und Argentinien, Japan, Indonesien und Südaustralien. Die Regionen mit einem großen Potential für die Nutzung von Gezeitenkraft schließen die Beringstraße, den Nordosten Brasiliens, die Großen Seen von Nordamerika, die Nordkaps von Norwegen bis Russland, die Koreanische Halbinsel bis zum Chinesischen Meer, Nordwestaustralien und Neuseeland ein. Das einzige Land das erfolgreich ein Gezeitenkraftwerk betreibt, ist Frankreich. Die La Rance-Anlage in der Bretagne generiert pro Jahr 240 MW Strom seit ihrer Erbauung im Jahr 1966. Das Vereinigte Königreich ist Pionier auf dem Gebiet der Wellenenergie mit dem European Marine Energy Center (EMEC). Die USA starteten auf Hawai’i eine weitere Form der Energiegewinnung aus dem Meer: die Nutzung von Temperaturunterschieden, auch bekannt unter dem Namen Ocean Thermal Energy Conversion (OTEC).

Eine breite Palette von Firmen hat sich der Entwicklung und dem Bau von Anlagen gewidmet, die die großen Herausforderungen auf dem Gebiet von Umwelt und Klima bei der Energiegewinnung angehen. Ocean Power Delivery (Schottland) hat sich mit Vattenfall (Schweden), Enersis (Portugal) und E.On (Deutschland) zusammengeschlossen. Theoretisch könnten die verschiedenen Anlagen 40 MW Strom pro Küstenkilometer bei leichtem Wellengang (1 Meter) gewinnen und 1000 MW pro Kilometer, wenn die Wellen 5 Meter hoch sind.

Die Innovation

Wasser ist eine Flüssigkeit, daher enthalten Wellen und Strömungen ungefähr 1000 Mal mehr kinetische Energie als Wind. Dies ermöglicht es, in kleineren Anlagen mehr Strom zu produzieren. Zusätzlich gibt es rund um die Uhr Wellen. Die Innovationen auf dem Gebiet der Mechanik und Wartungen einerseits und die Verminderung von negativen Umwelteinflüssen andererseits stellen für Ingenieure eine Herausforderung dar, da Wellen und Strömungen große Kräfte bei niedriger Geschwindigkeit haben. Die Gewinnung von Elektrizität erfordert hohe Geschwindigkeiten. Ein weiterer erschwerender Faktor für die Ingenieure sind die rauen Wetterbedingungen. Jedes schwimmende oder unter Wasser angebrachte und mit Kabeln und Ketten am Meeresgrund befestigte Gerät muss den Kräften der Stürme und sogar Tsunamis standhalten.

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Tim Finnigan, ein außerplanmäßiger Professor an der Universität von Sydney mit einem Titel in Umwelt-Strömungsdynamik, hat beobachtet, wie sich Riesentang im Rhythmus von Strömungen und Wellen fortbewegt. Er erkannte, dass Riesentang (Laminaria spp) um einen halben Meter pro Tag auf eine Länge von bis zu 80 Metern wächst. Noch besser: der Tang bewegt sich mit der Strömung, die reichhaltige Nährstoffe bietet. Bei Stürmen oder Tsunamis bleiben diese riesigen Unterwasserwälder einfach flach am Meeresboden liegen. Prof. Finnigan untersuchte die Fließdynamik der Bewegungen des Tangs und wandelte diese in mathematische Modelle um, die als Muster für einen Stromgenerator dienten. Sein Ansatz überwindet die Herausforderungen hinsichtlich sowohl Geschwindigkeit als auch Verankerung. Seine Entwicklung basiert auf der Geometrie von bewährten Systemen der Natur. Dies ist eins der Kernprinzipien der Blue Economy.

Überdies schwimmen seine patentierten bioWave-Generatoren im Ökosystem des Ozeans wie Tang. Seine Apparaturen besitzen keine beweglichen Teile wie Schrauben oder Wasserräder; ebenso wenig schaffen sie Hindernisse, die den Fluss von Nährstoffen hemmen und verschlammen, und stellen daher keine bekannte Gefahr für das Leben im Meer dar. Das wichtigste Detail ist vielleicht, dass bioWave sich im Fluss der Strömungen und Wellen bewegt. Anstatt die Mechanik gegen übermäßige Kräfte durch unvermeidbare Stürme zu befestigen, konnte Prof. Finnigan das beste Sicherungssystem übernehmen: Wenn ein Tsunami im Gebiet entsteht, bleibt bioWave wie der Farn flach am Grund liegen. Obwohl Wellen und Meeresströmungen als Energiequelle lange Zeit als unwirtschaftlich aufgrund der widrigen Witterungsumstände galten, hat Prof. Finnigan Feldforschungen angesetzt und von der Intelligenz der größten Algenarten im Ozean gelernt.

Der erste Umsatz

Prof. Finnigan gründete daraufhin in Sydney die Firma BioPower und ergänzte seine Einsichten über die Bewegungen von Farnen durch Beobachtungen des geometrischen Modells, wie Haie, Thunfische und Makrelen sich fortbewegen. Dies ergab eine Palette von Patenten, die unter dem Namen BioWave und BioStream patentiert wurden. Es werden bereits Projekte in Australien, Spanien und den USA entwickelt, die diesen Ansatz der Energiegewinnung aus Wellen und Strömungen zu einem marktwirtschaftlich höchst bedeutsamen Durchbruch machen. Da es sich um ein Modulsystem handelt, ermöglicht es Einheiten von 250, 500 und 1000 MW, die wie ein Park unsichtbar in Küstennähe installiert werden, ohne das Leben im unterseeischen Ökosystem durch übermäßige Verankerungen zu belasten.

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Die Chance

Die Marktentwicklung hat gerade erst begonnen. Das Interesse an Investitionen in Hochseeanlagen ist groß und im Vergleich zur Komplexität von Windparks bietet BioPower Einfachheit und Sicherheit. Die naheliegendste kommerzielle Umsetzung liegt darin, kleine Inselgemeinden energietechnisch autark zu machen, indem bioWave-Installationen im Meer vor dem zu versorgenden Ort stationiert werden. Die Energiequelle ist so sicher wie die Umlaufbahn des Mondes und die Schwerkraft und kann daher auch zur Grundstromversorgung dienen. Die Energieversorgung durch bioWave und bioStream ist so gewiss, dass ein Park aus einem Dutzend Anlagen 10 000 Bewohner unabhängig vom Stromnetz macht, und sie bräuchten nicht einmal mehr Lichtschalter. Die Versorgung mit Energie könnte sich so von Knappheit zum Überfluss entwickeln und dabei umweltschädliche Dieselgeneratoren ersetzen durch einen unsichtbaren, geruchlosen und kontinuierlichen Fluss.

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Bilder: StockXCHNG

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39. Wasser aus der Luft

Der Markt

Der Weltmarkt für die Trinkwasserproduktion wurde 2007 auf 400 Milliarden US-Dollar geschätzt und steigt erwartungsgemäß bis auf 533 Milliarden Dollar im Jahr 2013. Weiterhin wird vorhergesagt, dass der Weltmarkt für ultraviolette Desinfektion und Ozonisierung von Trinkwasser im gleichen Zeitraum um 4,6 auf 10 Milliarden US-Dollar steigen wird. Jedoch beschränken sich die Kosten für die Gesellschaft nicht auf die Produktion und Aufbereitung von Trinkwasser; es wird auch die Infrastruktur für die Wassersammlung und –verteilung benötigt. In den Vereinigten Staaten sind 700 000 Meilen (1,12 Millionen km) Wasserleitungen verlegt, die vierfache Länge aller nationaler Highways. Die Kosten für Ausweitung und Verbesserungen werden auf 250 Milliarden für das nächste Jahrzehnt geschätzt. Die USA sind nicht allein; die chinesische Regierung hat ein Budget von 128 Milliarden Dollar für die Wasserverteilung angekündigt, vor allem für städtische Gebiete.

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Der weltweite Verbrauch von Trinkwasser ist im letzten Jahrhundert um ein Sechsfaches gestiegen. Die Wasserproduktion konnte mit dieser Entwicklung kaum mithalten, was zur beunruhigenden Statistik geführt hat, dass 1,2 Milliarden Menschen auf der Welt keinen Zugang zu Trinkwasser haben und 2,4 Milliarden keine geeigneten sanitären Anlagen. Weiterhin ist die Wasserversorgung beeinträchtigt durch die Tatsache, dass Wasser und Boden zunehmend verschmutzt sind. Unsere Produktionssysteme, vor allem die der Landwirtschaft, verbrauchen große Mengen an Wasser. Für einen Hamburger sind 2400 Liter Wasser nötig (ein Kilo Rindfleisch benötigt 15 Kubikmeter Wasser), ein Paar Schuhe verbraucht 8000 Liter Wasser und ein T-Shirt aus Baumwolle „schluckt“ 4000 Liter Wasser.

Zwar sind 70 Prozent der Erde mit Wasser bedeckt, doch nur 2,5% hiervon sind Süßwasser, hauptsächlich allerdings in Gletschern und Polkappen. Eine der am wenigsten genutzten Ressourcen sind die 12 900 Kubikkilometer Wasser, die als Dampf in der Atmosphäre schweben. Ein Kubikkilometer Wolken kann bis zu 3000 Kubikmeter Wasser enthalten. Diese weit verbreitete Wasserquelle, die über 70 Prozent der Landmasse verfügbar ist, stellt eine der einzigartigen Möglichkeiten dar, mit dem rasant wachsenden Bedarf Schritt zu halten.

Die Innovation

Der Kreislauf von Verdunstung, Kondensation und Niederschlag ist als Wasserkreislauf bekannt. Dieses natürliche System ist hinreichend beschrieben und erforscht worden. Mehrere Erfinder haben sich darauf konzentriert, über die Kontrolle des Taupunktes Dampf einzufangen. Gegenwärtig nutzen Wasser-aus-Luft-Apparaturen Kühltechniken, um Dampf aus der Luft zu kondensieren. Dieses System funktioniert bei normalen Außentemperaturen zwischen 21 und 32 Grad und einer Luftfeuchtigkeit zwischen 40 und 100 Prozent. Die Technologie wurde von den Atmospheric Water Technologies (USA) für die Katgara-Gruppe in Indien lizenziert, die weltweit das erste System aufgebaut haben, das eine durchgängige Versorgung mit Trinkwasser für 350 Dorfbewohner in Jalimundi, einer kleinen Siedlung nahe Rajahmundry (im Osten von Godavari) sichert. Die größte Herausforderung liegt jedoch in den Energiekosten für die Kühlung. Die meisten Orte ohne Wasserversorgung haben auch keinen Strom, und der große Bedarf an Strom macht dieses System für die Speisung mit Solarenergie ungeeignet.

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Curt Hallberg, der Marinesoldat, der später Wasseringenieur wurde und die WATRECO in Malmö (Schweden) gegründet hat, erkannte zusammen mit seinen Kollegen, dass eine der Hauptanwendungen der Wirbeltechnologie (Siehe Beispiel 1) die Produktion sauberen Wassers ist. Während er bereits an Filtersystemen arbeitete, die Verunreinigungen aus dem Wasser lösen und anschließend durch eine Düse absaugen und sauberes Wasser liefern, war er sich schon bewusst, dass die Herausforderung nicht nur in der Reinigung, sondern vor allem in der Produktion von Wasser liegt. Wasser-aus-Luft-Systeme hängen von der Temperatursenkung als Mittel der Taupunktkontrolle ab. Er sah eine Möglichkeit, das andere physikalische Schlüsselprinzip zu nutzen: die Erhöhung des Drucks. Wenn Luft in ein Rohr eingesaugt wird und einen Wirbel bildet, steigt der Druck. Durch die Wirbelbewegung wird Wasser aus der Luft „gedrückt“. Um feuchte Luft in den Verwirbler einzusaugen, benötigt man nur einen Bruchteil der Energie, die die Kühlaggregate verbrauchen.

Erster Umsatz

Curt hat bereits erfolgreich bewiesen, dass er kraft der Wirbelbewegung Luft aus Wasser entfernen sowie Luft in Wasser bis hin zur kritischen Sättigung hineindrücken kann. Seine Erkenntnisse haben bereits eine Palette von einem Dutzend möglicher Anwendungen geschaffen, von denen drei bereits vermarktet werden. Dies sind Eisherstellung, Entzunderung und Verbesserung von Bewässerung. Nun nutzt er die selbe Logik, doch anstatt den Luftgehalt des Wassers zu ändern, ändert er den Wassergehalt der Luft. Im Großen und Ganzen werden die selben Prinzipien genutzt und anstatt Wasser mit hohem Energieaufwand zu gewinnen, benötigt er sehr wenig Energie für die Wasserproduktion. Es wird geschätzt, dass der Motor eines Staubsaugers ausreicht, die Wassergewinnungsanlage anzutreiben, und dieser mit einigen kleinen Solarzellen ausgestattet werden kann. Dies wäre bei Kühlungssystemen nicht möglich.

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Die Chance

Die Logik, die Curt angewendet hat, unterscheidet sich kaum von den bahnbrechenden Ideen, die James Dyson umgesetzt hat, als er die Leistung von Staubsaugern erhöht hat. Dyson erreichte eine um 45 Prozent verbesserte Saugkraft, indem er kleinere Wirbelkammern und Rohre mit kleinerem Durchmesser eingesetzt hat, die somit größere Zentrifugalkräfte entwickeln. Der Verteilventilator erhöht den Luftzug um ein 16-faches. Die Kombination bereits bestehender Technologien aus Schweden und dem Vereinigten Königreich bringen eine kostengünstige und dauerhafte Lösung für die Wasserproduktion aus der Luft hervor, und dies beim Einsatz eines Bruchteils der Energie, die für den Marktstandard nötig gewesen wäre.

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Diese Innovation könnte eine weit verteilte Wasserproduktion in ähnlicher Weise wie die dezentrale Energiegewinnung ermöglichen. Da zudem Wasserknappheit und eine unzureichende Stromversorgung fast immer gleichzeitig vorliegen, könnte die Lösung eines Problems zur Lösung des anderen führen: Lösungen, die aufeinander aufbauen und gebündelt werden können zu Innovationen, die lokal vorhandene Ressourcen nutzen. Luftfeuchtigkeit als Trinkwasserquelle wurde bisher als lokale Ressource nicht in Betracht gezogen. Daher kann diese Technologie als Beispiel für die Blue Economy gelten.

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18. Sauberes Wasser ohne Abwasserkanäle

Der Markt

Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit nur 14 Prozent allen Abwassers aufbereitet werden, dabei in Lateinamerika und Afrika weniger als 2 Prozent. Wenn man davon ausgeht, dass die weltweite Nachfrage nach Produkten zur Wasseraufbereitung bis 2013 auf 59 Milliarden US-Dollar steigen wird, liegt hier ein beeindruckendes Potenzial von 420 Milliarden Dollar. Im Jahr 2015 werden etwa 16 Prozent der Weltbevölkerung vom privaten Sektor versorgt werden. Die Verstädterung treibt die Nachfrage nach Kläranlagen und -diensten weiter an: Sie steigt um jährlich 10-12 Prozent in Indien und sogar 17 Prozent in China.

Die Weltbevölkerung wird von aktuell 7 Milliarden bis auf etwa 10 Milliarden im Jahr 2035 ansteigen. Die Hälfte aller Erdenbürger wohnt in Städten. Konkret bedeutet dies, dass wir während der nächsten 25 Jahre jeden Tag eine neue Stadt für
300 000 Bewohner bauen müssten. Dies setzt die Trinkwasserversorgung enorm unter Druck und zwingt auch zu massiven Investitionen auf dem Sektor der Wasseraufbereitung. Trotzdem neigen die Regierungen dazu, in die Frischwasserressourcen zu investieren, die fünfmal mehr Subventionen erhalten als die Aufbereitung. Dieses Ungleichgewicht erklärt, warum jährlich 2 Millionen Menschen an vermeidbaren Erkrankungen durch ungeklärte Abwässer sterben.

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Studien der Weltbank zeigten zu ihrer eigenen Überraschung, dass die Fäkalverseuchung schlimmer wird, je reicher die Länder (und je älter ihre Kläranlagen) werden. Die Kläranlagen der meisten Städte verfallen und müssen repariert oder erneuert werden. Etwa 30 Prozent allen Abwassers in Schweden kommt gar nicht erst bei den Aufbereitungsanlagen an und verseucht das Grundwasser mit Viren und Chemikalien. In Deutschland müssen ca. 17 Prozent der Abwasserkanalisation, entsprechend 76000 Kilometern, runderneuert werden.

Kanada hat berechnet, dass in den nächsten Jahren für Abwasser- und Aufbereitungsanlagen zusätzliche 80 Milliarden Dollar an Investitionen nötig sind, allein um den wachsenden Bedarf zu decken, etwa 12 Millionen Bürger an die Abwasserkanalisation anzuschließen und kaputte Installationen zu ersetzen. Kanada benötigt 27000 Kilometer neue Kanalisation zu einem Preis von 300 Dollar pro Meter, um die noch nicht angebundenen Ortschaften zu erreichen. Die Kosten für die Installation von Klär- und Aufbereitungsanlagen in Städten und Stadtrandgebieten liegen bei nur 1000 Dollar pro Bürger in der Dritten Welt und 8000 Dollar in den Industrienationen. Bei den derzeitigen Defiziten der Regierungen ist es unwahrscheinlich, dass die Politiker über ein Budget für die öffentliche Gesundheit verfügen.

Die Innovation

Strenge Gesundheitsvorkehrungen und knappe Ressourcen der Regierungen treiben die Innovationen in Richtung von Investitionen, die niedrige Betriebskosten versprechen. Daher werden zunehmend nicht-chemische Lösungen anvisiert. Diese stellen bereits 60 Prozent aller Investitions- und Betriebskosten in Aufbereitungsanlagen. Hierunter fallen die Desinfektion durch UV-Strahlung, Membranfiltrierung und Ozonisierung. Da jedoch immer mehr Wasser recycelt wird, kommen Chemikalien wieder verstärkt zum Einsatz, denn recyceltes Wasser ist anfälliger für Bakterienverseuchung als Frischwasser. Die billigste chemische Option ist Chlor, doch die Anlagenbauer suchen weiter nach weniger giftigen Alternativen.

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Bertil Eriksson aus Örnsköldsvik (Schweden) hat die Zirkulation von Wasser und Luft in Gebäuden untersucht und ein einfaches Rohrnetz geschaffen, das durch Ventile kontrolliert wird und die Aufbereitung aller Abwässer in Gebäuden ohne Notwendigkeit von Klärtanks gestattet. Dieses umfassende System klärt alle Abwässer aus Küche, Dusche und Toiletten durch eine Kombination aus Lüftung, Wärmerückgewinnung, Wasserreinigung und Entwässerung. Ziel ist die Vermeidung der Verunreinigung bei gleichzeitiger Reduktion der Ausgaben für die Gemeinde und Schutz der Umwelt, insbesondere des Grundwassers. Diese Anlagenkombination ist durch eine Serie von Patenten geschützt, die das Rückgrat der „SplitBox“-Technologie bilden.

Die einfache Anlage für ein Einfamilienhaus kostet etwa 25000 Dollar und bietet, wie alle natürlichen Systeme, mehrere Vorteile. Erstens kommt es mit weniger Rohren, Rohrlegern und Klempnern aus, was Kosten beim Bau spart. Zweitens gewinnt die SplitBox Energie aus Trocknung, warmem Abwasser und Lüftung zurück. Drittens funktionieren die Entwässerungsleitungen im Boden gleichzeitig als Lüftungen, die überschüssige Feuchtigkeit (z.B. im Badezimmer) ableiten. Viertens werden Fäkalien und Papier in einem speziellen Trocknungssystem zusammen mit organischen Küchenabfällen entsorgt. Schließlich werden Nährstoffe, vor allem Kalium aus dem Urin, durch einen kombinierten Ausfällungs- und Absorptionsprozess entzogen und das Abwasser oxidiert, so dass nur reines Wasser übrigbleibt. Die trockenen, bakterien- und virenfreien Rückstände können als Dünger weiterverkauft werden. All dies schafft eine Anlage von einer Größe von 2x1x2 Metern.

Erster Umsatz

Eriksson und sein Team fuhren fort, die Wirtschaftlichkeit dieser integrierten Wasser-, Feuchtigkeits-, Energie- und Gesundheitsanlage in Einfamilienhäusern im Norden Schwedens zu beweisen. Er gründete die Firma SplitVision AB, um seine Erfindung zu kommerzialisieren. Schon bald bekam er Bestellungen für Wohnblöcke, für die er die ursprünglichen Anlagen zu Modulsystemen umbaute, die je nach den Bedürfnissen des Betreibers angepasst werden können. Die größte Anlage arbeitet mit dem gesamten Abwasser von 42 Haushalten.

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Die Chance

Während die Ersparnisse in infrastrukturellen Kosten gleichauf liegen mit den Investitionskosten für die Aufbereitungsanlage, die die Ventile durch ein simples Netzwerk von Sensoren steuert, liegen die wahren Ersparnisse in der Elimination der Klärtanks, der Abwasserkanalisation und der Klärwerke. So werden Kosten nicht nur für den Einzelhaushalt, sondern auch für die Gemeinde gespart und werden Wartung und Chemikalien eingespart. Die Kommunalverwaltungen müssten nicht weitere Kredite aufnehmen, Steuern anheben und eine der unangenehmsten Aufgaben fiele weg: den Müll anderer Leute zu entsorgen. Eine Hochrechnung hat gezeigt, dass in Timphu, der Hauptstadt Bhutans, 140 Millionen Dollar an Investitionen eingespart werden könnten, wenn dort alle Häuser, Wohnungen und Bürogebäude mit dieser Technik ausgestattet würden.

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Menschliche Behausungen sind nicht die einzigen, die mit einem Übermaß an Abfällen zu kämpfen haben. Auf Rinder- und Schweinefarmen gibt es dasselbe Problem, oft sogar in gravierenderem Ausmaß. Das Team von SplitVision AB hat sein Wissen bereits auf die Aufbereitung von Stallmist angewendet und eine einfache SplitBox-Agri entwickelt, die in einen 40-Fuß-Container passt und die großen Außentanks ersetzt, die eine größere Quelle für Luftverschmutzung darstellen. Das System vermindert die Transportkosten um 90 Prozent, verhindert das Risiko von Grundwasserverseuchung und produziert zum einen gutes Sprengwasser und einen Trockendünger, der sich sogar weiterverkaufen lässt. Die SplitBox ist Ausgangspunkt für ein neuartiges Geschäftsmodell, das massive Investitionen sowie unangenehme Arbeitsplätze unnötig macht, während es Kapital freisetzt, das für dringendere Bedürfnisse sowie angenehmere Arbeiten eingesetzt werden kann.

Bilder: StockXCHNG

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15. Solare Wasser-Heizungen für 25 Jahre

Der Markt

Nach Lester Brown, dem Gründer des Earth Policy Institute, werden weltweit im kommenden Jahrzehnt fast 1,2 Milliarden Quadratmeter Sonnenkollektoren für Heizung und Warmwasserbereitung installiert sein. Wenn noch weitere Entwicklungsländer diese Technik ähnlich wie China adoptieren, dann könnte die Zahl bis 2020 weltweit bis auf 1.5 Milliarden Quadratmeter steigen, was der Leistung von 690 Kohlekraftwerden entspricht. Zusammengerechnet liegen die Kapitalinvestitionen bei 300 Milliarden US-Dollar, etwa die Hälfte der Summe, wenn Kraftwerke bei den Investitionen bevorzugt worden wären. China hat 27 Millionen Solar-Warmwasserbereiter auf Dächern installiert. Mit fast 4000 lokalen Firmen, die die Geräte herstellen, durchdringen die Wassererhitzer schnell den Markt. Das Worldwatch Institute stellt fest, dass 2 Millionen Deutsche in Häusern mit Solaranlagen zur Warmwasserbereitung auf dem Dach leben.

1980 setzte die Knesset (das israelische Parlament) ein Gesetz in Kraft, das die Installation von solarbetriebenen Warmwasserbereitern auf allen neuen Wohnhäusern vorschreibt. Folgerichtig ist Israel weltweit führend bei der Nutzung von Solar-Warmwasseranlagen pro Kopf der Bevölkerung mit einem nationalen Marktanteil von 85 Prozent, was für das Land eine Einsparung von 2 Millionen Barrel Öl bedeutet. Spanien und Portugal ordneten kürzlich an, dass alle Neubauten ihr Warmwasser durch Solaranlagen auf dem Dach bereiten müssen. Es überrascht, dass erst Gesetze erlassen werden müssen, die den Gebrauch solcher Systeme erzwingen. Bei jährlichen Betriebs- und Amortisierungskosten von nur 50 Dollar, weniger als 15 Cent pro Tag, sind sie über ihre Lebensdauer hinweg um ein Zehnfaches billiger als die zweitgünstigste Alternative auf dem Markt.

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Die Solarsysteme übertreffen elektrische Durchlauferhitzer in Duschköpfen, obwohl diese nur 25 Dollar pro Stück kosten. Das Heizelement im Duschkopf verbraucht zwischen 2500 und 5000 Watt Strom. Auch wenn diese Wassererhitzer keinen Tank haben und über den Tag wenig Energie benötigen, verbrauchen sie bei Benutzung sehr viel Strom. Es ist wie eine Dusche mit einem Feuerwehrschlauch. Wer einen Verbrauchszähler beobachtet, wird feststellen, dass er in drei Monaten das bezahlt, was Solar-Warmwasseranlagen an Investitions- und Betriebskosten in einem Jahr verursachen.

Die Innovation

Paolo Lugari und seine Kollegen des Umweltforschungszentrums Las Gaviotas mit Sitz in Bogotá, Kolumbien, bekamen von Dr. Mario Calderón Rivera, dem Präsidenten der Hypotheken-Zentralbank (Banco Central Hipotecario), den Auftrag, einen Warmwasserbereiter zu entwickeln, der auf einer Höhe von 3000 Metern über dem Meeresspiegel bei jährlich 200 Tagen bedecktem Himmel funktioniert. Sogar die israelischen Experten, die erfolgreich in den 1970er-Jahren eine Industrie für Solar-Warmwasseranlagen aufgebaut hatten, rieten unter diesen klimatologischen Voraussetzungen zu elektrischen Wassererhitzern. Paolo und sein Team beschlossen jedoch, die Bauweise zu überarbeiten und setzten auf das Thermosiphon, wobei sie alle beweglichen Teile wegließen und lichtempfindliche Materialien einsetzten. Sie nahmen sich vor, ein Gerät zu konstruieren, das nur aus vor Ort verfügbaren Komponenten bestehen sollte.

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Obwohl die Bankdirektion sich einig war, den Wassererhitzer auf Lichtbasis, der mit einfachem Licht statt direkten Sonnenstrahlen angetrieben wird, anzunehmen, zögerten die Finanzexperten, diese Innovation zu unterstützen. Wer würde das Risiko tragen, wenn es nicht funktioniert? Paolo und sein Team prüften alle Eventualitäten, stellten Materialforschungen an und entschieden sich wieder einmal für die simple Bauweise auf der Basis von Schwerkraft und Wärmekonvektion. Paolo Lugari beschloss, eine bedingungslose Garantie über 25 Jahre an die Hausbesitzer zu gewähren, unter der einzigen Voraussetzung, dass sie einmal pro Jahr die Außenhaut des Heizelements reinigen sowie die Isolierung des Wassertanks instandhalten. 30 Jahre später kann Las Gaviotas mit über 40 000 installierten Geräten in Kolumbien beweisen, dass ihr Versprechen, jedes kaputte Teil zu ersetzen, nicht zu riskant oder zu teuer war, sondern vielmehr neue Standards in der Unternehmenswelt setzte.

Erster Umsatz

Las Gaviotas hat sich auf dem Markt bewährt auf der Grundlage einer detaillierten Kostenanalyse für den Hauseigentümer, die durch die Hypothekenbank gestellt wurde. Wenn die monatliche Energierechnung über die Dauer der 25 Jahre Hypothek reduziert werden könnte, dann kann der neue Hauseigentümer die monatlichen Fixkosten senken und die monatlichen Raten senken, was für ihn mehr Kaufkraft für tägliche Ausgaben bedeutet. Die Kooperation mit den Hypothekenbanken und Behörden für sozialen Wohnungsbau in Bogotá und Medellín schafften die Voraussetzungen für eine Industrie, die profitabel war und gleichzeitig eine fundamentale Leistung zu einem sehr niedrigem Preis erbrachte.

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Die Chance

Da Las Gaviotas nun allen Zweifeln der Versicherungen zum Trotz bewiesen hat, dass ihr Gerät die strengsten Standards einhalten kann, die es jemals auf dem Markt gab, ist die ganze Welt daran interessiert, diese Bauweise zu übernehmen. Gaviotas heißt jede Verbesserung an den bisher entwickelten Modellen willkommen. Da jedoch bereits alle Steuerungsmechanismen und elektrischen Pumpen eliminiert sind, können Durchbrüche in den nächsten Jahren nur auf dem Gebiet der Materialauswahl erwartet werden und nicht in grundlegenden Änderungen der Bauweise oder Form. Las Gaviotas nutzte die gemachten Erfahrungen und fuhr fort, Wasserreinigungssysteme zu entwickeln sowie große Wasserbeheizungssysteme für Krankenhäuser (1100 Betten), halbindustrielle Solarkocher und sogar Geräte zur Sterilisation.

Da eine internationale Versicherung die 25-jährige Garantie übernimmt, können höhere Investitionskosten während dieses Vierteljahrhunderts sich amortisieren. Da Ersatzteile immer vorhanden sind, ist jede Reparatur einfach. Die Tatsache, dass schon 15 Minuten nach Tagesanbruch das Wasser heiß ist, hat jeden davon überzeugt, dass Licht eine effiziente Energiequelle für jeden Teil der Welt ist, der mit Regenzeiten und langen Perioden unter bedecktem Himmel zu kämpfen hat.

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Indonesien war das erste Land, das Interesse zeigte, die Solarwassererhitzer unter Lizenz zu nehmen. Diese Bauart ermutigte die Industriepartner von Kalimantan, das Geschäftsmodell von Las Gaviotas zu übernehmen. Las Gaviotas bietet ein Paket an, das einen vollständig computergestützten Bauplan, eine Operationseinheit sowie ein zerlegtes Modell einschließt, um regionale Industrieentwicklung zu fördern und gleichzeitig die Kosten für die Verbraucher zu senken. Die Bereitschaft, eine Kopie für regionale Produktion zu liefern, die auf drei Jahrzehnten ständiger Verbesserungen basiert, stellt für die Dritte Welt ein geschäftsfähiges Entwicklungsmodell dar.

Diese Systeme sind für die tropischen Zonen geeignet und benötigen einige einfache Anpassungen, um auch in kalten Regionen reibungslos zu funktionieren. Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass Las Gaviotas keine Dividenden an Aktionäre zahlt; stattdessen fließen die Erträge in die Entwicklung zahlreicher weiterer Innovationen wie die Regeneration des Regenwaldes in La Vichada, die in der Blue Economy ein herausragendes Beispiel für nachhaltige Entwicklung darstellt, das in weiteren Ausführungen und Kapiteln noch eingehender behandelt wird.

Fotos: Paolo Lugari, Irene Reinhold, StockXCHNG
https://www.flickr.com/photos/jasonpratt/3686284666

1. Wirbel: Die Macht der Schwerkraft

Dieser Artikel stellt den aktuellen Stand der Technologien aus Wasserwirbeln vor. Dies ist eine von vielen Innovationen im Rahmen der Blue Economy und Teil einer breit angelegten Bewegung um Mensch, Wirtschaft und Natur positiv in Einklang zu bringen.

von Markus Haastert, Anne Kathrin Kuhlemann, Malte Plewa

Hintergrund: Was sind Wasserwirbel und wie funktionieren sie?

Die meisten Flüsse (zumindest die außerhalb von Industriegebieten) sind doch erstaunlich sauber, ohne dass irgendjemand sie durch eine Filter laufen lässt. Sogar innerhalb von Großstädten wie Berlin ist es möglich, wenn auch nicht unbedingt empfehlenswert, in Flüssen zu baden. Wie kann das eigentlich sein?

Das Wasser reinigt sich selbst, und zwar unter Einsatz von Strömungen und Wirbeln. Wenn Wasser zum Beispiel in den Abfluss läuft, kann man gut beobachten, wie solche Wirbel entstehen. Mit ihrer Hilfe schaffen es übrigens auch Fische mitten in einem schnell fließenden Fluss an einem Ort zu bleiben. Wasser fließt in ihr Maul und tritt wirbelförmig aus den Kiemen wieder aus, was ihnen die nötige Stabilität verschafft.

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Wirbel reinigen Wasser, da ihre Drehgeschwindigkeit am unteren Ende höher ist als oben. Dadurch werden Partikel heruntergezogen und können durch ein Vakuum am Ende des Wirbels herausgesaugt werden. Außerdem wird das Wasser in einen chaotischen Zustand versetzt. Die ständige Strudelbewegung presst Luft aus dem Wasser und wieder hinein, so dass Mikroorganismen absterben oder stimuliert werden.

Vor einigen Jahren sind einige Wissenschaftler auf die Idee gekommen, solche Wirbel nachzubilden um das natürliche Potential des Wasser auszunutzen.

Basierend auf den Ideen von Viktor Schauberger, der die Meinung vertrat, dass die Natur eigentlich alle Lösungen für von Menschen gemachte Probleme bereithält, und Formeln aufgestellt hat, mit denen man das auch berechnen kann, hat eine Gruppe schwedischer Wissenschaftler um Curt Hallberg eine Art wirbelförmiges Rohr entwickelt, dass die natürliche Bewegung von Wasser imitieren soll.

Nicht zu verwechseln ist diese Technologie mit esoterisch beworbenen Geräten, die im Internet versprechen das Wasser zu „harmonisieren“, „energetisieren“ oder es in einen „jungfräulichen Zustand“ zurückzubringen. Einige aktuelle Beispiele verdeutlichen, was für ein Potential die physikalische Nutzung von Wasserwirbeln tatsächlich hat.

Innovation: von Schlittschuhbahnen zur Energieversorgung

Wasserwirbel haben erstaunliche Eigenschaften – sie können, je nach Methode, dem Wasser Sauerstoff entweder entziehen oder hinzufügen und Partikel aus dem Wasser herausfiltern.

Die ersten Wirbelmaschinen der schwedischen Firma Watreco wurden im Jahr 2004 manuell hergestellt. Sie wurden allerdings nicht zur Wasserreinigung verwendet, sondern in einem komplett anderem Bereich eingesetzt – auf Eislaufbahnen. Da die Wirbel, ähnlich wie sie Schmutz aus dem Wasser pumpen, auch Luftbläschen entfernen können, konnte kristallklares Eis mit höherer Dichte hergestellt werden. Für gewöhnlich ist in Wasser gelöste Luft enthalten, in Mikrometer kleinen Bläschen. Luft ist eine natürliche Dämmung. Wirbel entfernen diese Luft, so dass das Wasser schneller gefriert. Durch das schnellere Gefrieren wird weniger Kühlenergie benötigt. Luftfreies Eis ist dazu auch noch viel stabiler.1 Indem man unter das Eis Werbung packt, die nun von alle gesehen werden kann, konnte mit dieser Erfindung sehr viel schneller Geld verdient werden als durch die reine Energieeinsparung. (Video hier abrufbar)

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Doch nicht nur in Eishockeystadien weltweit wurde das Potential von Wirbeln erkannt. Auch beim Bauen von Gebäuden finden Wirbel immer mehr Anklang. Ähnlich wie beim Eis, werden Wirbel auch zum Mischen von Zement verwendet. So wird die Anzahl an Luftbläschen verringert und damit die Härte und Stabilität des Zements erhöht.2 Zahlreiche Firmen auf der ganzen Welt vermarkten diese Technologie bereits.

Eine weitere unwahrscheinliche Einsatzmöglichkeit für die Allround-Talente sind Golfplätze. Heutzutage benötigt ein einziger Golfplatz bis zu vier Millionen Liter Wasser pro Tag. Um Wasser zu sparen werden oft Chemikalien beigemengt, welche die Oberflächenspannung senken – das Wasser dringt schneller in das Grün ein und verdunstet nicht. Durch die Wirbelmaschine werden keine Chemikalien mehr benötigt um 20 bis 30 Prozent Wasser zu sparen. Hier ersetzen Wirbel tatsächlich Chemikalien.

Wirbel können auch Algen aus stehenden Gewässern – seien es Tümpel, Pools oder Schwimmbäder – entfernen, welche bisher meist mit Chemikalien wie Chlor behandelt werden.

Und sogar zur Energiegewinnung können Wirbel genutzt werden. In mehreren Ländern, darunter die Schweiz, Österreich und Deutschland, gibt es seit kurzer Zeit Wasserwirbelkraftwerke, die nahezu CO2-neutrale Energie erzeugen. Das geht eigentlich ganz einfach: Flusswasser fließt in einen Betonbottich, in dem am anderen Ende durch die Wasserkraft ein Wirbel erzeugt wird – durch die Bewegung wird Strom erzeugt. Die Technologie ist einfach, klimaschonend und umweltfreundlich.3 Ein Modellprojekt aus der Schweiz zeigt, wie gleichzeitig saubere Energie gewonnen und Lebensraum für aquatische Organismen geschaffen werden kann. Durch die sich langsam drehenden Wirbel können Fische und andere Flussbewohner früher unbewohnbare Stromschnellen unbeschadet passieren. Die Biodiversität rund um die im Jahr 2009 in Betrieb genommene Anlage hat seit der Installation kontinuierlich zugenommen. (Video hier abrufbar)

Bei der Energiegewinnung durch Erdwärme wiederum werden Wirbel eingesetzt, um Eisenpartikel aus dem Wasser zu filtern, mit denen das Wasser bei dem Energiegewinnungsprozess angereichert wird.

Potenzial: die Zukunft des Trinkwassers?

Innerhalb von weniger als zehn Jahren wurde aus einer Nischentechnologie für Eishockeystadien eine moderne Art der Energiegewinnung.

Eine interessante Frage ist nun, ob man mit Hilfe solcher Wirbel auch Wasser reinigen könnte, um die Verfügbarkeit sauberen Trinkwassers zu erhöhen. Momentan wird daran geforscht, ob künstlich erzeugte Wirbel bei der Klärung von Abwasser nützlich sein könnten.

Dem Abwasser wird Luft hinzugefügt um den Mikroorganismen den benötigten Sauerstoff zu liefern, den diese brauchen, um organisches Material zu zersetzen. Der Sauerstoff führt außerdem zu einer Durchmischung, so dass die Mikroorganismen mit dem organischen Material in Kontakt kommen. 30 bis 75 Prozent der Energiekosten einer Kläranlage fallen aufgrund der künstlichen Sauerstoffzufuhr an. Erste Experimente haben gezeigt, dass durch den gezielten Einsatz von Wirbeltechnologie dem Abwasser Sauerstoff zugeführt werden kann. Dies birgt das Potential, den Energievierbauch von Kläranlagen drastisch zu senken.

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Eine der am schnellsten wachsenden Nischen beim Bestreben, das Trinkwasserangebot auszuweiten, ist die Umwandlung von Salz- und Abwasser in Trinkwasser durch Umkehrosmose. Das Investitionsvolumen wird in den nächsten fünf Jahren mehr als 18 Milliarden US$ betragen.4 Die bisher größte Fabrik Europas, die mehr als einer Milliarde Dollar gekostet hat, steht in Barcelona. Die Anlage ist in der Lage täglich 200,000m³ Meerwasser in Trinkwasser umzuwandeln. Auch hier kommen Wirbel zum Einsatz und zwar um das Problem von Biofilm zu lösen. Biofilm wächst auf Filtern, was deren Effizienz verringert. Dies führt zur Schließung von Umkehrosmoseanlagen alle 14 Tage um chemisch den Biofilm zu entfernen. Das erhöht die Kosten und reduziert die Effizienz. Wirbel ziehen die Luft aus dem Wasser und nehmen Bakterien so ihre Lebensgrundlage.

Trinkwasseraufbereitung ist ein weltweit ein gigantisches Geschäft. Der globale Wasserverbrauch steigt mehr als doppelt so schnell an wie die Weltbevölkerung wächst. Es wird geschätzt, dass sich der Weltwasserverbrauch etwa alle 20 Jahre verdoppelt.5 Zwischen 2010 und 2015 werden die globalen Investitionen in die Wasserversorgung und Abwasserbehandlung 145 Milliarden US$ betragen.6

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Es wird noch weiter daran geforscht werden müssen, ob Wasserwirbel vollständig Chemikalien in der Trinkwasserproduktion ersetzen können. Vereinzelt sind sie schon in Aufbereitungsprozessen im Einsatz. Wenn es gelingt, eine Wasseraufbereitungstechnologie zu entwickeln, die ohne Chemie und komplizierte Filter auskommt, könnten vor allem in Gegenden mit unzureichender Wasserversorgung der Ausbruch von Krankheiten wie Cholera und Typhus verhindert werden.

 


1Pythgoras Kepler System 2012.http://www.pks.or.at/anwendungen_schn.html
2Vortex Hydra 2013. http://www.vortexhydra.com/en/news/newsletter-27—the-vortex-concrete- mixing-system_50c13.html
3Daum 2013. http://www.zeit.de/2013/15/wasserwirbelkraftwerke
4BCC Research 2012. http://de.slideshare.net/bccresearch/global-markets-for-reverse-osmosis-ro-membranes-and-components-to-reach-81-billion-by-2018
5Best Water Technology 2014. http://www.bwt-group.com/de/wassertechnologie/das-element-h2o/Seiten/Wasser-der-Weltmarkt.aspx
6World Health Organization 2012. http://www.who.int/water_sanitation_health/publications/2012/globalcosts.pdf

Bilder:
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